88/89: Bayreuths beste Europapokal-Saison

Von Dino Reisner
Wichtige Faktoren im eingeschränkten Europapokal-Aufgebot (von links): Rolf Koch, der nicht mit ihm (und auch nicht mit Michael Koch) verwandte Bertram Koch und Anthony Reuss. Foto: Peter Mularczyk Foto: red

Nicht nur wegen des Doubles aus Meisterschaft und Pokal war die Saison 1988/89 die erfolgreichste in der Bayreuther Basketball-Geschichte: Auch auf europäischem Parkett schnitt die Mannschaft so gut ab wie nie. Im Abschlussklassement des Europapokals der Pokalsieger führte sie der Weltverband Fiba auf Platz fünf.

 
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Dabei konnte Trainer Les Habegger nicht einmal auf seine beste Besetzung zurückgreifen: Mit den US-Amerikanern Bo Dukes und Calvin Oldham, dem eingebürgerten Buzz Harnett sowie dem staatenlosen Jacek Duda fielen international gleich vier Spieler unter das Ausländerkontingent, doch nur zwei durften eingesetzt werden. Habegger entschied sich für die beiden Längsten, Oldham und Duda.

Erst gegen Uudenkaupungin Urheilijat Uusikaupunki

Nach einem Freilos in der ersten Runde musste Steiner Bayreuth – der bisherige Vereinsname BG Steiner-Optik wurde vor Saisonbeginn verschlankt – beim finnischen Pokalsieger Uudenkaupungin Urheilijat Uusikaupunki antreten, der sich überraschend gegen die Schweden von Hageby BK, den ehemaligen Club von Bo Dukes, durchgesetzt hatte. Knapp 70 Kilometer nordwestlich von Turku erwarteten die Bayreuther ein heftiger Schneesturm, Temperaturen zehn Grad unter Null und gallige Gastgeber, die sich eine 40:33-Pausenführung erarbeiteten. Erst nach Seitenwechsel setzte sich die höhere Qualität im Steiner-Team durch. 2,12-Meter-Hüne Jacek Duda gewann nun ein Reboundduell nach dem anderen und Bayreuth die Partie mit 80:76. Topscorer waren Michael Koch (24) und Anthony Reuss (19).

Auch im Rückspiel, dem ersten Europapokalmatch in der neuen Oberfrankenhalle, erwiesen sich die Gäste vor 2500 Zuschauern als unbequemer Gegner und lagen zur Pause erneut in Front (43:42). Dank 30 Punkten von Calvin Oldham und 21 von Michael Koch siegte Steiner mühsam mit 82:80. Die Teilnahme an der Endrunde der besten acht Teams (zwei Vierergruppen) ist der bis heute größte internationale Erfolg einer Bayreuther Mannschaft auf internationalem Parkett – und sogar der Einzug ins Halbfinale lag im Bereich des Möglichen.

Sensationeller Sieg in Zagreb

Der Start in die Endrunde verlief mit zwei Siegen furios. Beim mit Nationalspielern gespickten jugoslawischen Cupgewinner Cibona Zagreb gewann das Habegger-Team sensationell 80:79. Auf Grund der ungünstigen Flugverbindungen hatte die achtköpfige Rumpftruppe per Bus die knapp 800 Kilometer lange Reise angetreten. Cibona führte nach 23 Minuten schon 57:44, doch die Bayreuther um Topscorer Anthony Reus (24) machten den Rückstand Punkt um Punkt wett. Uwe Sauer erzielte vier Sekunden vor Spielende von der Freiwurflinie den Siegkorb.

Unbehagen bei staatenlosem Jacek Duda

Jacek Duda hatte die Reise in das damalige Ostblockland mit Unbehagen angetreten. Als Jugendlicher war der gebürtige Pole in die USA geflüchtet und hatte seither als Staatenloser gelebt. Erst die Bemühungen von Steiner-Manager Manfred Hauser, der deswegen sogar beim damaligen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher vorstellig wurde, bescheinigten die Unbedenklichkeit von Dudas Ein- und Ausreise. Eine Woche später ließ Steiner einen 89:67-Heimsieg gegen AEK Athen folgen. Schon nach 13 Minuten hatten die Bayreuther den Gegner, in dessen Reihen mit Clint Richardson und Daniel Vranes zwei ehemalige NBA-Profis standen, mit 41:10 regelrecht demoralisiert, zur Pause (56:27) war die Partie entschieden. Für Michael Koch standen am Ende 24, für Jacek Duda 19 Punkte zu Buche.

Begegnung mit Weltstar Arvidas Sabonis

Die Erfolgsserie fand dann erwartungsgemäß gegen UdSSR-Vertreter Zalgiris Kaunas ihr Ende. „Als die beste Mannschaft, die je in Bayreuth gespielt hat“, kündigte der Nordbayerische Kurier das Starensemble um die frischgebackenen Olympiasieger Arvidas Sabonis, Rimas Kurtinaitis und Valdemaras Chomicius an – und sollte Recht behalten. Noch heute spricht Rolf Koch, im damaligen Starensemble ein wichtiger und von Trainer Habegger hoch geschätzter Rollenspieler, vom „Highlight meiner gesamten Karriere“.

Calvin Oldham (24 Punkte) und Kollegen wehrten sich vor über 4000 Zuschauern in der ausverkauften Oberfrankenhalle nach Kräften, konnten den Gegner beim 81:99 aber nie gefährden. Vor allem 2,23-Meter-Hüne Sabonis stellte mit 25 Punkten und 23 Rebounds seine Extraklasse unter Beweis. Mit Unbehagen erinnert sich Rolf Koch an eine unliebsame Begegnung mit dem späteren NBA-Star: „Ich hatte Sabonis unter dem Korb schon aussteigen lassen und wollte mit einem Dunking vollenden – doch er hat mich mit seinen langen Armen von hinten regelrecht abgeräumt. Von einem Dunking gegen Sabonis hätte ich noch meinen Enkelkindern erzählen können.“

Eine weitere Heimniederlage, 99:109 gegen Zagreb, dämpfte die Hoffnungen aufs Halbfinale. Anders als im Hinspiel nahmen die Jugoslawen die Bayreuther (Oldham/22) nicht auf die leichte Schulter und zeigten in der abermals ausverkauften Oberfrankenhalle ihr ganzes Können. Mitte der zweiten Halbzeit, als die Gastgeber drauf und dran waren, den 41:56-Pausenrückstand zu verkürzen, dämpfte die Disqualifikation von Uwe Sauer die Hoffnungen auf eine Wende. Der Aufbauspieler wurde von seinem Gegenüber Aleksandar Petrovic, dem heutigen Nationaltrainer Kroatiens, angespuckt und revanchierte sich mit einem Fausthieb – die Schiedsrichter sahen jedoch nur Sauers Vergehen.

Skandalöse Umstände in Athen

Eine 85:91-Niederlage in Athen machte schließlich die letzten Hoffnungen zunichte. Die Griechen zogen schon im Vorfeld alle Register, um ihre Gäste aus dem Konzept zu bringen: Sie brachten die Steiner-Delegation im Athener Rotlichtbezirk in einem Stundenhotel unter. Kurzfristig gelang es Manager Hauser, die Mannschaft in eine angemessene Unterkunft umzuquartieren. Die vereinbarten Trainingszeiten wurden storniert und der Spielbeginn wurde wegen einer TV-Übertragung kurzfristig nach vorne verlegt – dies erfuhren die Bayreuther eher zufällig vom Hotelpersonal. „Wir wussten, dass uns in Athen einiges erwartet. Aber was gekommen ist, hat unsere schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Die Rahmenbedingungen waren skandalös“, erinnert sich Rolf Koch. Die 4500 Zuschauer in der Halle taten dann ein Übriges: Schon beim Aufwärmen flogen Münzen und Batterien auf das Feld. „Wir waren nicht nur beeindruckt, sondern hatten regelrecht Schiss. Die Atmosphäre war derart feindselig, wie ich es nie wieder erlebt habe“, sagt Rolf Koch, der nach seiner Bayreuther Zeit (1986 bis 1989) noch lange für Ulm in Bundesliga und Europapokal spielte. Dennoch führte das Steiner-Team zwei Minuten vor Schluss 81:80, ehe ein fragwürdiges Offensivfoul gegen Topscorer Duda (28) die Partie kippen ließ.

Abenteuer und Gastfreundschaft in Litauen

Zum Abschluss setzte es eine 82:124-Niederlage bei Zalgiris Kaunas. Mehr als das Spiel (Michael Koch/29) ist den Bayreuthern die abenteuerliche Reise in die damalige Sowjetunion in Erinnerung geblieben. Ohne Jacek Duda, der aus Furcht vor Repressalien nicht mitreisen wollte, fuhr das Team mit dem Bus durch die DDR zum Flughafen in Ost-Berlin. Von dort ging es mit Aeroflot nach Minsk. Die restlichen 300 Kilometer wurden mit einem von Zalgiris zur Verfügung gestellten Bus zurückgelegt, der auf der Fahrt schlapp machte.

Am Ziel begegnete den Bayreuthern aber eine ganz andere Gastfreundschaft in Athen, wie Rolf Koch berichtet: „Ich habe noch eine schöne, historische Innenstadt in Erinnerung. Und eine Einladung zum Essen nach dem Spiel: Eineinhalb Stunden waren wir mit dem Bus in die menschenleere Pampa unterwegs, als sich vor uns auf einmal ein Luxustempel wie aus 1001 Nacht auftat. Wir wurden mit Kaviar und sonstigen Delikatessen verwöhnt. Es gab es nichts, was es nicht gab.“

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