Vor dem Landgericht muss ein 30-Jähriger nach langer Drogendealerkarriere auf die letzte Chance hoffen Ein Gefangener des Rauschgifts

Von Manfred Scherer
Das meist aus Tchechien stammende Crystal Peed hat einen 30-Jährigen Bayreuther seit Jahren in Griff. Nun steht er zum wiederholten Male vor Gericht und muss auf seine vielleicht letzte Chance hoffen. Foto: Archiv, dpa Foto: red

Er war 14, als er zum ersten Mal vorm Richter stand. Er war 17, als er zum ersten Mal wieder aus dem Knast heraus kam. Nicht für lange. In den vergangenen 16 Jahren verbrachte der 30-Jährige Alex M. rund 14 Jahre hinter Gittern. Jetzt steht er wieder vorm Richter  – und muss auf seine vielleicht letzte Chance hoffen.

 
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Freiheit im üblichen Sinn ist für ihn ein Fremdwort. Für ihn bedeutet Freiheit: Berauscht sein mit allem, was betäubt. Alex M. ist eine kleine Berühmtheit in der „Kristall-Stadt“ Bayreuth. Gut möglich, dass der Begriff auf ihn zurückgeht: Als Deutscher mit Wurzeln in Kasachstan spricht er den englischen Begriff „Crystal Speed“ hart und eigentlich urdeutsch aus, eben: „Kristall“. Alex M. war vor gut zehn Jahren eine zentrale Figur in einem der ersten großen Prozesse um das gefährliche Rauschgift aus Tschechien. Das Metamphetamin, das aufgrund der Nähe Oberfrankens zu den Laboren im Böhmerwald in Tschechien mittlerweile zur Landplage geworden ist, war damals ein neues Phänomen und Alex M. war im Alter von 20 einer der ersten großen Dealer des „Kristall“. Im Mai 2006 bekam er vom Landgericht sieben Jahre Jugendstrafe aufgebrummt – er kam damals gut weg, denn er machte den Kronzeugen gegen viele Abnehmer und viele andere Dealer.

Heute wie damals heißt der Vorsitzende Richter der Strafkammer am Landgericht Michael Eckstein. Eckstein hat seither Dutzende derartige Fälle abgeurteilt und kann sich dennoch noch gut an Alex M. erinnern: „Ich habe damals wirklich gedacht, dass das irgendwie klappt mit ihnen.“ Damals, da war Alex M. zuversichtlich, ja vielleicht sogar ein bisschen geehrt von der Aufmerksamkeit, mit der die Rauschgiftfahnder der Kripo begegneten: Der Kronzeuge wurde gepflegt, solange die Prozesse um seine Connections liefen.

Der Ex-Kronzeuge wurde in kleineren Gefängnissen im Süden Bayerns, wo ihn keine ehemaligen Komplizen über den Weg kaufen konnten. Im Oktober 2011 wurde Alex M. aus dem Knast entlassen. Eine geplante erste Drogentherapie in Oberbayern war nach wenigen Tagen beendet – in seinem Patientenzimmer fand ein exzessives Besäufnis statt. Alex M. flog aus der Therapie, er kam zurück nach Bayreuth und in kürzester Zeit war er wieder im alten Milieu und wurde wieder rückfällig. Erst nahm er wenig „Kristall“, dann immer mehr: „Zum Schluss brauchte ich drei Gramm am Tag“, sagte er am Montag vor Gericht. Er gestand, dass mit dem Rückfall in die Sucht auch ein Rückfall in den Drogenhandel einherging – anders habe er seinen eminent hohen Eigenkonsum nicht finanzieren können.

Alex M. spielte Vabanque – und verlor: Am Aschermittwoch 2012 sollte er erneut zur Therapie und am Tag zuvor, am Faschingsdienstag, wollte er nochmals „richtig feiern“. Er übertrieb es: Morgens nahmen ihn Polizisten in einer Spielothek fest. Alex M. war völlig zugedröhnt. In seiner Unterhose hatte er sieben kleinere Verkaufspäckchen mit Crystal darin. Bei der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung beschlagnahmte die Drogenfahndung weitere 30 Gramm des Rauschgifts – und zwar in sehr reiner Form.

Nun hat Alex M. Angst. Ein Psychiater hat ihm attestiert, dass seine Hand zu Drogen so extrem, seine Sucht so groß ist, dass eine Therapie kaum Erfolgsaussichten hat. Ein anderer Gutachter empfiehlt dagegen eines solche Therapie. Nun wird es im Prozess darum gehen, den ersten Gutachter noch einmal davon zu überzeugen, eine Therapie vielleicht doch noch zuversuchen.

Wie schwer das ist, zeigt sich an der Drogenkarriere des Angeklagten: Im Alter von sechs rauchte er seinen ersten Joint. Inklusive Heroin und Kokain hat Alex M. nahezu jedes Rauschgift zu sich genommen, das er in die Finger bekam. Ein Mensch im Würgegriff der Drogen, ein Gefangener des Rauschgifts. Freiheit ist für Alex M. in der Tat ein Fremdwort.

Der Prozess gegen den 30-Jährigen wird heute fortgesetzt.

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