Faible für Kühe
Während Lisa Weinert bei den Wiedemanns ihr Faible für die Kühe ausleben kann und sich mittlerweile eigenverantwortlich um die Aufzucht der Kälber kümmert, ist Ralf Amann eher der Techniker, dem der Umgang mit Maschinen liegt. Der 19 Jahre alte Röslauer beendet demnächst das zweite praktische Lehrjahr und hat schon eine neue Stelle als Geselle auf einem Hof in Schleswig-Holstein in Aussicht. Lisa Weinert und Ralf Amann sind typisch für einen neuen Trend in der Landwirtschaft: Beide stammen nicht aus einem Hof und werden wahrscheinlich auch keinen eigenen aufbauen. Schon jetzt beschäftigen bundesweit fast 50 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe Angestellte, in der Region sind es weit weniger, geschätzt um die zehn Prozent.
Wie Klaus Wiedemann sagt, ist die Landwirte-Ausbildung derart vielfältig, dass sie längst nicht nur in der Beschäftigung auf einem Hof münden muss. „In Behörden werden Fachkräfte aus der Landwirtschaft ebenso benötigt wie in verwandten Branchen. Ich könnte mir den Ralf jederzeit auch als Baumaschinenführer vorstellen, so geschickt ist er mit dem Traktor unterwegs.“ Viele junge Leute studierten zudem nach der Lehre oder „bauten“ ihren Techniker. „Wichtig ist aber zunächst das Fundament, die Lehre. Danach stehen alle Wege offen.“
Seit sechs Jahren Bio-Hof
Vor sechs Jahren hat der Landwirt seinen Hof auf bio umgestellt und diese Entscheidung nie bereut. „Das war ein riesiger Einschnitt. Mir ist die nachhaltige Wirtschaftsweise wichtig, auch wenn sie aufwendiger ist.“ Mit seinem eigenen Beispiel verdeutlicht Wiedemann, wie sehr auch in der Landwirtschaft stets alles im Wandel ist. „Häufig ist unsere Branche sogar Vorreiter, so zum Beispiel beim Einsatz von GPS-Daten auf Wiesen und Ackern. Die Landtechnik ist komplex und häufig pure Hightech.“
So aufgeschlossen Wiedemann der Moderne gegenüber auch ist, bei einem Thema ist er bewusst konservativ: Seine Lehrlinge sind stets bestens im Familienbetrieb integriert (Lisa Weinert wohnt sogar auf dem Hof). „Wir treffen uns um 6.30 Uhr im Stall. Wenn wir mit der ersten Arbeit fertig sind, frühstücken wir gegen 8 Uhr gemeinsam und besprechen den Tag.“ Auch mittags sitzen Lehrlinge und Familie miteinander am Tisch. Wenn es regnet, kann aus dem halbstündigen Frühstück auch mal eine Stunde werden. „Die Zeit nutzen wir zum Führen der Berichtshefte oder ich gebe einen Einblick in die Verwaltungsarbeiten, auch das gehört zu unserem Beruf.“ Immer wieder nimmt sich der Landwirt Zeit, mit seinen Lehrlingen über die Politik zu diskutieren. Wie kein anderer Berufsstand stehen die Bauern immer wieder im Rampenlicht und kommen häufig nicht gut weg. Genau dies war ein Beweggrund für Lisa Weinert, in der Praxis zu erfahren, ob die Landwirte tatsächlich Tierquäler oder Naturvergifter sind, wie es immer mal wieder dargestellt wird. Fazit: „Ich erlebe hier das Gegenteil, den Kühen geht es bestens.“ Ein Anliegen, das bei Lehrling und Lehrherrn an erster Stelle steht. Wiedemann: „Mittlerweile macht Lisa Vorschläge für die Kälberaufzucht, und ihre Ideen setzen wir durchaus um. Genau so soll es sein.“ Dieser Ansicht waren offenbar auch die Experten des Landwirtschaftsministeriums und wählten den Wiedemann-Hof als vorbildlichen Ausbildungsbetrieb. Auf die Auszeichnung ist der Chef stolz. „So eine erhält man schließlich nicht alle Tage.“
Während Ralf Amann nach der Lehre eine Stelle auf einem Hof in Schleswig-Holstein annimmt – er zieht wegen und mit seiner Freundin in den hohen Norden –, wird Lisa Weinert ab August in Thüringen ihr zweites Lehrjahr verbringen. In der Branche ist es üblich, die Betriebsweise mehrerer Höfe kennenzulernen. „Dies ist gut so, die jungen Leute sollen die Welt sehen und sich ihr eigenes Bild machen“, sagt Klaus Wiedemann.