Ahnenforschung führt nach Deutschland Amerikaner suchen Nemmersdorfer Vorfahren

Von Ulrike Sommerer
Terri, Lenore, Steve und Shauna Spencer suchen ihre Wurzeln in Deutschland. Die Amerikaner wurden am Forthof fündig und fühlten sich gleich familiär verbunden. Foto: Andreas Harbach Foto: red

"Das ist doch wichtig. Zu wissen, woher man kommt.“ Lenore Spencer reagiert verständnislos auf die Frage, warum sie sich aufgemacht hat, nach ihren Wurzeln zu suchen. Aber ist die Frage nicht berechtigt? Der Weg von Nebraska bis nach Oberfranken ist weit. Und er war ungewiss. Denn hier, in Nemmersdorf, wo ihre Wurzeln liegen sollen, kannte die 83-jährige Lenore niemanden. Sie fand Familie.

 
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Vor einem Jahr hörte die damals also 82-jährige Leonore Spencer auf, als Sozialarbeiterin zu arbeiten. „Da wurde ihr langweilig, sie brauchte so etwas wie ein Hobby“, frotzelt ihr Sohn Steve, 56 Jahre alt. Mit seiner Frau Shauna und seiner Schwester Terri begleitet er die Mutter auf ihrer Reise zu ihren Wurzeln. Lenores Hobby fand sich in einer Kiste. Die war voll mit alten Fotografien, die die Mutter zeigten, die Oma, die Uroma. Und den, der ihre Familie in Amerika begründete: Johann Steininger. Lenore kramte in den Fotografien und wurde von Foto zu Foto neugieriger auf diese Menschen, die so eng mit ihr verbunden sind und über die sie nahezu nichts wusste.

Lenore Spencer erinnert sich an ihre Großmutter Sophie Elisabeth. Sechs Jahre alt war Lenore, als die Oma starb. Die Frau, mit der sie Domino spielte und die ihr immer einen einzigen Zitronenbonbon zusteckte, während die Eltern den Gottesdienst in der Kirche nebenan besuchten. „Vielleicht interessiert mich ihre Geschichte deshalb so, weil ich die Großmutter eben kannte“, mutmaßt sie heute.

Viele deutsche Verbidnungen

Sie forschte weiter. Fand heraus, dass Johann Steininger, ihr Ur-Ur-Großvater, Bauer auf dem Forthof, Germany, diesen 1840 verkaufte und nach Amerika auswanderte. Er wollte den Hof nicht auf Kosten der jüngeren Brüder an den ältesten übergeben. Also ging er mit Frau und Kindern nach Amerika, wo billiges Land lockte, ein neues Leben, ein besseres möglicherweise. Johann Steininger ging den Mississippi hoch, von New Orleans nach St. Louis. In der Nähe von Jefferson City ließ er sich nieder, rodete Wald, baute eine Farm auf und eine neue Existenz. In der Gegend ließen sich viele Deutsche nieder. Johanns Kinder fanden deutsche Ehepartner. „Alle die in unsere Familie einheirateten hatten auch deutsche Wurzeln.“

Im Laufe der Generationen verschwand dennoch die deutsche Sprache in der Familie Spencer. Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs versuchte man, deutsche Wurzeln zu verstecken. „Es bestand ja immer die Gefahr, als deutscher Spion zu gelten“, erklärt Steve Spencer. Also besser nicht zeigen, dass man mit den Deutschen irgendetwas am Hut haben könnte. Lenores Mutter sprach noch etwas Deutsch, sie selbst schon nicht mehr.

Hilfe von der Kirche

Lenore Spencer stieß bei der Ahnenforschung auf den Herkunftsort von Johann Steininger: Forthof. Sie schrieb an den Nemmersdorfer Pfarrer, bat um Hilfe und Einsicht in Kirchenbücher. Und um die Adresse des Hofes, aus dem der Ahne stammt.

Dass dort nach wie vor weitere Nachkommen der Steiningers leben, konnte sie kaum glauben. Lenore schrieb die Familie Popp auf dem Forthof an, erklärte, gemeinsame Wurzeln zu haben und fragte, ob man sich nicht kennen lernen könnte. Die Einladung kam postwendend und nun sitzt Familie Spencer am Küchentisch des Bauernhofes, in dem einst auch der Ur-Ur-Großvater lebte. „Es fühlt sich wie Familie an“, sagt Lenore Spencer. Die Verständigung läuft mit Händen, Füßen, Lächeln, Wörterbuch und Deuten auf den gemeinsamen Stammbaum. Sie besuchen die Kirche, den Friedhof, sehen sich Bayreuth an, gehen zusammen aufs Feuerwehrfest.

Mit zwei ihrer vier Kinder und der Schwiegertochter trat Lenore Spencer die Reise zu den Vorfahren an. Zehn Tage lang suchten sie nach Spuren ihrer Familie in der Geschichte. Die Seite des Großvaters fanden sie in Oberfranken. Spuren der großmütterlichen Seite, die aus der Gegend um Frankfurt stammte und ebenfalls nach Amerika ausgewandert war, haben sich in den Jahrzehnten verloren.

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