Bundesregierung setzt Jobs aufs Spiel BAT: Werk kämpft ums Überleben

Von Frank Schmälzle

Glaubt man den Zigarettenherstellern, ist es schon zu spät: Bis zum 20. Mai 2016 müssen sie die neue Tabakproduktrichtlinie der Europäischen Union umsetzen. Was diese Richtlinie in Deutschland vorsieht, ist nach Angaben des Leiters des Bayreuther BAT-Werks, Bernd Meyer, aber immer noch nicht klar. Und: Bis Mai 2016 wird das Werk die Produktionsumstellung kaum schaffen. Meyer sagt: „Entweder wir produzieren ab dem nächsten Frühjahr illegal. Oder wir produzieren einen Teil unserer Zigaretten nicht mehr in Bayreuth.“ Das Werk mit 1400 Mitarbeitern kämpft ums Überleben.

 
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Die neue Tabakrichtlinie: Schock-Bilder auf der Vorderseite der Packungen. Verbot von charakteristischen Aromen wie Menthol ab dem Jahr 2020. Und standardisierte Päckengrößen. Das schreibt die Europoäische Union ab Mai 2016 den Zigarettenherstellern vor. Den Sinn sieht man bei der BAT nicht so recht. „All das dient nicht dem Gesundheitsschutz der Verbraucher, sondern stellt einen Eingriff in die Rechte der Unternehmen unserer Branche dar“, sagt BAT-Sprecherin Karin Schlömer. Aber das ist noch nicht einmal das Hauptproblem.

Die Umsetzung der neuen Richtlinie: Zigarettenhersteller wie die BAT ärgern sich gerade massiv über die Bundesregierung und deren Schlafmützigkeit. Weil sie damit Arbeitsplätze auch in Bayreuth aufs Spiel setze. Im Koalitionsvertrag, sagt Standort-Chef Meyer, hätten die Regierungsparteien noch versprochen, die neue Richtlinie werde in Deutschland genau so umgesetzt, wie sie im Mai 2014 auf europäischer Ebene beschlossen wurde. Darauf hätte sich die Branche einstellen können. Und sie hätte zwei Jahre Zeit gehabt. Doch inzwischen habe das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Alleingang draufgesattelt. Zum Beispiel beim Menthol: Zigaretten dieser Geschmacksrichtung sollen in Deutschland schon ab 2016 nicht mehr hergestellt werden dürfen. Was das Ministerium beim Umsetzen in deutsches Recht sonst noch an der EU-Richtlinie ändern will? „Wir wissen es nicht“, sagt Meyer. Der zweite, dann konkrete Gesetzentwurf liege immer noch nicht vor. Meyer sagt: „Wir brauchen Planungssicherheit.“ Und mehr Zeit. 2500 Artikel müssen allein im Bayreuther Werk an die neue Richtlinie angepasst werden, wenn es sie denn endlich gibt. Das geht nicht ohne neue Maschinen. Und die haben Lieferzeiten von bis zu einem Jahr. Meyer sagt: Es ist fraglich, ob das Bayreuther Werk vor Anfang 2017 so produzieren kann, dass es die Richtlinie einhält.

Die Bayreuther Sondersituation: Das BAT-Werk an der Weiherstraße produziert zu 60 Prozent für den Export in das europäische Ausland. „Deshalb sind wir ganz besonders darauf angewiesen, dass die Tabakrichtlinie in Deutschland eins zu eins umgesetzt wird, wie sie für ganz Europa gilt.“ Denn: Wenn der Standort Bayreuth nicht für den Export liefern kann, weil es in Deutschland an klaren Ansagen fehlt, werden andere Werke der BAT diese Produktionsvolumen übernehmen. „Dass diese Mengen nach Bayreuth zurückkommen würden, ist extrem unwahrscheinlich“, sagt Meyer. Was die Bundesregierung derzeit mit der Tabakrichtlinie macht, nennt er „einen Stich in den Rücken“. Gerade für Bayreuth. „Jeder zusätzliche Einfluss kann das Fass zum Überlaufen bringen.“

Denn das Werk hat ein zweites Problem. Es kämpft konzernintern ums Überleben. Andere Standorte unter den acht europäischen BAT-Werken, vor allem die im Osten Europas, produzieren günstiger. „Für uns in Bayreuth sind Produktionsvolumina das Lebenselexier schlechthin“, sagt Meyer. Anders gesagt: Ein Standort mit hohen Kosten und sinkender Produktion wird es schwer haben. Im Bayreuther BAT-Werk arbeiten 1400 Menschen, 700 davon in der Produktion. Wie viele Jobs auf dem Spiel stehen, wenn der 20. Mai 2016 kommt, das Bayreuther Werk nicht vorbereitet sein kann und Produktion verlagert werden sollte, kann Meyer nicht beziffern. „Die Tabakrichtlinie wird nicht das komplette Aus für einen Standort sein“, sagt er. Aber ein Rückschlag.

Das sagt der Betriebsrat: „Die Politiker müssen ihren Job machen“, sagt Paul Walberer, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von British American Tobacco in Deutschland. „Sie müssen Entscheidungen treffen, damit wir handlungsfähig sind. Ansonsten steht es für das Bayreuther Werk Spitz auf Knopf.“ Aber den Eindruck, dass die Politik Gas gibt, hat man bei der BAT nicht. „Wir haben viele Politiker angesprochen“, sagen Walberer und Meyer. Viele hatten kein Interesse. Die, die kamen und sich die Probleme anhörten, haben anschließend entweder nichts unternommen oder nichts erreicht. Das Fatale: Die BAT und andere Zigarettenhersteller können derzeit nicht einmal gegen die deutsche Umsetzung der Tabakrichtlinie klagen. Die wäre aus Sicht der Branche zwar eine Wettbewerbsverzerrung. Aber erst wenn aus der Richtlinie ein Gesetz geworden ist, können Zigarettenhersteller juristisch dagegen vorgehen.

Das sind die Forderungen: Die British American Tobacco drängt darauf, dass die Bundesregierung ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einhält. Dass die neue Tabakrichtlinie ohne deutsche Sonderregelungen umgesetzt wird. „Und wir brauchen mehr Zeit“, sagt Standort-Chef Meyer. Mindestens ein Jahr.

Das sind die Auswirkungen auf die Stadt: Im vergangenen und in diesem Jahr lagen und liegen die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Bayreuth auf Rekordniveau. 2014 zahlten die Unternehmen knapp 73 Millionen Euro an die Stadt. In diesem Jahr werden es voraussichtlich mehr als 80 Millionen Euro sein. Damit macht die Gewerbesteuer etwa ein Drittel der Einnahmen der Stadt aus. Die BAT gehört zu den größten Gewerbesteuerzahlern in Bayreuth. Sinken deren Erträge sinken die Einnahmen der Stadt.

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