Was Autofahrer in Oberfranken stresst

Von Peter Rauscher
Achtung, ein Stinkefinger landet meist als Verhandlungsgrund vor Gericht. Archivfoto: Jens Büttner/dpa Foto: red

Mehr als jeder dritte Autofahrer auf Deutschlands Straßen ist in aggressiver Stimmung unterwegs. Das geht aus einer Umfrage der Unfallforscher der Versicherer hervor, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Danach fühlen sich viele Bundesbürger im Straßenverkehr gestresst. Ein Grund für steigende Unfallzahlen auch in Oberfranken?

 
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Aggression: Lichthupe, drängeln und rechts auf der Autobahn überholen – fast die Hälfte der Männer (44 Prozent) und mehr als ein Drittel der Frauen (39 Prozent) schätzt sich als „mindestens manchmal aggressiv“ ein. Spitzenwerte bis hin zu 58 Prozent gibt es bei den Mitte 20- bis Mitte 40-Jährigen. Unfallforscher Siegfried Brockmann, der an der Studie beteiligt war, sagt: „Die meisten Autofahrer machen sich den Stress selbst.“ Überrascht hat ihn, dass gut verdienende Akademiker laut der Studie besonders rücksichtslos fahren. „Ich denke, es sind Menschen, die es gewohnt sind, sich durchzusetzen.“ Die oberfränkische Polizei registrierte seit Jahresanfang 379 Aggressionsdelikte (Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Straßenverkehrsgefährdung, Nötigung und Beleidigung), 81 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Stress: Rund die Hälfte der Befragten fühlt sich gestresst. Rund ein Drittel macht der Straßenverkehr generell „nervös“. Unfallforscher Siegfried Brockmann sagt: „Verkehrsraum ist knapp geworden. Die wachsende Konkurrenz darum empfinden viele Verkehrsteilnehmer nicht als angenehm.“

Sicherheitsgefühl: Fast zwei Drittel der Befragten fühlen sich sicher. Brockmann erklärt sich das vor allem durch Frauen. „Da sitzt eine neue Frauengeneration am Steuer, die das Fahrzeug selbstbewusst führt“, sagt er.

Frau am Steuer: Frauen fahren nicht nur selbstbewusster als früher, sie lassen sich auch weniger gefallen. Drängelt der Hintermann, tritt ein Drittel der befragten Fahrerinnen laut Umfrage erst mal auf die Bremse – um ihn zu ärgern. Dieser Wert liegt um zwei Prozent höher als bei Männern. Selbst zu drängeln, liegt Frauen deutlich weniger als Männern. „Frauen geht es eher um Selbstbehauptung und auch ums Erziehen der anderen“, sagt Forscher Brockmann. Männer zeigten dagegen vorwiegend ein Dominanzverhalten.

Immer die anderen: Kritikfähigkeit ist Autofahrern in Deutschland wenig gegeben. Zwar beobachten fast alle Befragten ein zu dichtes Einscheren anderer Autos oder dreistes Vorbeiziehen an Kolonnen. Aber nur ein Fünftel gibt zu, das auch schon einmal gemacht zu haben. 97 Prozent haben auch gesehen, wie Radfahrer zu dicht überholt werden. Aber 95 Prozent schwören, dass sie immer besonders viel Rücksicht auf Radler nehmen. Unfallforscher Brockmann erklärt sich diesen Widerspruch mit einer falschen Selbstwahrnehmung und einem unerschütterlichen Glauben an die eigenen Fähigkeiten.

Unfälle: Dass die Selbstwahrnehmung, immer gut zu fahren, oft täuscht, zeigt die Unfallstatistik. Die meisten Crashs bauen nach der Umfrage jene Autofahrer, die besonders rücksichtslos unterwegs sind. Sie kassieren auch die meisten Strafen bis hin zu Fahrverboten. „Es trifft die Richtigen, aber die Strafen führen nicht zu einem weniger riskanten Verhalten“, bilanziert Brockmann. „Die Einsicht fehlt. Der Glaube, gut zu fahren, ist immer größer.“ Die Zahl der Verkehrsunfälle hat zugenommen: In Oberfranken auf 31 233 im vergangenen Jahr, ein Plus von 7,3 Prozent. Hauptursache: nicht angepasste Geschwindigkeit. Bei den Unfällen kamen 53 Menschen ums Leben.

Handy am Steuer: 80 Prozent geben an, niemals ohne Freisprechanlage zu telefonieren. Und nur fünf Prozent geben zu, bei der Fahrt SMS oder E-Mails zu lesen. Obwohl die Risiken bekannt sind, glaubt Brockmann nicht an den großen Bewusstseinswandel. „Das hat mit der Realität wenig zu tun“, betont er. Die oberfränkische Polizei ertappte in den ersten sieben Monaten 2016 knapp 1200 Autofahrer am Smartphone. Dafür gibt’s 60 Euro Bußgeld und einen Punkt in Flensburg. Radfahrer müssen 25 Euro zahlen.

Mit Material von dpa.

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