Wie Glücksspiele süchtig machen können

Von Norbert Heimbeck
Gunhild Scheidler, Suchtberaterin bei der Diakonie in Bayreuth und Kulmbach, warnt vor Spielautomaten und Onlinewetten: Das Glücksgefühl dabei sei nur von kurzer Dauer, der Verlust an menschlichen Beziehungen hingegen groß. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Lisa, Spielerin, sagt: "Beim Spielen kann ich endlich mal alles vergessen." Cem ist ebenfalls Spieler: "Für das Geld, das ich verspielt habe, hätte ich mir einen nagelneuen BMW leisten können." Die beiden sind Klienten der Suchtberatung der Diakonie Bayreuth. Über die Frage "Macht Glücksspiel glücklich?" sprachen wir mit Suchtberaterin Gunhild Scheidler.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Frage: Macht Glücksspiel tatsächlich glücklich?
Gunhild Scheidler: Diese Frage habe ich erst gestern einem Spieler gestellt. Seine Antwort: "Im Moment schon. Aber der Preis, den ich dafür zahle, ist es nicht wert."

Woher kommt das Glücksgefühl beim Spielen?
Scheidler: Analysen haben gezeigt, dass Automatenspieler kurz vor dem Moment, in dem sie erfahren, ob sie gewonnen haben oder nicht, eine extrem hohe Dopamin-Ausschüttung haben. Das ist ein Erbe der Evolution aus der Zeit, als der Mensch noch wilde Tiere jagte. Dopamin ist ein Glückshormon, das bei starken Emotionen auf das Belohnungszentrum im Gehirn einwirkt. Dieser Kick ist ähnlich wie bei einem Drogensüchtigen, der sich den Schuss setzt.

Gibt es typische Spielerpersönlichkeiten?
Scheidler: Wir haben Hinweise, dass ein erblicher Faktor mitbestimmend sein kann, wenn es etwa schon einen Süchtigen in der Verwandtschaft gab. Weitere Persönlichkeitsmerkmale von Suchtgefährdeten sind eine hohe Risikobereitschaft, die Tatsache, dass sie mit Problemen und Konflikten nicht gut umgehen können und oft ein wenig ausgeprägtes Selbstwertgefühl haben. Besonders gefährdet sind junge Männer, zu uns kommen aber alle Altersgruppen und auch Frauen.

Sind Automatenspieler besonders suchtgefährdet?
Scheidler: In meine Beratung kommen etwa 20 Prozent Spieler, die nach Sportwetten und Poker im Internet süchtig sind. Der Rest sind Automatenspieler.

Macht der Automat also doch glücklich?
Scheidler:Spielsucht führt dazu, dass Beziehungen auf der Strecke bleiben. Spieler tun sich ohnehin oft schwer im Umgang mit Menschen. Manche entwickeln stattdessen eine Art Beziehung zum Automaten und sprechen sogar mit ihm: "Dir zeig ich's!" heißt es oft, wenn ein Spieler endlich einmal gewinnen will.

Woran erkennt man Spielsüchtige?
Scheidler: Ein Anzeichen für Spielsucht ist chronische Geldnot. Auch stark schwankende Stimmungen können auf Suchtprobleme deuten, oder wenn jemand ständig am Handy beschäftigt ist. Ich hatte einmal jemanden, der in der Hochzeitskutsche auf dem Smartphone die Spielstände kontrolliert hat. Fachlich sprechen wir davon, dass jemand stark eingenommen vom Spiel ist.

Was können Angehörige tun?
Scheidler: Man muss den Süchtigen die Folgen seines Tuns spüren lassen. Also nicht die Schulden bezahlen, wenn einer sein Geld verspielt hat. Gerade Eltern geht es gegen den Strich, einem süchtigen Sohn nicht zu helfen. Es klingt logisch, Schulden auszugleichen und danach einen Neustart zu wagen. Aber in der Regel geht dieser Versuch nach hinten los.

Sucht ist auch eine Belastung für die Familien?
Scheidler: Richtig. Sie können versuchen, einem Süchtigen Mut zuzusprechen, sich zu lösen. Wenn der Betreffende aber nicht dazu bereit ist, können Sie nur versuchen, sich selbst zu schützen. Man kann sich nicht dauernd mit dem Problem befassen. Angehörige haben ein Recht darauf, dass es ihnen gut geht. Das heißt aber nicht, dass sie einen Süchtigen fallen lassen. Das erklären wir in unserer Beratung. 

Automat und Onlinewette machen also nicht glücklich. Was denn dann?
Scheidler: Glück finden wir in Beziehungen. Einfach mal mit einem lieben Menschen kuscheln - das macht glücklich. Glücksspieler suchen den schnellen Kick, aber wir kennen auch ein "unaufgeregtes Glück", das man zum Beispiel empfindet, wenn man an einer Rose schnuppert. Solche Glücksgefühle werden vom Hormon Serotonin ausgelöst.

Also Kuschelglück statt Action-Kick?
Scheidler: Ja, und das Schöne ist: Man kann lernen, auf diese Art glücklich zu sein.

Info: Die Suchtberatung der Diakonie für Bayreuth und Kulmbach ist unter der Telefonnummer 09 21/78 51 77 30 zu erreichen. Am Montag von 8 bis 9 Uhr steht Gunhild Scheidler telefonisch zur Sprechstunde bereit. Am Dienstag von 8 bis 9 Uhr wird eine offene Sprechstunde angeboten (Besuch ohne Terminvereinbarung ist möglich). Die Beratung ist kostenlos.

Bilder