Wer war der Nizza-Attentäter?

 Foto: red

War der Attentäter von Nizza ein Mitglied des Islamischen Staats? Diese Frage steht im Raum, seit die Dschihadistenmiliz den Anschlag mit mindestens 84 Toten am Samstag für sich beansprucht hat. Einen Beleg dafür gibt es nicht.

 
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Nachbarn und Familienmitglieder beschreiben den 31-jährigen Mohamed Lahouaiej-Bouhlel als nichtreligiösen Einzelgänger. Aufgefallen sei er allerdings durch psychische Probleme und einen Hang zur Gewalt.

Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve sagte in Paris, dass die Regierung keinen Beweis für eine IS-Mitgliedschaft des Tunesiers habe, der nach der Amokfahrt mit einem Lastwagen von der Polizei erschossen wurde. Cazeneuve nannte ihn aber ein Beispiel für "Einzelpersonen, die empfänglich für die Botschaften des IS sind und äußerst gewaltsame Taten begehen, ohne notwendigerweise an Kämpfen teilgenommen zu haben oder ausgebildet worden zu sein". Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian fügte hinzu, der IS habe die Tat mit seinen Appellen womöglich inspiriert.

Die französische Regierung geht davon aus, dass sich der Täter "sehr schnell radikalisiert" hat, wie Cazeneuve sagte. Nachbarn ist der Mann nicht als praktizierender Muslim aufgefallen. "Ich habe ihn nie in der Moschee gesehen", sagt der Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, der in der Nähe eines Gebetsraums im Norden von Nizza Wache schiebt. Muslime in der Hochhaus-Siedlung bestätigen dies. Dort wohnte der Tunesier mit seiner Frau und seinen Kindern, bevor sich das Paar vor rund 18 Monaten trennte.

Bekannt war Lahouaiej-Bouhlel aber für sein hitziges Temperament. Ein früherer Nachbar sagt, die Frau des Tunesiers habe nach einem gewalttätigen Streit die Scheidung verlangt. Nach der Trennung habe der Vater von drei Kindern eine schwere Krise durchlebt. Er habe den Spielzeugbär seiner kleinen Tochter mit einem Messer aufgeschlitzt und die Matratzen in der Wohnung zerfetzt.

Ein anderer Bewohner des Viertels sagt, die Frau des Attentäters, eine freundliche und zurückhaltende Franko-Tunesierin, habe viel aushalten müssen. Die Polizei hat sie inzwischen mehrfach vernommen. Ihr drittes Kind bekam sie nach Aussagen von Nachbarn nach der Trennung von ihrem Mann.

Der Tunesier zog danach in ein vierstöckiges Gebäude in einem einfachen Viertel im Osten von Nizza. Bewohner schildern ihn als einen einsilbigen Einzelgänger. Grüße habe er nicht erwidert. Er sei häufig in Shorts herumgelaufen und habe seinen kleinen Lieferwagen vor dem Haus geparkt.

Der Vater des Tunesiers äußerte sich gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Mohamed Mondher Lahouaiej-Bouhlel lebt in dem Ort Msaken bei der Hafenstadt Sousse im Osten Tunesiens. Auch er bezeichnet seinen Sohn als nicht religiös, dieser habe auch den Ramadan nicht beachtet. Aber er habe Probleme gehabt, die zu Depressionen führten. "Er wurde wütend, schrie, machte alles kaputt", sagt der Vater.

Er hat nichts mehr von seinem Sohn gehört, seitdem dieser im Jahr 2005 Tunesien verließ und nach Frankreich auswanderte. Dort lebte er jahrelang unauffällig und arbeitete als Lieferfahrer. Den Geheimdiensten fiel er weder als Islamist noch als Gefährder auf.

Polizeibekannt wurde der 31-Jährige erst ab dem Jahr 2000 durch eine Reihe kleinkrimineller Delikte wie Diebstahl. Im März wurde der Tunesier wegen eines gewaltsamen Streits nach einem Autounfall zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Was genau ihn nun dazu verleitete, einen Lastwagen zu mieten und auf der Strandpromenade von Nizza mehr als 80 Menschen zu töten, ist unklar. Die Ermittler stehen weiter vor einem Rätsel.

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