Wenn der ehemalige Bürgermeister Gemeinderat bleibt, kann das manchmal ganz schön schwierig sein Ärger mit dem Vorgänger

Von Sarah Bernhard und Heike Hampl
Simone Kirschner ist genervt. Weil Ex-Bürgermeister Hans Dötsch im Gemeinderat immer wieder persönlich wird. Der bestreitet das.Foto: Andreas Harbach Foto: red

Schwierige Situation: Seit eineinhalb Jahren sitzt der ehemalige Bürgermeister Hans Dötsch (SPD) im Gemeinderat. Und immer wieder gibt es Auseinandersetzungen mit Amtsnachfolgerin Simone Kirschner (CSU). Heinrich Wolff, Jurist, sagt: Dem Bürger nützt Dötschs Fachwissen. Aber ein Ex-Bürgermeister im Gemeinderat hat auch Nachteile.

 
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Manchmal hat Hans Dötsch keine Lust mehr. Er ist nicht mit zur Klausurtagung des Gemeinderats gefahren. Als Altbürgermeister, sagte er zur Begründung, habe er dort nichts verloren. Und auch bei der Bürgerversammlung vor einigen Tagen ließ Dötsch sich nicht blicken. „Ich habe in meiner Amtszeit 72 Bürgerversammlungen geleitet, mein Bedarf ist gedeckt“, sagt er auf Kurier-Nachfrage.

Er sagt aber auch: „Ich habe mich in die Rolle eines normalen Gemeinderats eingelebt. Und mir macht’s Spaß.“ Rechtlich sei es kein Problem, dass ehemalige Bürgermeister Gemeinderäte werden, sagt Heinrich Wolff, der als Jurist am Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Bayreuther Universität arbeitet. Im Gegenteil: „Objektiv betrachtet kann der Rat diesen Sachverstand gut gebrauchen.“

"Man sollte sich halt auch manchmal an seinen Wählerauftrag erinnern"

Und im Grunde sagt das auch die neue Bürgermeisterin Simone Kirschner: „Ich sehe kein Problem, er hat ja einen Wählerauftrag.“ Dieser Wählerauftrag, sagt Wolff, mache die Situation für Simone Kirschner besonders schwer: Weil sie ihrem Vorgänger nicht vorhalten könne, dass er abgewählt wurde. Schließlich musste Hans Dötsch abtreten, weil er mit mittlerweile 70 Jahren zu alt für das Amt des Bürgermeisters ist.

Und trotzdem ist es dieser Wählerauftrag, der Kirschner dann doch noch zu Kritik veranlasst: „Man sollte sich halt auch manchmal an seinen Wählerauftrag erinnern“, sagt sie, „und nicht personen- sondern sachbezogen entscheiden“.

Kritik: Das Mitteilungsblatt gerate zum CSU-Blatt

Immer wieder hat Hans Dötsch die Bürgermeisterin öffentlich kritisiert, seit er im Gemeinderat sitzt. Zuletzt schimpfte er über ihren Führungsstil: Das Mitteilungsblatt der Gemeinde gerate wegen ihr zum CSU-Blatt. Und sie würde SPD-Anträge, etwa den zur sozialgerechten Bodennutzung, nicht ernst nehmen, sogar manipulieren.

Dass diese Auseinandersetzungen nicht immer sachlich sind, bemerken auch die Bürger. Zuletzt schrieb einer an die Gemeinde, dass die Öffentlichkeit den Eindruck habe, der Gemeinderat sei nicht in der Lage, sich ordentlich zu besprechen und Probleme aus der Welt zu schaffen.

Dötsch: "Es geht um die Sache und um sonst nichts"

Persönlich meine er es aber nie, sagt Dötsch: „Wenn ich eine Kritik anbringe, geht es um die Sache und um sonst nichts. Alles andere ist mir wurscht.“ Zumal das meiste, was er angestoßen habe, weitergeführt worden sei. Nur zu manchen Problemen habe er eben andere Ideen, „davon lebt die Demokratie, das hat mit meiner früheren Tätigkeit nichts zu tun“.

Und dann schwärmt er von der vielen Zeit, die er hat, seit er nur noch Gemeinderat ist, und die Möglichkeit, sich seinen Tag wieder so einzuteilen, wie er es gerne hätte.

Im Gemeinderat, sagt Jurist Wolff, könne es trotz dieser Vorteile so wirken, als ertrage der Altbürgermeister nur schwer, dass er abgetreten ist. „Er versucht weiter, Politik zu machen. Da muss seine Nachfolgerin durch.“

So läuft es in anderen Gemeinden

THURNAU

Fällt es Ihnen schwer, loszulassen und sich wie ein ganz normales Rats-Mitglied zu verhalten?

Ex-Bürgermeister Dietmar Hofmann (parteilos): „Manchmal bin ich wirklich zwiegespalten, weil ich sehr genau überlegen muss, wie ich etwas artikuliere. Man steht schnell als schlechter Verlierer da. Bisher läuft unsere Arbeit aber sachlich und freundschaftlich. Freilich tut es manchmal weh, dass man die Früchte nicht ernten kann, die man gesät hat. Aber mein Nachfolger macht seine Arbeit gut. Und weil es mir um das Wohl von Thurnau geht, freue ich mich, wenn sich etwas gut entwickelt.“

Ist es ein Problem, dass Ihr Vorgänger noch mit im Rat sitzt?

Bürgermeister Martin Bernreuther (CSU): „Jeder setzt seine eigenen Schwerpunkte in einem solchen Amt. Man kann nicht wegreden, dass es dann auch mal zu Uneinigkeit kommt. Aber nach der Sitzung ist das dann auch wieder in Ordnung. Wir erleben keine Situation, in der wir offen streiten. Von 132 Beschlüssen in meiner Amtszeit haben wir 115 einstimmig gefällt. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen.“

GEFREES

Fällt es Ihnen schwer, loszulassen und sich wie ein ganz normales Rats-Mitglied zu verhalten?

Ex-Bürgermeister Rudolf Ruckdeschel (CSU, 81): „Ganz im Gegenteil. Ich habe am Ende sogar ein Maßband gehabt, an dem ich die Tage abschneiden konnte. Wenn man 18 Jahre dabei war, reicht das. Und mit damals 68 Jahren war es auch genug. Und ich habe absolut kein Problem damit, wenn vorne jemand anders steht, der die Dinge etwas anders macht. Trotzdem habe ich jetzt weniger Zeit als damals, als ich noch Bürgermeister war. Langweilig ist mir jedenfalls nicht.“

Ist es ein Problem, dass Ihr Vorgänger noch mit im Rat sitzt?

Bürgermeister Harald Schlegel (SPD): „Für mich in keinster Weise. Wir gehen fair miteinander um, es gibt keine Konflikte. Von meiner Seite bin ich absolut zufrieden.“

MISTELBACH

Fällt es Ihnen schwer, loszulassen und sich wie ein ganz normales Rats-Mitglied zu verhalten?

Ex-Bürgermeister Bernhard Rümpelein (SPD): „Nein, mir fällt das ganz leicht. Das Amt der Bürgermeisters ist auf Zeit vergeben, das war mir immer klar. Und ich habe es aus freien Stücken abgegeben und bin nicht abgewählt worden. Warum ich dennoch im Gemeinderat sitze? Ich wollte eigentlich gar nicht einziehen, habe mich aber auf Platz 13 der Liste setzen lassen um Stimmen für die SPD zu holen. Irgendwie bin ich dann doch reingerutscht.“

Ist es ein Problem, dass Ihr Vorgänger noch mit im Rat sitzt?

Bürgermeister Matthias Mann (SPD): „Im Gegenteil, ich profitiere davon, mal etwas nachfragen zu können. Dinge, die nirgends niedergeschrieben sind, die ich selbst nicht miterlebt habe.

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