Spielfilm und Reportage über Weltumseglerin und Mord an ihrem Freund Albtraum in der Südsee: ZDF zeigt Geschichte einer Würzburgerin

Von Manfred Schweidler

Manche schreien. Andere haben weder Worte noch Tränen, um mit dem Schmerz fertig zu werden. Heike Dorsch hat alles aufgeschrieben, was sie auf einer Südsee-Insel erlebt hat. Und das ZDF hat das Buch der Unterfränkin über den Mord an ihrem Freund verfilmt. "Blauwasserleben" läuft am Sonntag um 20.15 Uhr.

 
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Heike Dorsch begann zu schreiben, über den Traum vom Segeln, der am Ende zum Albtraum wurde: Auf der Südsee-Insel Nuku Hiva endete für ihren Freund Stefan der jahrelange Traum vom gemeinsamen Entdecken der Welt: Arglos wie viele Male zuvor hatte er Kontakt zu Einheimischen gesucht. Doch der Mann, mit dem er zur Ziegenjagd ging, erschoss Stefan und hätte fast auch Heike Dorsch getötet.

Von einem Moment zum anderen sah sich die Frau aus Estenfeld bei Würzburg vom Himmel in die Hölle gestoßen: Die Polizei glaubte ihr zuerst nicht. Dann verfolgte die Presse sie, weil sie einen Kannibalenmord witterte. Heike Dorsch flüchtete zu ihrer Familie vor den Toren Würzburgs und begann, die Geschichte zu schreiben, die keiner besser kannte als sie.

Die Verfilmung mischt Fakten und Fiktion

„Ich musste es einfach erzählen. Es musste aus dem Kopf raus“, sagt sie heute als Teil ihrer Therapie, das Leid zu bewältigen. Sie schrieb „Blauwasserleben“, später kamen zu den Worten ein Fotoband dazu. Und nun ist ihr Leben in bewegten Bildern zu sehen: Das ZDF zeigt Heike Dorschs Geschichte, auf der Basis ihres Buches „Blauwasserleben“ als Mischung aus Fakten und Fiktion. (Lesen Sie hier, was wirklich geschah.)

Seit Wochen läuft die Werbekampagne: Heike und die Darsteller bei Dreharbeiten, im Frühstücksfernsehen, bei Markus Lanz. Immerhin startet der Film in direkter Konkurrenz zum ARD-„Tatort“ am Sonntag um 20.15 Uhr. Ein solch brutales Drama würde man auf diesem Sendeplatz, den sonst gezierte Schnulzen im Stil von Utta Danella besetzen, nicht gleich vermuten. Das ZDF hat hier und da geglättet und dem Film einen fast versöhnlichen Schluss gegeben – dennoch bleibt es im Kern die Geschichte von Heike Dorsch. Dann beleuchtet am Dienstag die ZDF-Dokumentationsreihe 37 Grad (um 22.15 Uhr), wie Dorsch heute mit ihrer Geschichte lebt.

Lob und böse Kommentare

Sie hat mehr als drei harte Jahre hinter sich seit jener Nacht, in der sie vor der Südsee-Insel jäh aus ihrem Lebenstraum gerissen wurde: Als das Buch erschien, gab es neben Lob und Respekt böse Kommentare und die Vermutung, sie wolle aus ihrem Schicksal Kapital schlagen. Kaum ein Interview, in dem sie nicht darauf angesprochen wird. Sie stellt sich dem mit trotziger Professionalität: „Was andere sagen, berührt mich nicht. Mir muss es damit gut gehen“, sagt sie. „Mich dafür zu rechtfertigen, sehe ich gar nicht ein. Warum? Vor wem? Ich finde es toll, dass so viele Menschen mein Buch gelesen haben. Das war aber nicht mein primäres Ziel. Mir sollte es bei der Verarbeitung helfen.“

Wupps, fertig. So wie sie vor Jahren eine hoffnungsvolle Karriere in der Wirtschaft hinwarf, um ihren Traum vom Weltumsegeln mit Stefan zu leben, so will sie auch jetzt tun, was sie für richtig hält – gerade weil sie sich nach dem jähen Ende eines 17 Jahre währenden Lebenszieles aus der Bahn geworfen fühlt. Weil sie gerade nur im hier und und jetzt lebt, „weil ich eben keine Visionen, keinen Plan, keinen Träume mehr habe.“

Dorsch träumt von Gespräch mit dem Mörder

Man hat den Eindruck, das Machen des Filmes, das Miterleben auf Hawaii und in Hamburg, war ihr fast wichtiger als das Ergebnis. Sie hat zu der Crew um Regisseurin Judith Kennel sowie die Schauspieler Stefanie Stappenbeck (Heike) und Marcus Mittermeier (Stefan) gefunden wie zu einer neuen Familie. Aber sie weiß, wo der Film notwendigerweise Fiktion ist und wann ihre echte Erinnerung an die bösen Momente jäh zurückkehrt.

Der Mörder behauptete vor Gericht, Stefan habe ihn angegriffen. Heike Dorsch hält die Version für glaubwürdiger, die ein US-Journalist nach wochenlanger Recherche präsentierte: Der Einheimische habe sich von dem für ihn exotisch wirkenden blonden Deutschen angezogen gefühlt. Als er zurückgewiesen wurde, habe er zur Waffe gegriffen. Sie träumt davon, ins Flugzeug zu steigen, den verurteilten Mörder im Gefängnis zu besuchen und zu fragen, was wirklich passiert ist – ganz ohne Richter, Anwälte oder Zuhörer. Und Stefanie Stappenbeck, die im Film Heike Dorsch spielt, sagte ihr am Rande der Filmvorstellung im Februar spontan: „Gib mir Bescheid, ich fliege mit!“

Erinnerung an einen verlorenen Traum

Erledigt ist das Thema für sie mit dem Film nicht. „Selbst mit 70 oder 80 wird man sich fragen: Was ist da passiert?“, sagte sie. „Ich weiß nicht, ob man das je ganz loslassen kann.“ Ein Dutzend Journalisten interviewt sie bei der Präsentation des Filmes. Aber keiner fragt sie, welche Szene ihr besonders nahe geht: Sie erinnert an das Ende ihres Buches, das ihrem ermordeten Freund gewidmet ist. „Ich fühle das Salz auf meiner Haut, ich spüre den Wind in meinen Haaren – das habe ich geschrieben, weil ich mir dachte: Was heißt eigentlich für mich Abenteuer und Freiheit und dieser Traum von Segeln?“ Die Regisseurin habe genau das übernommen in einer Szene, in der die Darsteller von Heike und Stefan vom Boot in die Sonne schauen.

Es klingt kitschig, aber man muss erleben, wie in dem Moment Heike Dorschs Gesichtszüge weich werden, ihr Blick diese schützende Härte verliert und träumend in die Ferne geht. Das ist kein Kitsch, sondern Erinnerung an einen verlorenen Traum.

INFO:

Sendetermin Spielfilm: "Blauwasserleben" läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im ZDF.

Zum Trailer zum Spielfilm geht es hier.

Sendetermin Reportage: Am Dienstag um 22.45 Uhr sendet das ZDF die Reportage "Mord im Paradies - Wenn die Traumreise zum Albtraum wird".

Zum Trailer zur Reportage geht es hier.