Wie ein junger unbegleiteter Flüchtling an eine Dealergruppe geriet und vor Gericht kam Freispruch im Fahrwasser des Super-Hasch

Von Manfred Scherer
Foto: Britta Pedersen dpa-Archiv Foto: red

Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Oder: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Diese Sprichworte hätte die Staatsanwaltschaft in eine Anklage gegen einen jungen unbegleiteten Flüchtling hineinschreiben können, der seinem besten Freund bei einem großen Drogendeal geholfen haben soll. Indes: Selbst der Staatsanwalt plädierte am Ende des Prozesses auf Freispruch.

 
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Der Fall des 19-Jährigen aus Afghanistan gehört zu einem großen Ermittlungskomplex, den die Kripo seit Sommer 2016 bearbeitete. Knapp ein Jahr danach hieß das Ergebnis: Drei Syrer im Alter von 27, 20 und 19 Jahren handelten über Monate weg mit über 20 Kilo Haschisch in bis dahin nicht gekannter Qualität. Ihre Hauptbezugsquelle war in Berlin, via Flixbus holten Dealer oder Kuriere das Superhasch in die Region Bayreuth. Erst Mitte August wurde ein junger Syrer vom Jugendschöffengericht zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, der das Superhasch im Raum Kulmbach weiterverkaufte und der in Verdacht steht, mit der Bayreuther Gruppe in Verbindung zu stehen.

In einem weiteren Prozess vor dem Jugendschöffengericht wurde nun offenbar, wie die Bayreuther Dealergruppe auch "arbeitete": Mit Hilfe unbegleiteter junger Flüchtlinge, die mit dem Flixbus nach Berlin geschickt wurden, um das Hasch zu transportieren.

Im Jahr 2015 allein aus Afghanistan geflohen

Ins Fahrwasser der Bande geriet so auch ein 19-jähriger Afghane, der mit einem heute 20-jährigen Syrer eng befreundet war. Der Afghane kam 2015 via Österreich als Jugendlicher über die Grenze nach Traunstein, wurde dem Landkreis Bayreuth als Flüchtling zugeteilt. Er und der Syrer lebten später Tür an Tür und freundeten sich an. "Ich wusste, dass er mit Haschisch handelt, wie jeder in Bayreuth das wusste. Ich habe ihm oft gesagt, er soll das sein lassen. Ich finde das nicht gut."

Als Angeklagter vor dem Schöffengericht landete der Afghane, weil er seinen besten Freund auf eine Fahrt nach Berlin begleitet hatte. Dort wollte dieser für 2000 Euro ein Kilo Hasch kaufen - wurde aber von dem Verkäufer übers Ohr gehauen. Als später die Kripo die Haschdealer auffliegen ließ, kam eine Aussage in die Akten, die da lautete: der junge Afghane war bei einer Fahrt zur Beschaffung einer nicht geringen Menge Haschisch dabei. Sollte dabei als zweiter Mann das Risiko einer Kontrolle mindern. Das wäre ein Verbrechenstatbestand des Beihilfe zum unerlaubten Drogenhandel in nicht geringer Menge.

Reicht die physische Anwesenheit?

Karsten Schieseck, der Verteidiger des jungen Afghanen, gab im Prozess für seinen Mandanten eine Erklärung ab: Ja, er sei bei der Fahrt dabei gewesen. Ja, sein syrischer Freund habe ihm das Flixbusticket bezahlt. Nein, er habe nicht gewusst, dass die Busfahrt den Zweck hatte, Drogen zu besorgen. Nein, er habe nie etwas mit Drogen am Hut gehabt. Ja, er habe seinen Freund stets davor gewarnt.

Sein syrischer Freund, der aus der Untersuchungshaft vorgeführt wurde, bestätigte als Zeuge vor Gericht: Sein Freund habe nicht gewusst, was der Zweck der Fahrt war. Er habe den jungen Afghanen nur mitgenommen, weil er bei der langen Fahrt "Unterhaltung im Bus" haben wollte. Ja, er habe für 2000 Euro ein Kilo Hasch kaufen wollen und sei vom Verkäufer ausgetrickst worden. Ja, sein afghanischer Freund habe die Geldübergabe mitbekommen.

Das Problem: Im Ermittlungsverfahren hatte der Zeuge noch etwas anderes gesagt - nämlich, dass sein Freund sehr wohl vom Hintergrund der Fahrt gewusst habe. Auf Vorhalt dieser Aussage korrigierte er sich, betonte aber: "Er hat mir gesagt, dass ich das nicht machen soll, dass das gefährlich ist. Ich habe ihm nur gesagt, dass das mein Problem ist."

Einmütige Beurteilung: Freispruch

Es gab weitere Anhaltspunkte, die eine Beihilfe des Angeklagten in Frage stellten: Ihm wurde keine Gewinnbeteiligung oder Drogen als Profit versprochen. Er ist auch körperlich kein riesiger Muskelmann, so dass man hätte sagen können: Er wurde erkennbar zur Abschreckung oder Sicherung des Drogentransports ausgesucht.

Der Gerichtsvorsitzende Alois Meixner deutete denn auch schon vor den Plädoyers an, dass der Fall auf einen Freispruch hinauslaufen dürfte: "Alleine die physische Anwesenheit ist wohl kein Beitrag, der es rechtfertigen würde zu sagen: Er hat die Tat gefördert."

Entsprechend war die Reaktion der Prozessbeteiligten: Staatsanwalt und Verteidiger plädierten kurz und beantragten Freispruch. Das Schöffengericht brauchte wenige Minuten zur Beratung, um zum Freispruch zu kommen.

Ob das Urteil bei dem jungen Mann Freude auslöst? Trotz guter Intergration, die das Jugendamt ihm bescheinigt, ist sein Asylantrag abgelehnt worden.

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