Wunsiedel bald Wissenschaftsstadt Wissenschaftler in zweistelliger Zahl

MatthiasBäumler
„Da geht’s lang“ scheint Bürgermeister Nicolas Lahovnik (vorne rechts) Ministerpräsident Markus Söder (Mitte) zu bekunden. Foto: /Florian Miedl

Die Universität Bayreuth und weitere Akteure forschen schon heute in der Festspielstadt. Die ganze Kommune wird zu einem einzigartigen Zukunftslabor.

 
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Wenn Wissenschaftler oder Bürgermeister, die sich mit regenerativen Energien beschäftigen, den Namen Wunsiedel hören, haben sie ein Bild vor Augen: Einen weitläufigen Industriepark der immer weiter wächst und wächst. Dies gilt nicht nur für Experten in Hof oder Bayreuth, sondern auch für die in Rumänien, Pakistan, Südamerika oder wo auch immer. Wie Bürgermeister Nicolas Lahovnik beim Besuch von Ministerpräsident Markus Söder am Freitag sagt, rufen wöchentlich Stadtoberhäupter aus ganz Deutschland an, die in Wunsiedel die vorweggenommene Energiezukunft betrachten wollen. Delegationen aus aller Welt sahen sich bereits in der Stadt um und wollten erleben, was in Wunsiedel in Sachen Energie anders läuft als andernorts.

In einiger Zeit muss der Chef der Stadtwerke SWW, Marco Krasser, die Gäste nicht mehr immer selbst führen: Da Söder willens ist, in der Festspielstadt einen Technologie-Campus aufzubauen, werden sich in Zukunft auch andere Experten um die Wissbegierigen kümmern. Dass diese in noch weit größerer Zahl kommen, ist letztlich Sinn der Einrichtung, die zwei zentrale Zwecke verfolgt:

Interdisziplinäre Forschung

Im Technologie-Campus werden Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen ausgehend von den praktischen Erfahrungen aus Wunsiedel an der Energiezukunft forschen. Dabei geht es unter anderem um Fragen der Digitalisierung, des Rechts und der Physik. Auch das Thema künstliche Intelligenz (KI) nimmt eine zentrale Rolle ein. Intelligente Software kann zum Beispiel unzählige Akteure verknüpfen, die mal Energieverbraucher und ein anderes mal Energieproduzenten werden. Die Rollen werden dadurch immer flexibler. Bis das ebenso kleinteilige wie komplexe Netzwerk im großen Stil praxistauglich ist, müssen Wissenschaftler und Ingenieure eine ganze Reihe von Fragen klären.

Der Technologie-Campus soll zugleich eine Service-Einrichtung für Kommunen und Unternehmen werden. Diese können sich unter anderem über oben dargestellte Problematiken informieren und passgenaue Lösungen erarbeiten lassen. Wie Marco Krasser einst sagte, wird es nicht die eine Lösung geben, sondern viele. Letztlich entsteht in Wunsiedel so etwas wie die Denkfabrik für die bayerische oder gar deutsche Energiewende.

Ein Reallabor der Energiezukunft

Auf Nachfrage unserer Zeitung sagt Dieter Brüggemann, Inhaber des Lehrstuhls für Thermodynamik an der Universität Bayreuth, dass er von einer zweistelligen Zahl an Wissenschaftlern ausgeht, die künftig in Wunsiedel forschen wird. „Schon heute arbeiten vier Doktoranden in der Stadt und analysieren die Energiesysteme. Dies ist für uns gewissermaßen die Initialzündung und der erste Schritt. Im zweiten werden Wissenschaftler unterschiedlichste Fragestellungen bearbeiten.“ Da die SWW ihr komplexes Energienetzwerk für Forschungszwecke zur Verfügung stelle, sei die gesamte Stadt mittlerweile eine Art Labor. „So etwas lässt sich an der Universität gar nicht realisieren.“

Brüggemann will zwar nichts versprechen, aber zumindest theoretisch ist in ferner Zukunft ein eigener Lehrstuhl der Universität in Wunsiedel denkbar. Schon heute arbeiten um die 20 Universitäten und Hochschulen mit der SWW in Forschungsprojekten zu unterschiedlichsten Fragen zusammen.

Dass Wunsiedel einen Technologie-Campus erhält, ist vor allem der Verdienst von SWW-Chef Marco Krasser. „Er hat immer wieder neue, hervorragende Ideen“, sagt Landtagsabgeordneter Martin Schöffel. Letzterer ist eigentlich ein angenehmer Zeitgenosse. Dass er aber auch anders kann, erzählt Ministerpräsident Söder bei seinem Besuch in Wunsiedel unverblümt mit einem Augenzwinkern. „Er konfrontiert mich mit all den Ideen permanent schon fast bis zur psychischen Belastungsgrenze.“

Keine Jammerfranken mehr

Offenbar keine ganz schlechte Taktik. Der Nürnberger Markus Söder hat die Oberfranken früher als Jammerfranken erlebt. Das ist vorbei. „Wer nur jammert, den besucht niemand.“ Besser sei es, mit Ideen zu überzeugen. „Gute Ideen finden immer Geld.“ Und Geld hat der Ministerpräsident Wunsiedel versprochen. Nicht zu wenig. M. Bäumler

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