Aber ist das nicht längst weltweit geregelt?
Im Prinzip ja: Vor zehn Jahren trat das internationale Nagoya-Protokoll in Kraft. Es regelt eine Gewinnbeteiligung für ein Herkunftsland oder einen besonderen Nutzen, wenn es Zugang zu genetischen Ressourcen gewährt, aus denen ein vermarktbares Produkt entsteht. "Früher konnte man eine Heilpflanze etwa aus Ecuador mitnehmen, untersuchen, welche Gene für die Heilung zuständig sind, daraus ein Medikament machen und Ecuador hatte nichts davon. Das Nagoya-Protokoll sorgt für einen gerechten Vorteilsausgleich", sagt Paulsch.
Allerdings sind die Verfahren kompliziert, nicht alle halten sich an Vorschriften und die Überwachung funktioniert nicht. Mit dem Wipo-Vertrag wären Firmen verpflichtet, bei der Anmeldung eines Patents anzugeben, wo ihr Material ursprünglich herstammt. Damit könnten Herkunftsländer prüfen, ob alle Genehmigungen eingeholt wurden. Umstritten ist unter anderem noch, ob Patente entzogen werden können, wenn Verfahren verletzt wurden.
Was bedeuten solche Verträge für Patienten und Verbraucher? Gibt es deshalb weniger Medikamente oder Kosmetika?
Für die Wissenschaft ist die Natur eine der wichtigsten Quellen für Heilmittel. "Etwa 70 Prozent der Krebsmittel werden aus natürlichen Produkten oder synthetischen Verbindungen nach dem Vorbild der Natur gewonnen", schreibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dafür ist Forschung nötig. "Je mehr Daten und Ressourcen wir haben, desto besser können wir unseren Job machen", sagt Amber Scholz, Mikrobiologin beim Leibniz-Institut DSMZ - Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig, der Deutschen Presse-Agentur. "Wenn die Nutzung von biologischer Vielfalt kompliziert wird, schränkt das unsere Fähigkeit ein, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Beispiel Impfstoff: Wenn wir nicht schnell Material oder DNA-Sequenzen bekommen, gibt es keinen schnellen Impfstoff." Nach ihren Angaben haben komplizierte Auflagen in einigen Ländern in manchen Bereichen der Wissenschaft schon zu einer Abnahme der Forschung und Kooperation geführt. "Wer weiß, was die Gesellschaft da verpasst hat", so Scholz.
Ist die Wissenschaft also gegen alle Auflagen?
Nein. Scholz betont: "Wir kämpfen für maximale wissenschaftliche Freiheit, aber uns ist klar, dass Ländern und Menschen, die früher ausgebeutet wurden, faire Teilhabe zusteht. Wir bemühen uns, einen gemeinsamen Mechanismus aufzubauen, der zukunftsfähig und gerecht ist." Paulsch sagt: "Die Herausforderung ist, die Länder am Nutzen der Ressourcen zu beteiligen, ohne die Auflagen so hart zu machen, dass praktisch keine Forschung mehr möglich ist."
Sind Verträge wie Nagoya oder jetzt bei der Wipo dann die Lösung aller Probleme?
Leider nein. "Die neue Herausforderung sind gentechnische Verfahren, mit denen Wirkstoffe einer Pflanze nachgemacht werden können", sagt Paulsch. "Wenn die DNA entschlüsselt und in einer Datenbank verfügbar ist, braucht man die Pflanze gar nicht mehr. Die große Frage: Soll das Herkunftsland der Pflanze trotzdem einen Nutzen haben?"
Fachleute sprechen dabei von "digitalen Sequenzinformationen (DSI)". "Zurzeit kann jeder auf Sequenzen zugreifen und damit machen, was er will", so Pausch. Weder das Nagoya-Protokoll noch der Wipo-Vertrag beschäftigen sich damit. Für jede genutzte Sequenz mit einem Staat über die Nutzung zu verhandeln, sei nicht praktikabel, sagt Paulsch. "Ein Vorschlag ist, dass Firmen und Forschungseinrichtungen in einen Topf bezahlen, wenn sie Sequenzen nutzen. Das Geld soll dann allen Ländern, die viele genetische Ressourcen haben, zugutekommen." Für das Thema braucht es weitere Verhandlungen.