Zwei Monate nach der verheerenden Flut Kurier übergibt in Deggendorf fast 300.000 Euro Leser-Spenden

Von Michael Weiser

Ein herzliches Vergelt’s Gott aus Niederbayern in die Mitte Oberfrankens: 298.371,33 Euro an Spenden der Kurier-Leser standen auf dem Scheck, den Kurier-Chefredakteur Joachim Braun und Redakteur Michael Weiser als Hilfe für die Flutopfer in Fischerdorf überbrachten. „Bayreuth war ganz weit vorn“, sagt Deggendorfs Oberbürgermeister Christian Moser.

 
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Der Rathauschef wirkt auch im Anzug fast noch jungenhaft, gerade mal 35 Jahre ist er alt, nur etwas mehr als ein Jahr lang im Amt. Doch was er als Katastrophenmanager erlebt hat, reicht für mehrere Amtszeiten. „Man geht anders an gewisse Probleme ran, wenn man nur die Flut im Hinterkopf behält“, sagt Christian Moser. Und noch etwas hat sich für ihn geändert: „Ich hab einen neuen Blick auf die Gesellschaft.“

Wer hätte damit gerechnet?

So viel Mitgefühl, so viel Solidarität, so viel Bereitschaft, mit den eigenen Händen zu helfen, aber auch Geld zu spenden – wer hätte damit gerechnet? Die Deggendorfer kämpften noch an den Dämmen gegen die Donau und die Isar, da machten sich schon Feuerwehrleute aus Bayreuth und der Umgebung auf den Weg nach Niederbayern. Als der Kampf verloren war und sich die Wasser über die Deggendorfer Stadtteile Fischerdorf und Natternberg ergossen, waren die Oberfranken wieder an der Seite ihrer Landsleute: Fast 300.000 Euro spendeten die Kurier-Leser.

Schlagzeilen weg - Probleme noch da

Deggendorf ist zwei Monate nach der Flut scheinbar zum Alltag zurückgekehrt. Die Menschen kaufen ein, vor den Cafès am mittelalterlichen Marktplatz ist kaum ein freier Platz zu ergattern. Doch wenige hundert Meter weiter, jenseits der Donau, ist man noch weit entfernt von Normalität. „Die Schlagzeilen sind weg, aber viele Probleme sind noch da“, sagt Moser. An vielen Häusern ist bis zur Deckenhöhe des Erdgeschosses der Putz abgeschlagen – so hoch stand das Wasser in Fischerdorf.

Das bloße Mauerwerk prüfen nun die Gutachter. Nicht auf Trockenheit, sie fahnden nach Gefährlicherem – nach Heizöl. „Kaum setzen die den Bohrer an, sickert aus vielen Wänden das Öl“, sagt Moser. Für den Besitzer eine schlechte Nachricht: Sein Haus ist nicht mehr zu retten. 500 Häuser stehen in Fischerdorf, schlimmstenfalls könnte ein Viertel davon der Abrissbirne zum Opfer fallen. „Wir rechnen mit einer Zahl im dreistelligen Bereich“, sagt der OB.

Halbe Milliarde Euro Schaden

Nur wenige Betroffene sind in ihre Häuser zurückgekehrt, in provisorische Quartiere im ersten Stock. Viele leben noch immer bei Freunden oder Verwandten oder in Unterkünften, die die Stadt bereitgestellt hat. Insgesamt dürften sich die Schäden im Landkreis Deggendorf auf eine halbe Milliarde Euro belaufen. Allein in Fischerdorf dürfte die von der Isar ausgehende Flutwelle über 300 Millionen Euro Schaden angerichtet haben. Deggendorf muss seinen Etat neu ansetzen. Die Flut legte auch Teile des Gewerbes lahm. Mit 15 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen hatte der Stadtrat gerechnet, mindestens eine Million Euro müssen die Deggendorfer nun abschreiben. Immerhin wird nun ein Damm aufgeschüttet, der Fischerdorf schützen soll – anders als sein Vorgänger soll er auch einem Jahrhunderthochwasser standhalten.

Für manchen Fischerdorfer gibt es drängendere Probleme. Sie wollen in ihre Häuser zurück oder zumindest wissen, wie es weitergeht. „Erst wird die Hilfe des Staates verteilt, dann werden wir schauen, wo gezielt Hilfe notwenig ist“, sagt Christian Moser. Denn es gibt genügend, die Haus und Hausrat verloren haben. So wie Christian Seidler, der als Feuerwehrmann am Damm half, aber doch sein eigenes Heim nicht retten konnte. Im Garten flattert trotzig die Bayern-Fahne an einem Mast. Doch im Erdgeschoss kann auch der frische Wind nicht den Gestank nach Heizöl vertreiben.

Fotos: Weiser

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