Im Landkreis steigen immer mehr junge Leute quer in die Landwirtschaft ein Bauer sucht Hof

Von Heike Hampl

Wie wird man eigentlich Landwirt, wenn man nicht aus einer Bauernfamilie stammt? Zwei Drittel der Landwirte im Landkreis wissen nicht nicht, wer ihren Hof übernimmt. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Einsteiger. Doch einen fremden Bauernhof zu übernehmen ist schwierig. Viele begraben den Traum vom eigenen Hof.

 
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"Scheiße", flucht Corinna Hahn, lässt die Mistgabel fallen und rennt aus dem Kuhstall. Keine Sekunde überlegt sie, was zu tun ist, wenn ein Kalb ausreißt. Corinna läuft auf das Tier zu, streckt die Arme nach oben und treibt es zurück in den kleinen Stall, in dem ein Kollege es wiegen wollte, bevor es flüchtete. Corinna ist Landwirtin im zweiten Lehrjahr. Das meiste von dem, was sie über Landwirtschaft weiß, hat sie in den landwirtschaftlichen Lehranstalten in Bayreuth gelernt. Corinnas Mutter ist Holztechnikerin, ihr Vater Schreiner. Einen Bauernhof wird Corinna nie erben, trotzdem will sie Landwirtin werden.

Corinna Hahn liegt im Trend: Im Landkreis Bayreuth steigen immer mehr junge Leute quer in die Landwirtschaft ein. Ein Viertel aller Auszubildenden hat keinen landwirtschaftlichen Hintergrund, sagt Robert Popp, Ausbildungsleiter beim Landwirtschaftsamt in Bayreuth. "Sie haben keine größeren Probleme in der Lehre als andere. Sie brauchen allenfalls eine längere Einarbeitungszeit", sagt er.

Wie Corinna. Es dauerte, bis sie alle Maschinen bedienen konnte, Kollegen haben ihr geholfen. "Wer vom Bauernhof kommt, fährt Bulldog, sobald er an die Pedale kommt", sagt sie. Benachteiligt fühlt sie sich nicht. Als sie noch zur Schule ging, hat sie vieles ausprobiert: Praktika im Büro, als Floristin, als Schreinerin, im Zoo. "Das war alles nichts für mich." Vor zwei Jahren entschied sich die heute 17-Jährige: Ich werde Landwirtin. Gegen den Willen ihrer Eltern. "Ein halbes Jahr lang haben sie protestiert. Und dann haben sie gemerkt, wie viel Spaß es mir macht."

Spaß - das ist der häufigste Beweggrund der Einsteiger. "Sie lernen den Beruf aus Begeisterung, haben als Kind oft auf einem Bauernhof geholfen", sagt Ernst Heidrich, Leiter des Landwirtschaftsamtes. Doch der Spaß hört auf, wenn sich Nachwuchs-Landwirte überlegen müssen, was sie mit ihrer Ausbildung und ohne Bauernhof anfangen.
 

"Die Landwirtschaft ist im Wandel. Betriebe werden immer größer, Technik spezieller", sagt Gerhard List vom Bayerischen Bauernverband in Bayreuth. Deswegen gibt es auf Bauernhöfen immer mehr Angestellte. "Das war früher die absolute Ausnahme." Je nach Qualifikation können Landwirte ohne Hof als Kaufmänner, Steuerberater, Betriebshelfer oder in der Zucht- oder Futtermittelforschung arbeiten. "Der Arbeitsmarkt für landwirtschaftliche Berufe war selten so günstig wie zu Zeit", sagt List.
 

Aber wenn man unbedingt seinen eigenen Hof will? Im Landkreis Bayreuth geben zwei Drittel aller Bauern an, keinen festen Nachfolger zu haben. Wieso übernehmen die Einsteiger nicht einfach deren Betriebe? Corinna könnte sich das vorstellen. "Aber nicht alleine." Nicht wegen der Arbeit oder der Verantwortung, sondern weil ihr die lebenslange Erfahrung fehlt. So eine Übernahme ist schwierig. Manchmal hat der alte Bauer eine andere Vorstellung als der fremde Nachwuchs. "Der eine kann oft nicht loslassen und der andere will Ratschläge nicht annehmen. Dann entzündet sich Streit an Kleinigkeiten bis zur Explosion", sagt Georg Walter, Fachberater beim Bauernverband. Das ist auch in Familien so, sagt er. "Aber zwischen Eltern und Kindern löst sich Streit anders als zwischen Fremden."

Walter berät Bauern, die ihren Hof Fremden geben. Er empfiehlt, mindestens ein Jahr beieinander zu leben und einen Pachtvertrag zu schließen. "Dann bricht nicht alles zusammen, wenn es kracht." Wenn die Hofübergabe klappt, sind Verträge wichtig. Die Rente der Landwirte steckt im Kapital des Betriebes, der Neue muss den Alten fair versorgen. "Aber ihm darf der Vertrag nicht den Kragen zuziehen", wagt Walter.

Manchmal müssen Landwirte den Traum vom eigenen Hof begraben. Wie Sven Döppmann. Der 20-Jährige hat im vergangenen Jahr seine Ausbildung zum Landwirt in Hollfeld abgeschlossen. "Das mit dem eigenen Hof wird nie funktionieren", sagt er. 70 Milchkühe und 130 Hektar Land, kleinere Betriebe lohnen sich kaum. "Freilich hab ich mir überlegt, einen fremden Hof zu übernehmen", sagt Döppmann. Aber die Landwirte, die ihren Hof aufgeben und keinen Nachfolger finden, sind meistens die kleinen. "Die alten Bauernhöfe so zu umbauen, dass alle Vorschriften eingehalten werden, da müsste ich viel zu viel investieren." Gerade verdient Döppmann sein Geld beim Maschinenring Fränkische Schweiz.

Wenn man Gerhard List vom Bauernverband fragt, wie man am einfachsten zum eigenen Bauernhof kommt, lacht er. "Einheiraten." Corinna findet diese Idee gar nicht abwegig. Ihr Freund stammt aus einer Landwirtschaft in Buchau. Sie kann sich vorstellen, mit ihm gemeinsam den Betrieb zu übernehmen.

Info: Im Internet gibt es Hofbörsen. Bauern ohne Hof finden hier Altbauern und umgekehrt. Für Bayern gibt es die Seite www.hoffinder-bayern.de. Für ganz Deutschland die Seite www.hofgruender.de.

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