Warum büxen die Thurnauer Schwäne aus?

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Am Thurnauer Schwanenweiher gibt's einen Neuzugang: Ein Schwanenpärchen aus Erfurt. Somit hat der zuletzt einsame Höckerschwan wieder Gesellschaft. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ohne Schwäne fehlt in Thurnau etwas: Der Schwan ist das Wappentier der Marktgemeinde. Und seit Jahrhunderten leben Schwäne am Schlosspark und sind aus ihm nicht mehr wegzudenken. Doch zuletzt war nur noch ein einziger da.

 
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Die Schwäne sind in Thurnau seit jeher eine kleine Sensation: Großeltern zeigen sie ihren Enkeln und füttern sie mit Brotresten. Hundebesitzer laufen mit ihren Vierbeinern gerne am Schwanenweiher vorbei. Ältere Thurnauer erinnern sich, dass früher stets mehrere Schwäne mit ihren Jungen zu sehen waren. Auf dem Schlossweiher mit dem rot-weißen Schwanenhäuschen und auf dem kleineren Schwanenweiher dahinter lebte in den vergangenen Wochen aber nur nur noch ein einsamer Schwan.

Einen hat der Fuchs geholt

Was war passiert? "Den einen hat der Fuchs geholt und ein Schwan ist uns weggeflogen", gibt Verwaltungsleiter Hans-Peter Ströbel zur Antwort. Wo der Flüchtige genau abgeblieben sei, könne man nicht mehr feststellen. "Schwäne sind Wildtiere und erhalten daher keine Kennzeichnung." Sie tragen also keinen Ring am Fuß wie Zuchttiere.

Neuankömmlinge sind Jungschwäne aus Thüringen

Aber auch Schwäne brauchen Gesellschaft, findet Bürgermeister Martin Bernreuther. Darum hat die Gemeinde jetzt zwei neue Schwäne aus Erfurt "eingeflogen". Bezahlt haben die Gemeinde dafür wenig, "jedenfalls keinen nennenswert hohen Betrag". Die Schwäne aus Thüringen sind noch Jungtiere: Sie haben noch überall grauen Flaum im Gefieder. Dennoch sind sie fast schon so groß wie der verlassene ältere Schwan. "Wir hätten auch nur einen dazuholen können", sagt Bernreuther. "Da besteht eine höhere Gefahr, dass sie sich nicht verstehen." Deshalb sei der Gemeinde geraten worden, ein Pärchen zunehmen.

Wildtiere am Weiterflug zu hindern, ist verboten

"Wir versuchen natürlich alles zu tun, um diese drei zu halten." Es sei aber nie ganz auszuschließen, dass die Schwäne weiterzögen, wenn sie flugreif seien. In vergangenen Zeiten seien ihnen die Flügel gestutzt worden. Das sei mittlerweile aus Tierschutzgründen verboten. Das bestätigt Andreas Koller, Amtstierarzt am Landratsamt Kulmbach: "Die Amputation von Körperteilen ist nach einer Verschärfung des Tierschutzgesetzes generell verboten worden." Ob das Zurückschneiden der Federn als Amputation gelte, sei umstritten. "Der Einsatz der Flügel gehört bei Schwänen zum typischen Verhaltensrepertoire." Daher sei es nicht artgerecht, sie zu beschneiden.

Ausreißer werden teils wieder eingefangen

Dass die Schwäne ab und an ausbüxen, ist keine Seltenheit. So wurden sie zum Beispiel auch schon im Nachbarort Berndorf gesichtet. "Ich wurde dann von besorgten Bürgern angerufen, damit wir sie wieder einfangen", erzählt Bernreuther. Was jedoch nicht ganz einfach sei - wegen ihres Gewichts und ihrer Größe. Die weißen Höckerschwäne erreichen ausgewachsen eine Spannweite von 2,40 Meter und können rund 1,50 Meter groß und bis zu 15 Kilo schwer werden. In freier Wildbahn kann ein Höckerschwan theoretisch 20 Jahre alt werden.

Schwäne prägen das Bild der Region

"Schwäne sind wild lebende Wasservögel und sie gehören zu unserer Region", sagt Erich Schiffelholz vom Landesbund für Vogelschutz in Kulmbach. Sie unterliegen dem Jagdrecht und dürfen in Bayern zu bestimmten Zeiten bejagt werden. Im Landkreis seien Schwäne nichts Ungewöhnliches und zum Beispiel an der Kieswäsch, am Burghaiger Stauweiher und am Roten Main zu beobachten.  Schwäne ernähren sich von Wasserpflanzen, Gräsern, Larven, Schnecken und Würmern. In Thurnau füttern Bauhofmitarbeiter die Schwäne.

Ruhiges Biotop mit guter Nahrung bevorzugt

Warum sie trotz guter Ernährung wegfliegen, ist schwer zu sagen. Wenn den Schwänen ein Biotop gefalle, blieben sie dort länger. "Passt es ihnen nicht, suchen sie sich ein neues." So erklärt sich LBV-Vogelschützer Frank Schneider das Verhalten. Wildvögel seien nun mal keine Haustiere und erforderten einen artgerechten Umgang. "In der Regel ziehen sie weg, wenn sie keine Nahrung mehr finden." Im Grunde seien Schwäne eher "standorttreu". Das liege zum einen an ihrer "schwerfälligen Flugweise". Sie benötigen wegen ihres Gewichts und ihrer Flügelgröße eine größere Wasserfläche, um zum Flug abzuheben. "Von einem Teich aus haben sie dazu keine Chance."  Zum anderen sind Höckerschwäne ihrem Partner ein Leben lang treu. Diesen suchen sie sich noch vor der Geschlechtsreife in einem Alter zwischen zwei und drei Jahren.  Wenn das Weibchen brütet, verteidigt das Männchen das Nest - auch gegen Menschen: ein Flügelschlag kann den Arm eines Menschen brechen.

Traditionelles Wappentier der Gemeinde

Die weißen Höckerschwäne mit dem orangefarbenen Schnabel wurden in Mitteleuropa im 16. Jahrhundert bewusst angesiedelt. Damals war der Schwan bereits Teil des Stammwappens der Gräflich Giech'schen Familie. Noch heute zeigt der Wappen der Gemeinde zwei silberne Schwäne und zwei rote Schafsscheren auf einem Schild über einem Turm. Die Schlossherren ließen im Schlossgarten im 18. Jahrhundert eine inzwischen zerstörte Lindenallee anlegen, die an einem Schwanenteich endete. Die Gemeinde pachtete ihn später.

Bürgermeister Bernreuther zufolge stehen die Schwäne im Wappen für Mut und die Scheren symbolisierten Reichtum. Wäre schade, wenn das Thurnau verloren ginge.

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