Wenn der Acker zum Schwamm wird

Von Andrea Pauly und Jonas Kühn
Landwirt Hans Engelbrecht zeigt, wie Hochwasserschutz aussehen kann: Ein breiter Streifen Gras und Klee zwischen zwei Feldern fungiert als Schutzzone, die verhindert, dass Regenwasser ungebremst bergab fließt. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Der Starkregen der vergangenen Tage hat in Teilen Bayerns für verheerende Überschwemmungen gesorgt. Im Landkreis Bayreuth war die Lage noch entspannt: Kurzzeitig überschwemmte der Regen Straßen bei Waischenfeld und Döhlau. Starke Niederschläge spielen aber auch ohne Katastrophen für die Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Und die Landwirtschaft wiederum kann durch eine gezielte Bewirtschaftung dafür sorgen, dass starke Wassermengen nicht im Tal ankommen.

 
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Landwirt Hans Engelbecht aus Weidenberg, das aufgrund seiner tiefen Lage zwischen Hügeln besonders durch Hochwasser gefährdet ist, erinnert sich: „2009 und 2013 hatten wir Platzregen ähnlich wie kürzlich in Südbayern. Da kamen innerhalb einer Dreiviertelstunde knapp 100 Liter pro Quadratmeter herunter! Das Wasser hat die ganze Erde von den Feldern mitgenommen und in Ützdorf Häuser und Straßen überflutet.“ Für Landwirte sei übermäßiger Niederschlag ein Problem, sagt Engelbrecht: „Wenn das Wasser über die Wiesen läuft, wird das Angebaute mit Dreck und Schwemmgut verunreinigt. Es ist dann für die Fütterung und die Biogasgewinnung ungeeignet.“

Quer pflügen an steilen Hängen

Bayernweit ist vorgegeben, ab wann Landwirte ihre Flächen quer pflügen müssen, damit  Regenwasser nicht so leicht bergab laufen kann, sagt Gudrun Walter aus der Abteilung Bildung und Beratung beim Amt für Landwirtschaft in Bayreuth. Ausschlaggebend für die Pflicht, quer zu pflügen, sind vor allem Hangneigung und Bodenzusammensetzung. "Je anfälliger die Bodenart für Erosion ist, desto geringer ist die Hangneigung, ab der eine Querbewirtschaftung vorgeschrieben ist." Zudem wird nach Gudrun Walters Angaben seit Jahrzehnten bewusst darauf geachtet, dass landwirtschaftliche Flächen in Hanglage nicht vergrößert werden.

Erfrorene Pflanzenreste als Schutzschicht

Diese Vorgaben seien aber kein Problem für die Landwirte: "Sie haben das eigene Interesse, dass wenig Boden abgetragen wird." Schließlich ist dieser buchstäblich die Grundlage für ihr Einkommen. Deshalb tun viele Landwirte etwas dafür, dass ihre Äcker möglichst viel Wasser aufnehmen können - Wasserverdaulichkeit heißt das in der Fachsprache. "Wir versuchen, über die Fruchtfolge eine gute Bodenstruktur zu erreichen." Denn dann könne die Erde mehr Wasser aufnehmen. Beim Maisanbau sorgt eine Zwischensaat für Schutz, etwa Senf. Die Pflanzen frieren im Winter ab, ihre Reste bilden eine Schutzschicht. Sie bleibt auf der Oberfläche, bis die Maispflanzen selbst irgendwann so groß sind, dass sie den Boden schützen. 

Walter: Mais ist kein Grund für höheres Risiko

Eine höhere Hochwassergefahr durch mehr Maisanbau sieht die Pflanzenbauerin nicht: "Die Maisanteile im Landkreis liegen deutlich unter 50 Prozent." Und die allerwenigsten Landwirte in der Region würden mehrere Jahre in Folge Mais auf den gleichen Feldern anpflanzen. Doch auch das beste Bodenmanagement könne bei Wassermassen wie am Wochenende einen Abtrag der oberen Schichten nicht verhindern: "Das waren ja Sturzfluten." 

Kein Wetter zum Heumachen

Um Weidenberg seien über zwei Drittel der Ackerfläche mit Pflanzen bebaut, die lange keinen Schutz vor Niederschlägen bieten, schätzt Landwirt Engelbrecht: „Einmal hat es auf einem großen Feld über einen halben Meter Erde weggespült.“ Zudem seien die Äcker nach Starkregen teilweise nicht befahrbar, was zu Lasten des Pflanzenschutzes und der Beseitigung von Unkraut ginge. Überdies könne derzeit wegen der Nässe kein Heu gemacht werden: „Wir könnten dringend ein paar Tage gutes Wetter gebrauchen“, wünscht er sich und fügt hinzu: „Schaltjahre wie dieses sind alten Sagen zufolge keine guten Jahre. Das hat sich bisher bewahrheitet.“

Manchmal nur punktuelle Schäden

Die Schäden zu beziffern, sei kaum möglich, sagt Gudrun Walter, "weil sie lokal ganz unterschiedlich ausfallen". Mal könne ein Hagelschauer ein ganzes Feld unbrauchbar machen, andernorts gebe es nur punktuelle Verluste. Neben den Maisfeldern sind derzeit auch andere Kulturen vor Folgen des Wetters nicht gefeit: "Die Wintergerste steht gerade richtig schön", sagt Gudrun Walter. "Die kann der Hagel oder Starkregen so umlegen, dass sie nur noch sehr schlecht gedroschen werden kann." Andererseits erhole sich oftmals Mais gerade nach Hagel besser als Getreide.

"Das Thema Erosionsschutz spielt auch eine ganz große Rolle bei uns in der Landwirtschaftsschule", sagt die Pflanzenbaulehrerin. "Ackerbau ohne Bodenabtrag funktioniert nicht. Aber es geht darum herauszufinden, was tolerierbar ist."

Höhere Straßen und schützende Grünstreifen

In Weidenberg gibt es verschiene Ideen, wie Hochwasserschäden vermieden werden können, sagt Engelbrecht: „Straßen müssen höher angelegt werden, so dass das Wasser dazwischen immer wieder gestoppt wird. Um das Ackerland zu schützen, haben sich Grünstreifen und Hecken quer zum Hang bewährt, die das Wasser bremsen." Damit erfüllen die Bauern auch eine EU-Richtlinie, die  einen bestimmten Anteil an Grünflächen verlangt.

Förderrichtlinien ändern sich dauernd

Laut Tobias Hofmann, Entwicklungsmanager bei der Integrierten Ländlichen Entwicklung Frankenpfalz (ILE), sind Schutzmaßnahmen seit Jahren geplant. Die Umsetzung verzögere sich aber immer wieder durch sich ändernde Förderrichtlinien. „Wir lassen die Planungen derzeit durch ein Ingenieursbüro ausarbeiten", sagt Hofmann, "es geht so langsam an deren Umsetzung."

In Weidenberg stehen Sandsäcke bereit

In Weidenberg sind drei Projekte geplant, sagt Bürgermeister Hans Wittauer: „In Lessau wird am östlichen Ortseingang ein zweiter Kanaldurchlass gebaut. In Ützdorf wird der Wasserauslauf des Dorfweihers abgesenkt und verbreitert, um zu verhindern, dass Wasser unkontrolliert ins Dorf fließt. Zwischen Lessau und Lankendorf läuft ein Flurneuordnungsverfahren, bei dem auch neue Wege quer zum Hang angelegt werden."

Weidenberg ist bei Wetterlagen wie denen der vergangenen Tage in Alarmbereitschaft, sagt Wittauer: „Die Bevölkerung ist mittlerweile sehr sensibilisiert. Wenn man weiß, dass größere Niederschlagsmengen anstehen und ein Bach bald über die Ufer tritt, errichten die Leute von sich aus Barrikaden aus Sandsäcken."

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