Wirtschaft Scherdel übernimmt Wiesauplast

Die Marktredwitzer Firmengruppe Scherdel übernimmt den Kunststoffhersteller Wiesauplast. Foto: /David Trott

Der Marktredwitzer Federnhersteller will sich stärker für den Megatrend der E-Mobilität rüsten. Dazu will er sich in der Kunststoffsparte noch besser aufstellen.

 
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Marktredwitz/Wiesau - Scherdel rüstet sich für die Zukunft. Noch ist der Marktredwitzer Federnhersteller stark auf Bauteile für Verbrennungsmotoren eingestellt. Das soll sich ändern. Auch deshalb übernimmt Scherdel voraussichtlich zum Januar den Wiesauer Kunststoffspezialisten Wiesauplast. „Damit wird Wiesauplast Teil der weltweit tätigen Scherdel-Gruppe“, heißt es in einer am Mittwochnachmittag von Scherdel verbreiteten Pressemitteilung. Noch steht allerdings die notwendige Zustimmung der Kartellbehörde aus. Dies ist dem Vernehmen nach lediglich eine Formsache.

Arbeitsplätze bleiben erhalten

Wie Marcus Bach, der geschäftsführende Gesellschafter von Scherdel, auf Nachfrage der Frankenpost sagt, behalten alle Mitarbeiter in Wiesau ihren Arbeitsplatz. „Wir wollen mit der Übernahme schließlich sämtliche Standorte stärken.“

Metall (Scherdel) und Kunststoff (Wiesauplast) scheinen auf den ersten Blick ziemlich unterschiedliche Werkstoffe. Doch gerade in der E-Mobilität passen sie in Kombination bestens zusammen. Bach ist daher selbstbewusst: „Wir sind überzeugt, dass beide Unternehmen hervorragende Voraussetzungen mitbringen, um hier künftig eine technologische und qualitativ führende Marktposition einnehmen zu können.“

Die E-Mobilität ist für Scherdel seit Jahren ein wichtiges Thema. „Wir liefern schon heute Teile für die Leitungselektronik, für Elektromotorenverschaltungen und für Bus-Systeme (Anmerkung: Verteilerschienen für Leitungen).“ Mit Wiesauplast passt sich die Scherdel-Gruppe dem wirtschaftlichen Wandel – vor allem in der Mobilität – weiter an. „Im Zuge der technologischen Transformation in der Antriebstechnik gewinnen Kunststoffe und Kunststoff-Metall-Produkte in unserem Marktsegment immer mehr an Bedeutung. Wir haben bereits seit 2006 in diesem Bereich mehrere Entwicklungsprojekte umgesetzt und Fertigungskapazitäten aufgebaut“, verdeutlicht Bach das Engagement des Unternehmens in der Zukunftstechnologie. Mit dem Erwerb von Wiesauplast werde die Kunststoffkompetenz in diesem Bereich deutlich ausgebaut. „Wir schaffen damit strategisch die besten Voraussetzungen, um an diesem stark wachsenden Marktumfeld zu partizipieren und mitwachsen zu können“, fügt er hinzu.

Bereits langjährige Zusammenarbeit

Schon jetzt überschneiden sich die Kunden von Scherdel und Wiesauplast in der Sparte Automotive, wenn auch in unterschiedlichen Bereichen. Wiesauplast liefert zudem seit vielen Jahren Bauteile an Scherdel. Auch hier erwartet Bach schon bald kräftige Synergieeffekte. So profitiert der Federnhersteller nicht nur von den Kunststoffteilen aus Wiesau, sondern auch das Oberpfälzer Werk von Werkzeugen ,made by Scherdel’.“

Auswirkungen auf den Bereich Kunststoff bei Scherdel hat die Übernahme nicht. „Da bleibt alles, wie es ist. Wir wollen diese Abteilung möglichst nah an die Produktion angedockt lassen“, sagt Bach. Auch die Beschäftigten bei Wiesauplast müssen sich laut dem geschäftsführenden Gesellschafter keine Sorgen machen. Im Gegenteil: „Wir werden den bestehenden Kundenstamm und das aktuelle Teileportfolio von Wiesauplast nicht etwa vernachlässigen, sondern weiter ausbauen.“

Die Geschäftsführung von „Scherdel-Wiesauplast“, so der künftige Name, übernimmt Wolfgang Beer. Er wohnt in Wiesau und hat bislang das Strategieprojekt Kunststoff-Metall in der Scherdel-Gruppe geleitet. Zuvor war er unter anderem bei Wiesauplast in leitenden Positionen tätig. „Wiesauplast wird innerhalb der Scherdel-Gruppe als Kunststoff-Technologie-Center und Leitwerk fungieren“, sagt er laut der Pressemitteilung.

Win-win-Situation

Auch Beer sieht in der Unternehmensübernahme für beide Seiten große Vorteile. „Mit dem Zusammenschluss baut die Scherdel-Gruppe ihre Kompetenzen im Bereich Kunststoff deutlich aus. Und Wiesauplast profitiert von der internationalen Ausrichtung, von den neuen Marktzugängen und der Finanzkraft von Scherdel.“

Wie viel Scherdel in die Übernahme von Wiesauplast investiert hat, wollte Bach auf Nachfrage nicht mitteilen. Wie berichtet, hat das Marktredwitzer Unternehmen erst vor wenigen Tagen ein vier Hektar großes Grundstück im neuen interkommunalen Gewerbegebiet Plärrer zwischen Thiersheim und Wunsiedel übernommen. Für Scherdel ist dies eine Optionsfläche für den Fall, dass schnell weitere Produktionskapazitäten aufgebaut werden müssen. Der Frankenpost sagte der geschäftsführende Gesellschafter Marcus Bach, dass die Scherdel-Gruppe immer wieder größere Projektanfragen von Kunden erhalte. Um dann handlungsfähig zu sein, habe sich das Unternehmen die Fläche gesichert.

Mehr als 6500 Mitarbeiter
Die Scherdel-Gruppe ist ein Marktredwitzer Familienunternehmen mit mehr als 130-jähriger Tradition in vierter Generation. Mit mehr als 6000 Mitarbeitern erwirtschaftet Scherdel mit 42 produzierenden Werken an 32 Standorten in zwölf Ländern einen Umsatz von rund 700 Millionen Euro. In den Geschäftsbereichen Automotive, Pharma und Industrie ist das oberfränkische Unternehmen in der Metallumformung, der Fügetechnik, der Baugruppenmontage, im Maschinen- und Werkzeugbau sowie in der Oberflächentechnik, der Forschung und Produktentwicklung tätig. Scherdel ist ein sogenannter Hidden Champion und gilt bei verschiedenen dynamisch hoch beanspruchten Federn als Weltmarktführer.

Wiesauplast wurde 1958 gegründet und gehört seit 1997 zur Indus Holding AG in Bergisch Gladbach. Mit gut 500 Mitarbeitern erwirtschaftet das Unternehmen aktuell einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro im Jahr. Neben dem Hauptsitz in Wiesau gehören ein Produktionsstandort in San José Iturbide in Mexiko, die ebenfalls in Wiesau ansässige Elektronikfertigung MID-TRONIC und ein Vertriebsbüro in Detroit/USA zur Wiesauplast-Gruppe. Es werden hochpräzise technische Kunststoffteile vorwiegend für die Automobilindustrie gefertigt, ebenso ist ein leistungsfähiger Formenbau integriert.

Laut einer Mitteilung von Scherdel war auch die regionale Nähe zwischen Marktredwitz und Wiesau, aber auch in Mexiko, wo das Wiesauplast-Werk nur zweieinhalb Stunden Fahrzeit vom Scherdel- Standort in Silao entfernt ist, ein entscheidender Faktor für die Übernahme.

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