Vorratsdaten für Verfassungsschutz?

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Der Verfassungsschutz überwacht Extremisten ebenso wie kriminelle Banden. Innenminister Herrmann will der Behörde angesichts der Terrorgefahr mehr Macht geben. Die Opposition ist empört und prüft eine Verfassungsklage.

 
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Der bayerische Verfassungsschutz soll Zugriff auf Telefonverbindungs- und Internetdaten bekommen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will den Verfassungsschützern die Möglichkeit geben, zu Beginn einer sogenannten Telekommunikationsüberwachung auch abzufragen, mit wem die Betreffenden in den vorangegangenen zehn Wochen in Kontakt waren. Das Kabinett billigte Herrmanns Entwurf am Dienstag, verabschiedet werden muss das neue Gesetz vom Landtag. SPD und Grüne haben schwere Bedenken und behalten sich eine Verfassungsklage vor.

Der Bundestag hatte erst Anfang November die Vorratsdatenspeicherung nach jahrelangem Streit wieder erlaubt. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte davor, nun «der totalen Überwachung Tür und Tor» zu öffnen.

«Angesichts der unverändert hohen Bedrohungslage ist es mir wichtig, die Handlungsfähigkeit des bayerischen Verfassungsschutzes zu erhalten», sagte Herrmann nach der Kabinettssitzung. Der CSU-Politiker betonte, dass der Verfassungsschutz nach der Verabschiedung des neuen Gesetzes nicht willkürlich Verbindungsdaten abfragen dürfe. Jede Abfrage müsse von der sogenannten G10-Kommission des Landtags genehmigt werden.

Zugriff auf die Vorratsdaten bedeutet, dass der Verfassungsschutz dann nachträglich herausfinden kann, mit wem ein überwachter Extremist oder Gangster in Kontakt war. Bayern sei in dieser Hinsicht nun bundesweiter Vorreiter, sagte Herrmann. «Der Bund und die übrigen Länder sollten schnellstmöglich unserem Beispiel folgen.»

Doch der SPD-Rechtsexperte Franz Schindler ist mehr als skeptisch: «Wir werden uns das sorgfältig ansehen, auf den ersten Blick haben wir aber Bedenken, dass es verfassungskonform ist, den Verfassungsschutz gespeicherte Daten nutzen zu lassen.» Der SPD-Politiker verweist auf die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Verwendung «anlasslos gespeicherter Daten». Das sei nur bei konkretem Verdacht, zur Verhinderung oder zur Verfolgung erheblicher Straftaten zulässig.

Die Grünen sehen das ähnlich: Herrmann bewege sich «mindestens in einer rechtlichen Grauzone», sagte die Abgeordnete Katharina Schulze. Herrmanns Plan verstoße gegen das Trennungsgebot, nach dem Aufgaben der Polizei und der Nachrichtendienste strikt separiert werden müssen. «Sollte es tatsächlich zu einer Umsetzung kommen, behalten wir uns ausdrücklich eine Klage vor dem zuständigen Verfassungsgericht vor», sagte Schulze.

Kritiker lehnen die Vorratsdatenspeicherung entweder grundsätzlich ab oder halten es für ausreichend, wenn die Polizei Zugriff auf die Verbindungsdaten bekommt. Denn für Strafverfolgung ist die Polizei zuständig und nicht der Verfassungsschutz.

Herrmann jedoch sieht eine Lücke: Die Polizei darf nur abhören und Verbindungsdaten anzapfen, wenn eine konkrete Straftat geplant ist. Für den Verfassungsschutz würde diese Einschränkung nicht gelten - so dass der Inlandsgeheimdienst früher Zugriff auf Verbindungsdaten bekäme als die Polizei.

Die Kabinettssitzung wurde am Dienstag von Herrmann geleitet, weil Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) beim CDU-Parteitag in Karlsruhe war und seine Stellvertreterin Ilse Aigner (CSU) bei einem Termin in München.

dpa

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