Als die Festspiele fast austrockneten

Von Andreas Gewinner
Jugendstil trifft Moderne: Der rund 100 Jahre alte Wassersammler der Fichtelgebirgsleitung und ein modernes Betriebsgebäude im Löchleinstal oberhalb von Warmensteinach. ⋌Foto: Andreas Gewinner Foto: red

Genau 100 Jahre ist es her, dass die Einwohner von Grassemann ihr Wasser an die Stadt Bayreuth verkauften. Doch die Geschichte des Fichtelgebirgswassers für die Wagnerstadt reicht noch einige Jahre weiter zurück. Und sie beginnt mit einer Wassernot, die fast die Richard-Wagner-Festspiele infrage gestellt hätte.

 
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1904 und 1905 waren Trockenjahre in Bayreuth, die zu einer bedenklichen Wassernot führten und sogar die Festspiele ums Haar verhinderten. Die Bayreuther Stadtväter hatten das Problem bereits seit 1903 auf dem Schirm. Als in den Folgejahren zeitweise die Wasserversorgung und 1905 deswegen sogar fast die Wagner-Festpiele ausfielen, wurde gehandelt.

Man fand die Lösung im Fichtelgebirge bei Warmensteinach, nachdem man festgestellt hatte, dass anvisierte Quellen im unteren Steinachtal ebenfalls unter der Trockenheit litten. 1907 wurde zwischen der Stadt Bayreuth und der Königlich Bayerischen Forstverwaltung ein Vertrag über den Bezug von Trinkwasser aus dem südlichen und westlichen Ochsenkopfgebiet geschlossen. Nach drei Jahren Bauzeit war die knapp 27 Kilometer lange Wasserleitung Ende 1909 fertig, Kosten: 1,4 Millionen Reichsmark. Auch damals wurden offenbar öffentliche Bauprojekte teurer als zunächst geplant. Denn 1903 hatte man noch mit Kosten von einer Million Euro kalkuliert. Auf lange Sicht offenbar trotzdem eine lohnende Investition: Heute ist immer noch größtenteils die über 100 Jahre alte Originalleitung in Betrieb.

Die Leitung folgt im Wesentlichen dem Verlauf der heutigen Staatsstraße durch das Steinachtal, läuft aber teils auch durch anliegende Orte wie Untersteinach und Görau. Den Ausschlag für die Fichtelgebirgsleitung gab neben den Kosten vor allem, dass die Leitung aufgrund des natürlichen Gefälles ohne Pumpwerk auskam.

Erstmals floss übrigens im Juni 1908 Wasser aus dem Fichtelgebirge nach Bayreuth, auch und gerade im Hinblick auf die wenige Wochen später beginnenden Festspiele. Die Leitung hat auch 100 Jahre später nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt. Aktuell steuert sie 22,54 Prozent des Wassers bei, das die Stadtwerke Bayreuth an ihre Kunden abgibt, so Pressesprecher Jan Koch.

Der Vertrag zwischen der Königlichen Forstverwaltung (heute: Staatsforst) und der Stadt hatte ein Nachspiel. Der Forst konnte den Vertrag ohne Rücksicht auf andere Nutzer abschließen. Doch insbesondere Wasserkraftwerksbetreiber und Fischereiberechtigte gingen auf die Barrikaden. Und erstritten insgesamt 87 000 Reichsmark Entschädigung. Die die Stadt Bayreuth bezahlen musste.

Warum wurden nur sieben Jahre später mit den Einwohnern von Grassemann weitere Verträge geschlossen? „Da später zusätzliche Leitungen auf dem Gebiet des Weilers Grassemann verlegt wurden, wurden 1916 Grunddienstbarkeiten und Gestattungsverträge mit den betroffenen Grundstücksbesitzern vereinbart“, teilt Jan Koch von den Stadtwerken mit. Tatsache ist: Die Kapazität der 1907 bis 1909 gebauten Leitung sollte auch bei einem angenommenen Bevölkerungszuwachs in Bayreuth für 25 bis 30 Jahre ausreichen. Sie war jedoch von Anfang an auf eine mögliche Erweiterung angelegt.

Jedenfalls tragen die am 15. Juli 1916, also vor fast genau 100 Jahren, in der damaligen Gastwirtschaft Bauer, Grassemann 4, abgeschlossenen Verträge die Bezeichnung „Dienstbarkeitsverträge“. Anwesend, außer einem Notar aus Berneck, waren unter anderem der stellvertretende Bayreuther Bürgermeister Albert Preu und der Bischofsgrüner Bürgermeister Josef Zapf (damals gehörte Grassemann noch zu Bischofsgrün). Die Grundeigner aus Grassemann verpflichteten sich „für alle Zeiten“ die Leitungen in ihrem Boden zu belassen sowie Dinge wie Zugang, Austausch und Unterhalt zuzulassen. Auch eventuelle Entschädigungen durch Reparatur- und Grabungsarbeiten wurden geregelt.

Vereinfacht gesagt, regelte der Vertrag: Die Grassemann verkaufen das Wasser ihrer Quellen an die Stadt Bayreuth, dafür werden sie an die von der Stadt gebauten Wasserleitung angeschlossen. Und die Grundeigentümer bekamen eine einmalige Entschädigung von einer Mark je Meter Leitung auf ihrem Grund. Real flossen Beträge zwischen fünf und 226 Reichsmark an elf Einzelpersonen. Auch die Gemeinde Bischofsgrün erhielt 100 Mark. Insgesamt zahlte Bayreuth 866 Mark. Zum Vergleich: Eine Halbe Bier kostete damals etwa 15 Pfennig.

Was dem Vertrag explizit nicht zu entnehmen ist: Die „Grassemänner“, die damals der Stadt Bayreuth Dienstbarkeiten einräumten und im Grunde ihre Quellen verkauften, beziehen ihr Trinkwasser seither kostenlos. Für die damals betroffenen Anwesen und Grundstücke gilt dies bis zum heutigen Tage.

Aber auch für den Rest der Gemeinde Warmensteinach spielt das für Bayreuth gedachte Wasser bis zum heutigen Tag eine Rolle. Denn im Notfall kann die Kommune Wasser aus der Leitung beziehen. Das ist technisch möglich und vertraglich mit den Bayreuther Stadtwerken geregelt. Im heißen und trockenen Sommer 2015 war das bitter nötig: 2000 Kubikmeter bezog Warmensteinach damals aus der Fichtelgebirgsleitung, sagt Wasserwart Josef Reichenberger. Allerdings lässt sich Bayreuth das teuer bezahlen: Warmensteinach zahlt eine Grundgebühr von 22,37 Euro brutto im Monat und einen Kubikmeterpreis von 3,36 Euro. In Bayreuth müssen die Bürger nur 2,24 Euro zahlen. Der Wasserpreis in Warmensteinach beträgt 2,50 Euro

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