Prozessbeginn in Weiden Tote Lea: Mutter räumt Vernachlässigung ein

Manfred Precklein,
 Foto: red

WEIDEN. Die kleine Lea muss unheimliche Schmerzen gehabt haben - doch ihre Mutter ging mit ihr nicht zum Arzt. Zuletzt wog sie nur noch acht Kilo. Die Zweijährige starb Ende März an einer Lungenentzündung. Seit Montag steht ihre Mutter in Weiden vor Gericht.

 
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Oberstaatsanwalt Gerhard Heindl spricht von "böswilliger Vernachlässigung", die Mutter von Gleichgültigkeit. Seit Montag verhandelt das Landgericht Weiden den Tod der kleinen Lea aus Tirschenreuth. Das Mädchen war in der Nacht zum 27. März an einer Lungenentzündung gestorben. Leas Mutter muss sich wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen, Verletzung der Fürsorgepflicht, gefährlicher Körperverletzung und Urkundenfälschung verantworten. Das Urteil wird Ende September erwartet.

Zum Auftakt des Prozesses vor der Jugendkammer legt die 22-Jährige ein Geständnis ab. Über ihre Anwältin lässt sie erklären, sie bedaure den Tod ihrer Tochter zutiefst. "Sie wollte nie, dass sie stirbt", sagt ihre Anwältin Andrea Schnetzer. Ihre Mandantin sei sich aber bewusst, dass sie ihre Tochter nicht ausreichend versorgt und ihre Pflichten vernachlässigt habe.

Die fälligen Vorsorgeuntersuchungen ließ Birgit W. nicht vornehmen, bei ihrem vier Jahre alten Sohn Felix fälschte sie laut Anklagebehörde die Unterschrift des Arztes im Untersuchungsheft, damit er in den Kindergarten gehen konnte.

Sachlich schildert Oberstaatsanwalt Heindl Leas Leidensgeschichte: Bei der Kleinen hat sich nach einer nicht erkannten Hirnhautentzündung ein Wasserkopf gebildet. Wegen des erhöhten Hirndrucks wird das Mädchen apathisch, will kaum mehr essen, trinken und gehen. Aufgrund der Mangelernährung wiegt Lea bei ihrem Tod nur noch 8,2 Kilogramm. Das Mädchen muss unheimliche Schmerzen gehabt haben. Im März bekommt das ohnehin geschwächte Kind eine beidseitige Mittelohrentzündung und schließlich eine tödliche Lungenentzündung.

Hinter einem rot-schwarz-karierten Tuch versteckt Birgit W. Kopf und Gesicht vor den vielen Fotografen im Gerichtssaal. Den Antrag ihrer Verteidigerin auf eine Verständigung auf das Urteil ohne öffentliche Verhandlung lehnt das Gericht ab: "Dieser Fall eignet sich nicht für einen Deal", sagt der Vorsitzende Richter Bernhard Ring.

Geschlagen und angebrüllt

Als kleines Kind wurde Birgit W. von ihrem alkoholabhängigen Vater häufig geschlagen und angebrüllt. "Sie hatte panische Angst vor ihrem Vater", sagt ihre Verteidigerin. Als sie sechs Wochen alt war, ließ sie ihr Vater versehentlich fallen, sie erlitt dabei einen Schädelbruch. Mit 16 lernte sie ihren späteren Mann kennen, der sie im August 2009 verließ. Felix und Lea seien Wunschkinder gewesen, erläutert die Anwältin.

Nach der Trennung verliert Birgit W. immer mehr den Kontakt zu ihrer Tochter, wie ihre Verteidigerin berichtet. Um ihren Mann zurückzuholen, erfindet sie Krankheiten ihrer Tochter, wie etwa eine Chromosomenanomalie. Mitte Februar 2010 wird Lea immer ruhiger, verlässt kaum mehr ihr Kinderzimmer.

Wenig später muss der neue Freund ihrer Mutter eine Haftstrafe antreten. "Meine Mandantin kam mit der Situation nicht mehr zurecht und hat sich selbst vernachlässigt", sagt die Anwältin. Auch als sich der Gesundheitszustand ihrer Tochter zusehends verschlechtert, holt Birgit W. keinen Arzt. Sie hatte die Hoffnung, so die Verteidigerin, dass sich alles von selbst wieder bessert.

Foto: dpa

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