Als Linksaußen mittendrin: Rune Dahmke

Dass ein Handballer aus Kiel seine Länderspielpremiere ausrechnet in Flensburg feiert, das ist fast so, als würde ein Dortmunder Kicker seinen Einstand in der nationalen Auswahl auf Schalke geben müssen. Rune Dahmke erging das so. Geschadet hat es ihm nicht.

 
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Der Linksaußen vom THW Kiel bestritt sein erstes Länderspiel am 6. November 2015 ausgerechnet in der Halle des Bundesliga-Rivalen an der Grenze zu Dänemark, wo der Flensburger Anhang dem deutschen Rekordmeister in herzlichster Abneigung verbunden ist. Doch dies bekam Dahmke beim 29:20 gegen Brasilien nicht zu spüren.

„Ich bin freundlich begrüßt worden“, erinnert sich der 22-jährige Blondschopf an seiner Premiere im DHB-Trikot. Das mag nicht nur daran gelegen haben, dass er das Nationaltrikot und nicht das Kieler Leibchen trug, sondern auch daran, dass das Interesse am Supercup-Wettbewerb bescheiden und die Halle nur zur Hälfte gefüllt war.

In verantwortungsvoller Position

Eigentlich sind für den Rechtshänder volle Spielstätten mittlerweile Standard – bei Heimpartien des THW und gegenwärtig auch bei der Nationalmannschaft, mit der er an diesem Freitag in Breslau gegen Ungarn in die EM-Hauptrunde startet (18.15 Uhr/ARD). Dahmke musste schnell lernen, mit Druck umzugehen. Trotz seines jungen Sportleralters ist er bereits in einer Position, in der er Verantwortung übernehmen muss.

Der gebürtige Kieler, dessen Vater Frank Ende der 80er Jahre ebenfalls Nationalspieler war, wurde noch in der Saison 2013/14 vom THW an den damaligen Zweitligisten TSV Altenholz delegiert, um Spielpraxis zu sammeln. Nun steht er unversehens im Blickpunkt, weil andere reihenweise ausfielen. Bei Kiel verletzten sich auf seiner Position in dieser Saison zunächst Dominik Klein und dann auch der nachverpflichtete Torsten „Toto“ Jansen. Die Folge: „Ich stand in vielen Spielen fast unterbrochen auf der Platte“, so Dahmke.

Konkurrenten verletzen sich

In der Nationalmannschaft wurde gut zwei Monate vor der EM ein 28-Mann-Kader nominiert, aus dessen Kreis die deutschen Spieler fürs Turnier in Polen stammen müssen. Unter diesen 28 waren drei Linksaußen – zwei davon, Uwe Gensheimer und Michael Allendorf, haben sich mittlerweile verletzt und verpassen das Turnier. Rune Dahmke ist der Letzte, der auf dieser Position übrig ist.

Dass er eine Voodoo-Puppe besitze, um Konkurrenten Schaden zuzufügen, verneint Dahmke mit einem Lachen. „Nein, nein. Ich lerne doch viel von so erfahrenen Leuten wie Uwe, Dominik oder Toto.“ Und Verletzungen machen auch vor ihm nicht halt: Im Vorfeld des EM-Turniers hatte er einige Tage mit einem lädierten Knöchel aussetzen müssen.

Neun Tore bei der EM

Die Folge der vielen Verletzungen: Dahmke ist bei der EM ein Dauerläufer, der nur gelegentlich Pausen erhält, wenn ihn gelernte Rückraumspieler wie Martin Strobel oder Niklas Pieczkowski kurzzeitig entlasten. Bislang funktionierte das recht gut: In den drei Vorrundenspielen erzielte der 1,89 Meter große Rechtshänder, der neben seinen vielen muskelbepackten Teamkollegen beinahe zierlich wirkt, neun Tore. Nur beim Turniereinstand (29:32-Niederlage gegen Spanien) lief es nicht, da scheiterte Dahmke mehrmals am erfahrenen Keeper Arpad Sterbik.

Doch er ließ sich nicht beeindrucken und zeigte sich bei den Siegen über Schweden und Slowenien treffsicher. „Ich muss immer damit rechnen, dass es einmal nicht so läuft. Damit muss ich klarkommen“, hatte der Norddeutsche bereits vor dem Turnier erklärt. Ihm ist bewusst, dass er sich in einem Lernprozess befindet, die EM ihm aber auch eine riesige Chance bietet. Nutzt er die, wird er für Bundestrainer Dagur Sigurdsson auch ein Thema bleiben, wenn Uwe Gensheimer zurück ist.

Uli Sommerkorn

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