Wie die Sowjets Afrika umgarnten

Von Michael Weiser

Afrika war ein Hauptkriegsschauplatz des Kalten Krieges. Enge Beziehungen pflegte vor allem die Sowjetunion - die  Zusammenarbeit zwischen Rotem Imperium und Afrika dauerte nur ein paar Jahrzehnte, hinterließ aber tiefe Spuren. Wie nun eine Ausstellung im Iwalewahaus über das Zerbrechen der sozialistischen Utopien belegt.

 
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Es kann kein Zufall sein, dass Fotos eines Schiffbruchs am Anfang der Ausstellung stehen, sie ergeben einen Dreiteiler, ein stilles Monument des Scheiterns. Ein Foto einer malerisch verrosteten Schiffswand, ein Heck mit dem Namen des Schiffs: „Karl Marx Luanda“. Daneben wieder eine Seitenwand, diesmal mit einer Strickleiter: Da sind noch die Letzten von Bord gegangen. So kann man das Scheitern eines gemeinsamen Aufbruchs auch illustrieren. Kiluanji Kia Henda hat diesen Tryptichon fotografiert, das den Titel der Ausstellung vorwegnimmt: „Things Fall Apart“ - eine Welt, die aus den Fugen gerät.

Es geht um Afrika, und um seine besonderen Beziehungen zur Sowjetunion und seinen Satelliten. Die Geschichte beginnt mit dem Heraufdämmern des Kalten Krieges nach dem Zweiten Weltkrieg. Russland war in den Wettlauf um Verbündete mit Vorteilen gestartet, als neue Supermacht ohne koloniale Altlasten in Afrika. Und: Klassenkampf schloss Rassenkampf aus. So konnten sich die Sowjets als Vorkämpfer gegen den Imperialismus präsentieren, weiße Proletarier an der Seite unterdrückter Schwarzer. Moskau schickte Ingenieure, Politiker und Gerät, Militärberater und Waffen in einen Kampf, in dem sich die mächtigsten Akteure nicht offen zeigten. Amerikaner und Südafrikaner machten gemeinsame Sache gegen Kubaner und Sowjets, in Stellvertreterkriegen knapp vor der Schwelle eines neuen Weltkriegs.

Gute Freunde kann man doch trennen

Chruschtschow versprach Treue: Viel Zeit solle man sich bei der Auswahl seiner Freunde lassen, unendlich viel mehr Zeit beim Wechsel zu neuen Freunden. So unendlich lang dauerte es dann doch nicht. Etwas mehr als vier Jahrzehnte lang währte der Völkerfrühling. Dann war die Utopie gescheitert. Weil das Sowjetimperium zusammenbrach. Und weil sich viele Afrikaner eben doch nicht als gläubige Jünger des Stalinismus erwiesen hatten. Auch die Sowjetunion suchte letztlich eben nur nach nützlichen Idioten, die ihr Zugang zu eisfreien Häfen und Bodenschätzen gewähren würden.

Vor allem Titos Modell der blockfreien Staaten zog. Auf einem Foto sieht man neben anderen blockfreien Staatsmännern aus der so genannten Dritten Welt auch Gamal Abdel Nasser, den Regierungschef Ägyptens – und für kurze Zeit auch Syriens. Diese erste Ahnung eines arabischen Nationalismus jenseits des Westens und des Ostens geht, wie übrigens die ganz eigenen Ziele der Staaten in Maghreb, in der Ausstellung allerdings fast völlig unter.

Der Schwerpunkt liegt in der künstlerischen Annäherung an ein Phänomen, das heutzutage nahezu vergessen ist. Dabei fällt Verschiedenes auf. Etwa, dass die sowjetischen Plakate vor dem heutigen Geschmack weit besser bestehen als ihre zeitgenössischen Pendants aus dem Westen. Oder dass – wie ein sowjetischer Film zeigt – auch mal ein anderer Blick auf Afrika möglich war. Auf ein Afrika nicht als ein Kontinent des Hungers, des Krieges und der Rückständigkeit, sondern als ein Hort der Zukunft. Forciert, heillos verzerrt, von der Propaganda diktiert, klar – aber doch ein Korrektiv zur ebenso von Eigennutz gesteuerten negativen Sicht des Westens, der die Vertreibung der ehemaligen Kolonialherren mit Elend bestraft wissen wollte.

Die DDR als Juniorpartner

Sehr enge Verbindungen pflegte die DDR. Der deutsche Nachbar im Westen antwortete auf die kommunistischen Charme-Offensiven mit der Hallsteindoktrin. Diplomatische Anerkennung der DDR wurde als "unfreundlicher Akt" betrachtet - und konnte mit dem Entzug von Entwicklungshilfe bestraft werden. Man kann das auch als Erpressung sehen. Die DDR wiederum feierte ihre Rolle als Juniorpartner der UdSSR in Afrika mit geradezu paradoxen Texten-Schöpfungen. "Wir stehen mit Äthiopien gemeinsam in der internationalen Front des Kampfes für den Frieden", verkündet martialisch ein DDR-Magazin. 

Nordkoranischer Exportschlager

Faszinierend ist der kurze Seitenblick auf die Denkmalkultur in vielen afrikanischen Ländern, für den ​Onejoon Che Plastiken und Fotos beigesteuert hat. Eigentlich hätte ja der Markt für heroische Monumentalarrangements irgendwann zwischen Ende des Dritten Reichs und den Nachwehen der Sowjetunion ja zusammenbrechen müssen. Allein in Afrika hält sich immer noch die Mode der heroischen Pose. Wirkt da auf die relativ junge afrikanische Denkmalkultur immer noch der Einfluss des real existierenden sowjetischen Realismus? Oder drücken sich da die Traumbilder einer afrikanischen Macho-Elite aus?

Über die Gründe kann man nur spekulieren. Spezialisiert haben sich darauf Gießereien in Nordkorea. Dem Bedürfnis afrikanischer Machthaber nach Geltung und Interpretation der eigenen Geschichte verdankt Kim Jong-un den vielleicht einzigen Exportschlager seines Landes.

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