Abgehängt beim Schnellen Internet

Von Andreas Gewinner
Die Menschen vom Hinteren Goldberg wollen nicht hinnehmen, dass sie beim schnellen Internet außen vor bleiben: (sitzend von links) Friedel Wölfel, Stefanie Hirschmann mit Johanna, Heike Jablonsky, Sandra Hirschmann, Helga Hirschmann mit Leonie, (stehend von links) Günter Hirschmann, Denise Hirschmann, Marion Hirschmann, Heinz Jablonsky, Heinz Hirschmann, André Hirschmann. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Der Hintere Goldberg geht auf die Barrikaden. Erst war man „drin“ beim Schnellen Internet. Das glaubten die Bewohner selbst, der Stadtrat und auch der Bürgermeister. Doch nun sind sie draußen. Was ist schiefgegangen?

 
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Der Ort: Der Goldberg oberhalb von Brandholz, zwischen Goldkronach und Escherlich, ist ein besonderes Fleckchen Erde. Hoch über der Stadt, auf bis zu 650 Metern Höhe liegen vereinzelt Häuser, wechseln sich Wald, Felder und Wiesen ab. Die historischen Bergwerkstollen aus dem Mittelalter liegen hier oben. Ein traumhafter Ort. Doch für die Bewohner des Hinteren Goldbergs hat das Leben auf diesem schönen Fleckchen Erde einen gewaltigen Nachteil: Denn sie leben internettechnisch in der Steinzeit.

Die Bewohner: Am Hinteren Goldberg leben 19 Menschen in zehn Haushalten.

Das Problem: Musik hört man heute übers Internet, dachte Denise Hirschmann und wollte den Streamingdienst Spotify abonnieren. Ging nicht, mangels ausreichend Bandbreite. Musik kann man auch anders hören. Aber Denise wird demnächst mit der Schule fertig. Und ihre Mutter fragt sich, wie Denise eine Bewerbung per Internet verschicken soll, wie es heute weitgehend üblich ist. Wenn sie zum Lernen ins Internet gehen muss, dauert es eine halbe Ewigkeit, bis sich die Seite öffnet. Wenn nicht vorher die Verbindung abbricht.

Aus dem gleichen Grund hat Heike Jablonsky eigenen Worten zufolge ihr Gewerbe – sie bot Gebäudedienstleistungen an – abgemeldet. Weil sie per Internet praktisch nicht erreichbar ist. Heike Jablonsky und ihr Mann Heinz haben eine Tochter in Australien. Telefonieren per Skype? Geht nicht. Mal ein Familienfoto per Mail schicken? Geht oder geht nicht. Jedenfalls dauert es eine Ewigkeit, sagen sie.

Heinz Hirschmann arbeitet für den Reifenhändler Vergölst aus einem Heimbüro. Er kann mit fünf bis sieben Megabit pro Sekunde (Mbit/s) surfen. Aber nur, wenn gutes Wetter ist. Er hatte sich auf eigene Kosten Internet via Funk und WLan angeschafft.

Schnelles Internet: Wie viele andere Kommunen profitiert die Stadt Goldkronach von einem Förderprogramm des Freistaats. Der übernimmt bis zu 90 Prozent der Kosten, maximal 950 000 Euro, um die „Wirtschaftlichkeitslücke“ beim Ausbau von schnellem Internet zu schließen. Das ist die Lücke zwischen dem, was für einen Dienstleister wie die Telekom wirtschaftlich ist, und den tatsächlichen Kosten. Profitieren sollen vor allem Außenorte, wo ein Anbieter mangels ausreichend Kunden bisher nicht investiert hat.

Eine Karte vom 26. Mai 2014 zeigt die Bedarfsermittlung mit dem voraussichtlichen Erschließungsgebiet. Inklusive Hinterer Goldberg. Im November dann beschließt der Stadtrat förmlich das Erschließungsgebiet. Am hinteren Goldberg ist man überzeugt, dass man mit dabei ist. Wenige Monate später die kalte Dusche. Wegen eines Telefonschadens ist ein Telekomtechniker auf dem Goldberg tätig. Bei dieser Gelegenheit erfahren die Einheimischen, dass sie draußen sind. Heike Jablonsky spricht von einer „nachträglichen Aufweichung“ eines Stadtratsbeschlusses. Und ihr Mann Heinz sagt: „Der Stadtrat versucht, uns im Nachhinein zu erklären, dass es nie beschlossen wurde.“ Er spricht von „Aussitzen und nicht korrekter Darstellung der Fakten.“

Der Beschluss: Doch was genau hat der Stadtrat im November 2014 beschlossen? Auf einer Karte des „vorläufigen Erschließungsgebietes“ vom 1. August 2014, die auf der Internetseite der Stadt steht, fehlt der hintere Goldberg bereits.

Wann und warum ist der hintere Goldberg wieder rausgeflogen? Ist er nicht. Er war nie drin, sagt Bürgermeister Holger Bär. Die Bewohner vom Hinteren Goldberg sind bis heute vom Gegenteil überzeugt.

Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Im Stadtratsprotokoll vom 5. November 2014 heißt es: „Es werden im Stadtgebiet drei Erschließungsgebiete festgelegt.“ Unter den einzeln aufgeführten Ortsteilen taucht auch „Brandholz“ auf. Der Ortsteil, zu dem der Hintere Goldberg gehört. Namentlich aufgeführt sind auch „Einöden und Weiler“, die aus Wirtschaftlichkeitsgründen nicht erschlossen werden sollen. Der Hintere Goldberg ist nicht darunter. Auf Nachfrage haben die hinteren Goldbergler vergangenen Juni von Bürgermeister Holger Bär die Auskunft bekommen, dass sie drin sind im Erschließungsgebiet. „Nach bestem Wissen und Gewissen“, sagt Bär. Heute weiß er, dass das falsch war.

Die Stadt hatte, wie andere Kommunen auch, ein Fachbüro mit der Umsetzung des Projekts beauftragt. Bär spricht von „unzufriedenstellender Zuarbeit insbesondere im Hinblick auf die Kommunikation“. Auf Nachfrage sagt der Bürgermeister, dass bei Gesprächen über Gebiete, die nicht ins Erschließungsgebiet kommen, nie vom Hinteren Goldberg die Rede gewesen sei. Das Fachbüro will zu der Sache keine Auskunft geben. Nach Kurierinformationen ist der betreffende Mitarbeiter nicht mehr für das Büro tätig.

Doch Bär war mit seinem Irrtum nicht allein. Spricht man mit einzelnen Stadträten, bekommt man stets die gleiche Auskunft: Wir dachten, der hintere Goldberg ist im Erschließungsgebiet. Der Stadtratsbeschluss fiel einstimmig. Auch mit den Stimmen der UBL-Fraktion. „Eine klare Mitteilung vom Bürgermeister fehlte: Was hat sich geändert?“, so UBL-Stadtrat Michael Hofmann. An eine Karte bei den Beschlussunterlagen kann er sich nicht erinnern. Und eine Karte auf der Internetseite der Stadt als Information reicht der UBL nicht. Deswegen lässt die UBL nun per rechtsaufsichtliche Beschwerde gegen Bürgermeister Holger Bär vom Landratsamt klären, ob der Beschluss korrekt umgesetzt wurde.

Wie geht es weiter? In einigen Wochen ist klar, wie schnell das Internet im hinteren Goldberg wirklich ist. Denn auch Flächen außerhalb des Erschließungsgebietes profitieren von den neuen Kabelverzweigern und Glasfaserleitungen. Die Rede ist von 12 bis 15 Mbit/s. Das glauben die Goldbergler nicht. Ein Telekomtechniker, der wegen einer Telefonstörung vor Ort war, habe gesagt, bei ihnen kämen höchsten drei Megabit an. Aber egal ob drei oder 15 Mbit: Die Goldbergler wollen die 30.

Die Stadt hat sich nun über den Landkreis für ein Bundesförderprogramm beworben, Ergebnis: offen. Die Alternative wäre: Die Stadt zahlt die Erschließung des hinteren Goldbergs selbst. Kosten: rund 120 000 Euro. Holger Bär: „Wenn ich das mache, solange noch Fördeprogramme laufen, komme ich ins Schwarzbuch für Steuerverschwendung.“

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