Vorbildlicher Landwirt Hier reifen die Profi-Bauern der Zukunft

Lehrherr Klaus Wiedemann freut sich über die Auszeichnung „vorbildlicher Ausbildungsbetrieb“. Dass die Ausbildung hier wirklich top ist, bestätigen die Lehrlinge Lisa Weinert und Ralf Amann. Foto: /Matthias Bäumler

Für Klaus Wiedemann aus Wintersreuth ist das Ausbilden von Lehrlingen eine Berufung. Dies hat auch das bayerische Landwirtschaftministerium erkannt und verleiht ihm einen Staatsehrenpreis.

 
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Ein Studium? Schön und gut, aber längst nicht genug. Daher sattelt Lisa Weinert auf ihren Bachelor in Umweltwissenschaften noch eine Landwirtschaftsausbildung obendrauf. Die 24-Jährige aus dem Münsterland in Nordrhein-Westfalen lernt noch bis August auf dem Hof von Klaus Wiedemann in Wintersreuth bei Wunsiedel. „Als ich seine Stellenanzeige auf der Bioland-Homepage entdeckte, bewarb ich mich sofort.“ Offenbar hat die Chemie zwischen Lehrherrn und Lehrling gestimmt, und so verbringt die junge Frau derzeit die letzten Tage ihres ersten praktischen Lehrjahrs im Fichtelgebirge. Lisa Weinert ist von Land, Leuten und vor allem von der Arbeit angetan. „Ja, hier kann ich unheimlich viel lernen, genauso habe ich mir das erhofft.“ Ein Kompliment, das Klaus Wiedemann gerne hört. Der 54-Jährige ist Milchbauer aus Leidenschaft. Jede Macke seiner 115 Kühe kennt er, und genau deshalb bietet er ihnen beste Bedingungen. Beinahe eine Berufung ist für den Wintersreuther auch die Ausbildung junger Menschen.

Praktikanten aus Russland

„Nach der Meisterprüfung, als ich den elterlichen Hof übernommen habe, stellte ich erste Praktikanten ein.“ Zunächst lernten Nachwuchslandwirte aus Frankreich, Tschechien, Russland und Tadschikistan auf dem Hof die modernen Arbeitstechniken in Deutschland. „Aber nicht nur die Praktikanten lernten, ebenso habe ich viel über andere Kulturen und Wirtschaftsweisen erfahren“, sagt Wiedemann. Nach der Geburt seiner drei Kinder begann er, Lehrlinge auszubilden. Egal, ob junge Leute mit abgeschlossenem Studium, Abiturienten oder Jugendliche, die das Berufsgrundschuljahr (Anmerkung: das erste Lehrjahr) nicht bestanden haben, der Wintersreuther gibt allen eine Chance, wenn sie denn für den Beruf brennen. „Dies ist das Entscheidende und wichtiger als Noten. Letztlich geht es darum, dass die Auszubildenden nach einiger Zeit selbstständig arbeiten und nötigenfalls auch improvisieren können.“

Wiedemann geht es nicht nur um das Fachliche. „Ausbilden ist mir eine Herzensangelegenheit, es ist weit mehr als bloße Wissensvermittlung. Ich will den jungen Leuten eine positive Lebenseinstellung mitgeben, sie motivieren und ein Team kreieren. Sie sollen sich eine eigene Meinung bilden können und letztlich das nötige Selbstbewusstsein entwickeln, um sich – falls notwendig – von alten Strukturen lösen zu können. So haben sie die Chance, zu großen Persönlichkeiten heranzuwachsen.“

Experten nehmen Hof unter die Lupe

Hehre Worte, die letztlich aber tatsächlich auch im zuweilen stressigen Arbeitsalltag Bestand haben. Dies können nicht nur die beiden Azubis bestätigen, sondern auch die Experten des Landwirtschaftsministeriums. Sie haben das Ausbildungskonzept und die Betriebsabläufe auf dem Wiedemann-Hof genau unter die Lupe genommen. Am Montag verlieh schließlich Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber an Klaus Wiedemann den Staatsehrenpreis für einen „vorbildlichen Ausbildungsbetrieb“. Nur vier Betriebe in ganz Bayern durften die Ehrenplakette in Empfang nehmen.

Die Kandidaten sind laut Ministerium nach mehreren Kriterien ausgewählt worden: Neben dem hohen Engagement des Betriebs für die Auszubildenden haben die Juroren auf die individuelle Förderung, die regelmäßige Fortbildung der Ausbilder und Auszubildenden sowie auf Zusatzangebote besonderen Wert gelegt. Dass die Kriterien in Wintersreuth erfüllt werden, können Generationen von ehemaligen Lehrlingen bestätigen. „Ich stehe mit den meisten noch gut in Kontakt. Viele sind mittlerweile selbst Ausbilder“, sagt Klaus Wiedemann.

Faible für Kühe

Während Lisa Weinert bei den Wiedemanns ihr Faible für die Kühe ausleben kann und sich mittlerweile eigenverantwortlich um die Aufzucht der Kälber kümmert, ist Ralf Amann eher der Techniker, dem der Umgang mit Maschinen liegt. Der 19 Jahre alte Röslauer beendet demnächst das zweite praktische Lehrjahr und hat schon eine neue Stelle als Geselle auf einem Hof in Schleswig-Holstein in Aussicht. Lisa Weinert und Ralf Amann sind typisch für einen neuen Trend in der Landwirtschaft: Beide stammen nicht aus einem Hof und werden wahrscheinlich auch keinen eigenen aufbauen. Schon jetzt beschäftigen bundesweit fast 50 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe Angestellte, in der Region sind es weit weniger, geschätzt um die zehn Prozent.

Wie Klaus Wiedemann sagt, ist die Landwirte-Ausbildung derart vielfältig, dass sie längst nicht nur in der Beschäftigung auf einem Hof münden muss. „In Behörden werden Fachkräfte aus der Landwirtschaft ebenso benötigt wie in verwandten Branchen. Ich könnte mir den Ralf jederzeit auch als Baumaschinenführer vorstellen, so geschickt ist er mit dem Traktor unterwegs.“ Viele junge Leute studierten zudem nach der Lehre oder „bauten“ ihren Techniker. „Wichtig ist aber zunächst das Fundament, die Lehre. Danach stehen alle Wege offen.“

Seit sechs Jahren Bio-Hof

Vor sechs Jahren hat der Landwirt seinen Hof auf bio umgestellt und diese Entscheidung nie bereut. „Das war ein riesiger Einschnitt. Mir ist die nachhaltige Wirtschaftsweise wichtig, auch wenn sie aufwendiger ist.“ Mit seinem eigenen Beispiel verdeutlicht Wiedemann, wie sehr auch in der Landwirtschaft stets alles im Wandel ist. „Häufig ist unsere Branche sogar Vorreiter, so zum Beispiel beim Einsatz von GPS-Daten auf Wiesen und Ackern. Die Landtechnik ist komplex und häufig pure Hightech.“

So aufgeschlossen Wiedemann der Moderne gegenüber auch ist, bei einem Thema ist er bewusst konservativ: Seine Lehrlinge sind stets bestens im Familienbetrieb integriert (Lisa Weinert wohnt sogar auf dem Hof). „Wir treffen uns um 6.30 Uhr im Stall. Wenn wir mit der ersten Arbeit fertig sind, frühstücken wir gegen 8 Uhr gemeinsam und besprechen den Tag.“ Auch mittags sitzen Lehrlinge und Familie miteinander am Tisch. Wenn es regnet, kann aus dem halbstündigen Frühstück auch mal eine Stunde werden. „Die Zeit nutzen wir zum Führen der Berichtshefte oder ich gebe einen Einblick in die Verwaltungsarbeiten, auch das gehört zu unserem Beruf.“ Immer wieder nimmt sich der Landwirt Zeit, mit seinen Lehrlingen über die Politik zu diskutieren. Wie kein anderer Berufsstand stehen die Bauern immer wieder im Rampenlicht und kommen häufig nicht gut weg. Genau dies war ein Beweggrund für Lisa Weinert, in der Praxis zu erfahren, ob die Landwirte tatsächlich Tierquäler oder Naturvergifter sind, wie es immer mal wieder dargestellt wird. Fazit: „Ich erlebe hier das Gegenteil, den Kühen geht es bestens.“ Ein Anliegen, das bei Lehrling und Lehrherrn an erster Stelle steht. Wiedemann: „Mittlerweile macht Lisa Vorschläge für die Kälberaufzucht, und ihre Ideen setzen wir durchaus um. Genau so soll es sein.“ Dieser Ansicht waren offenbar auch die Experten des Landwirtschaftsministeriums und wählten den Wiedemann-Hof als vorbildlichen Ausbildungsbetrieb. Auf die Auszeichnung ist der Chef stolz. „So eine erhält man schließlich nicht alle Tage.“

Während Ralf Amann nach der Lehre eine Stelle auf einem Hof in Schleswig-Holstein annimmt – er zieht wegen und mit seiner Freundin in den hohen Norden –, wird Lisa Weinert ab August in Thüringen ihr zweites Lehrjahr verbringen. In der Branche ist es üblich, die Betriebsweise mehrerer Höfe kennenzulernen. „Dies ist gut so, die jungen Leute sollen die Welt sehen und sich ihr eigenes Bild machen“, sagt Klaus Wiedemann.

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