Anne Haug steigt in die Olympia-Vorbereitung ein Anne Haug: In zehn Monaten zur Medaille

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Ihre Schwäche beim Schwimmen akzeptiert Anne Haug, nun will sie ihre Stärken verbessern und wieder die Radzeiten vorgeben sowie im Laufen an ihre besten Zeiten anknüpfen. Foto: imago Foto: red

Anne Haug ist eine der besten und erfolgreichsten Einzelsportlerinnen Bayreuths
 und hat die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (Brasilien) bereits in der Tasche. Im Interview 
blickt die 32-Jährige auf die durchwachsene Saison zurück und spricht über ihre Ziele im Jahr 2016.

 
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2012 war Anne Haug Vize-Weltmeisterin, im Jahr darauf Dritte und Team-Weltmeisterin. Dann warf sie eine Verletzung zurück, ein Knochenödem am Oberschenkelhals zwang sie zu einer halbjährigen Pause.

Der Weg zurück in die Weltspitze war in der abgelaufenen Saison steinig. Bei acht Starts in der WM-Serie kam die Bayreutherin nur einmal unter die Top Ten – beim verkürzten Rennen in Kapstadt (Südafrika) wurde sie Achte. In der WM-Gesamtwertung blieb nur der 29. Rang.

Doch beim selbstgesetzten Saisonhöhepunkt rief sie ihre beste Leistung ab. Beim Qualifikationsrennen für Olympia – ausgetragen auf der Strecke in Rio – wurde Haug als Siebte beste Deutsche und erfüllte so die Norm der Deutschen Triathlonunion, die mindestens Rang acht gefordert hatte.

Hat ein Rennen die Saison gerettet?

Anne Haug: Das ist wohl so. Ich blicke mehr mit einem weinenden als lachendem Auge auf die Saison zurück. Wobei meine Vorbereitung nach der langen Verletzungspause alles andere als gut war. Wenn man ein halbes Jahr seine Beine nicht bewegen kann, dann fehlen viele Laufkilometer. Dann kann man zwar mitwurschteln, aber nicht ganz vorne mitlaufen. Ich habe keinen Grundlagenblock zusammengebracht. Anfang März war dann der erste Wettkampf und es folgten innerhalb kurzer Zeit vier weitere auf drei Kontinenten. Das hat mir irgendwie den Stecker gezogen. Im Juni hatte ich dann mein erstes richtiges Grundlagentraining. So haben meine Kraft und Fitness gerade so gereicht, um bei dem Rennen in Rio die Olympia-Quali klar zu machen. Darüber bin ich sehr froh, das war mein ausgegebenes Saisonziel. Schade nur, dass die anderen Wettkämpfe im Vergleich zu meinen Ergebnissen der Vorjahre so schlecht waren.

Doch bei diesem Quali-Rennen lief ja auch nicht alles nach Plan.

Haug: Einen Wechsel habe ich total versabbelt, deswegen musste ich im Laufen einiges aufholen und taktisch rennen. Dann war ich lange auf Platz neun oder zehn. Zum Glück hat mit Platz sieben die Quali ja doch noch geklappt. Am Tag X musste eben die Form stimmen und auch im Kopf muss man bereit sein. Das Quäntchen Glück gehört auch dazu, aber es ist kalkulierbares Glück. Denn am Renntag habe ich mich super gefühlt, auch wenn meine Vorleistungen nicht unbedingt auf einen Platz in den Top Acht hingedeutet haben. Aber ich habe mir gedacht: Lieber falle ich tot um, als mir nicht die Olympia-Quali zu holen.

Das ist aber auch enormer Druck, den Sie selbst aufbauen. Druck, an dem man auch zerbrechen kann.

Haug: Mein Saisonziel war die Olympia-Quali. Damit beschäftigt man sich ein Jahr lang jeden Tag, in jedem Training ist man darauf fokussiert. Ich muss dann am Renntag das Gefühl haben, das die Fitness aus mir rauskommt. Und das hatte ich an diesem Tag, dann kann ich Zeiten laufen, die vorher nicht denkbar waren. Das ist wichtig für meinen Kopf und hat mir die nötige Zuversicht gegeben. Außerdem gehört im Leistungssport Druck einfach dazu, damit muss man umgehen können.

Wenn Sie ihre Saisonleistungen bewerten müssten, wie würden die einzelnen Disziplinen abschneiden? Eins ist Weltspitze, Zehn Kreisklasse.

Haug: In der Vorbereitung in Australien habe ich die besten Schwimmzeiten meines Lebens hingelegt, aber im Rennen konnte ich das nicht zeigen. Nur beim Quali-Rennen in Rio habe ich das rübergebracht. Mein Fazit: Das Schwimmen war verbessert, aber ich würde es so bei Sechs/Sieben einordnen. Das Radfahren war vor allem in Rio richtig gut, da war ich nahe an meinen Topleistungen dran. Also bekommt es eine Zwei bis Drei. Mit meinem Laufen war ich gar nicht zufrieden. Früher bin regelmäßig 33er-Zeiten gelaufen, diesmal waren 34 Minuten und mehr die Regel. Nach der langen Verletzungspause hakt es auch noch koordinativ etwas, deswegen bekommt das Laufen höchstens eine Fünf.

Was kann man aus diesen Erkenntnissen für die nächste Saison und die Vorbereitung auf Olympia mitnehmen?

Haug: Das Olympia-Rennen ist am 18. August, am 18. Oktober startet meine Vorbereitung. Es ist ein Luxus, wenn man sich zehn Monate auf einen Wettkampf vorbereiten kann. Und nichts anderes zählt. Ehrlich gesagt sind mir die WM-Rennen wurst. Meine Verletzung ist auskuriert, es gibt jetzt keinen Schongang mehr, sondern nur noch Vollgas. Ich werde so hart trainieren, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Trainingstechnisch werde ich nicht mehr so sehr auf dem Thema Schwimmen rumreiten. Ich habe akzeptiert, dass es meine schwächste Disziplin ist und bleiben wird. Ich habe gemerkt, dass ich so auf eine Verbesserung des Schwimmens fokussiert war, dass die anderen Disziplinen gelitten haben. Und Radfahren und Laufen waren meine Stärken, mit Topleistungen in diesen Disziplinen habe ich WM-Rennen gewonnen. Diese Stärken muss ich verbessern. Das sind im Wettkampf meine Waffen und die müssen geschärft werden.

Aber es hat sich auch gezeigt, dass die Weltspitze so eng zusammengerückt ist, dass man die Lücke kaum mehr schließen kann, wenn man zu spät aus dem Wasser steigt.

Haug: Die Renndynamik hat sich wirklich total verändert. Vor allem, weil die US-Schwimmerinnen extrem stark geworden sind und dann auf dem Rad vorne zusammenarbeiten und um ihr Leben fahren. Nichtsdestotrotz wird ein Wettkampf immer noch im Laufen entschieden. Wenn man nicht mindestens eine 33er-Zeit läuft, hilft das beste Schwimmen nichts. Außerdem gibt es noch einen wichtigen Faktor: Der Olympia-Kurs ist nicht so flach wie die ganzen WM-Strecken.

Das Rennen in Rio ist also auf ihre Stärken zugeschnitten?

Haug: Ich denke schon. Da ist eine richtige Rampe drin, wo alle leiden müssen. Da kann man Rückstand aufholen, das kommt mir zugute. Außerdem finde ich es gut, dass im Meer geschwommen wird und es nur eine Schwimmrunde gibt. Das heißt, die erste Boje ist 500 Meter weg, das Feld zieht sich also etwas auseinander. Normalerweise schwimmen wir 250 Meter Vollgas auf die Boje zu, wo es dann zur Massenschlägerei im Wasser kommt. Sich dort zu behaupten, ist nicht gerade meine Stärke. Die lange Anschwimmgerade war auch ein Grund, warum ich beim Quali-Rennen in Rio so gut im Schwimmen abgeschnitten habe.

Und welchen Platz haben Sie sich beim Olympia-Rennen vorgenommen?

Haug: Die Konkurrenz ist sehr stark, wobei Weltmeisterin Gwen Jorgensen in einer eigenen Liga läuft und aktuell unschlagbar ist. Aber die Britinnen Non Standford und Vicky Holland sowie andere Topläuferinnen habe ich früher regelmäßig geschlagen. Das muss wieder klappen, wenn ich eine Medaille will. Und nichts anderes ist mein Ziel. Vor vier Jahren habe ich gar nicht damit gerechnet, mich für Olympia zu qualifizieren. Da war in London dabei sein schon alles, ich wolle nur ein starkes Rennen abrufen. Die Erwartungshaltung an mich selbst hat sich aber nun verändert: Ich will in Rio das Rennen meines Lebens machen und unter die Top drei laufen.

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