Bamberger Symphoniker: Gelungener Einstand

Von Michael Weiser
 Foto: red

Was für ein Auftakt für Jakub Hruša als Chefdirigent der Bamberger Symphoniker: Ovationen nach der Saisoneröffnung, über fünf Minuten lang prasselte lauter Beifall auf den jungen Tschechen ein. Der hatte in den zwei Stunden zuvor ein fulminantes Konzert geleitet, mit Gustav Mahlers „Titan“-Symphonie als krönendem Abschluss.

 
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Am Ende lehnte er fast schon lässig am Gestänge des Pultes und ließ die Augen über sein Orchester schweifen, für ein paar Momente der Ruhe und der Verbundenheit mit seinen Musikern. Die Schonhaltung Jakub Hrušas kann der Erschöpfung geschuldet gewesen sein, nach einem körperlich fordernden Konzert mit Edgard Varéses „Tuning up“, mit Jan Václav Voříšeks Symphonie D-Dur op. 24 , mit Gustav Mahlers 1. Symphonie.

Vielleicht war's auch Erleichterung. Erleichterung darüber, dass ihm der erste Schritt in den großen Fußstapfen Jonathan Notts trefflich gelungen war. Auch darüber, dass er diesen Weg so sicher aufgenommen hatte. Über die Schwierigkeiten dieses Konzertprogramms hilft wirklich nur das Vertrauen hinweg, dass da eine Brücke ist. Ein Moment des Zweifels, und die Brücke erweist sich als Einbildung; man stürzt ab, hinein in die Wogen und Strudel der Töne. Gerade Gustav Mahlers tatsächlich gigantische „Titan“-Symphonie ist so ein Malstrom, in dem man sich ohne weiteres verlieren kann. Hruša hatte dieses Vertrauen in sich und seine Musiker. Er belohnte sich – und seine Zuhörer im Joseph-Keilberth-Saal mit einem Konzert, das mit ziemlich herausragend ziemlich unzureichend beschrieben wäre.

Was man bereits sehen kann

Hruša ist erst kurz da. Aber er hat den Draht zu seinen Musikern offenbar bereits gefunden. Schon vor zwei Jahren, als er Smetana dirigierte, damals noch als Gast, soll es gefunkt haben. Der isses, war die Meinung unter den Musikern. Das Orchester, eines der besten in Deutschland, sprach sich für den jungen Tschechen als neuen Chefdirigenten aus. Die von Nott geschulten Musiker werden wissen, wer zu ihnen passt. Und noch eins: Hruša wird das slawische Repertoire pflegen. Er hat mit seinem ersten Auftritt als Chef ziemlich gute Argumente dafür geliefert.

Die Dramaturgie

Irritierend. Und ziemlich witzig. Mit einer bezeichenden Abweichung von der Tradition. Das schöne Einstimmen, dieses anheimelnde Gesumm der Töne, das alle künftigen Symphonien in sich zu bergen scheint, fiel diesmal aus. Zu Gunsten von Varéses „Tunig up“, die als Parodie für einen (dann nie abgedrehten) Film bestellte Bearbeitung des Einstimmens. Ein virtuoses, spannendes Stück mit viel Humor. Und die Bamberger zeigten, welche Schönheiten klassisch-moderne Dissonanz entwickeln kann. Ein Nachweis, der ihnen in der Vergangenheit beispielsweise mit Ligetis „Atmosphères“ gelungen war. Ein guter Anfang für einen Abend, dessen Spannungsbogen hielt.

Der Höhepunkt

Mahlers erste Symphonie ist das Werk eines Zweiflers. Natur, Idylle scheint er am Anfang zu schildern, aber da ist dieser seltsam quälende Kammerton A, das Gezwitscher der Vögel erscheint mitunter merkwürdig albtraumhaft. Dann ist da noch der Trauermarsch im dritten Satz, der den Kanon vom „Bruder Jakob“ bitter zu parodieren scheint. Mahler traute dem Frieden wohl nie. Hruša legte – mit viel Körpereinsatz – eine meisterhafte Vorstellung ab. Gut vernehmlich noch im Pianissimo erklang das Orchester, schmetternd und doch präzis im Forte, mit einer Trennschärfe, die einen schier vom Sitz aufspringen lassen konnte. Und im letzten Satz, in Mahlers Durchbrüchen, mit einer triumphalen Sieghaftigkeit, die einen hoffen ließ, dass auch Mahler mal an einen guten Ausgang glauben konnte. Sogar die absichtsvoll fahlen Passagen des Werkes hatten an diesem Abend Farbe. Gänsehaut!

Die Gefühlslage?

„Ich bin glücklich in meinem Leben hier“, sagte Hruša unmittelbar nach dem Konzert, noch am Pult stehend. Nachher fügte er hinzu, er habe eine Heimat gefunden, in der Stadt, in seinem Orchester. „Ich glaube, dass das ewig so bleiben wird.“ Warum nicht? Hrušas Vertrag läuft für fünf Jahre. Und wenn man gute Arbeit mache, dann werde man wiedergewählt, sprach Bambergs Oberbürgermeister Starke eingangs. „Ich habe die Erfahrung schon gemacht“, sagte er lachend. Politiker-Sprech, schon klar, aber in dieser Leichtigkeit hatte Starke den Ton des Abends getroffen. Deswegen als Randnotiz erwähnt.

Auf was wir uns freuen

Auf weitere gute Überraschungen. Jan Václav Voříšeks Symphonie D-Dur op. 24, beispielsweise, ist ein wunderbares Stück Wiener Klassik, mit viel Beethoven drin – aber doch irgendwie anders. Die Bamberger Uraufführung dieses selten gespielten Werkes des Schubert-Spezls machte richtig Spaß. Und gab den Bambergern schon mal Gelegenheit, die unglaublichen Feinheiten ihrer Symphoniker zu bewundern. Was das Orchester an fein austarierter Dynamik hören ließ, war überragend.

Unser Fazit

Die Bamberger setzen einen guten Weg fort. So ist ein Konzert großes Theater. So macht klassische Musik Spaß. Chapeau!