Vielleicht doch eine heilige Kunst

Von Frank Piontek
Eine heilige Kunst: Der Orchesterverein in der Stadtkirche. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Eine schöne Bescherung, findet unser Rezensent und meint es ganz ernst: Das Weihnachtskonzert des Orchestervereins erlebte er als wunderbaren Abend. Und fand bloß noch wenig für den wirklichen Heiligen Abend zu wünschen übrig.

 
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Was verbindet den Satz eines Orgelkonzerts von Antonio Salieri mit einer Romanze von Johan Svendsen, einen langsamen Satz eines Flötenkonzerts Carl Reineckes mit Bachs „Jesus bleibet meine Freude“ und dem Vorspiel zu Saint-Saens’ Weihnachtsoratorium? Genau – der Orchesterverein. Nun könnte der Kritiker aber auch weniger profan argumentieren und dem unter dem Titel eines „Weihnachtskonzerts“ angetretenen Konzertverein ein verbindendes geistig-geistliches Element attestieren, das im besten Fall zum höheren Sinn von „Weihnachten“ tendiert – denn abgesehen davon, dass Musik, wie es in Strauss’ und Hofmannsthals genialster Oper heißt, vielleicht doch eine „heilige Kunst“ ist, scheint jede gute Musik ein Teil der „wîhen naht“ zu sein. „Heilige Nächte“, nicht mehr und nicht weniger bedeutet ja das Wort im Ursprung, und wird am Abend, zur Nacht hin also, gute Musik gespielt, so ist sie automatisch mehr als nur profan.

Gelungene Dramaturgie

Wer aber genauer hinhörte und die Herkunft manchen Stücks genauer unter die Lupe nahm, stellte bald fest, dass der Orchesterleiter Uwe Reinhardt vielleicht dramaturgisch überlegter an das alljährliche Adventsprogramm heranging, als es der Blick auf die bloßen Titel suggeriert. Natürlich ist Saint-Saens’ Prélude seines Oratoriums schönste, wiegende Weihnachtsmusik, und natürlich ist der notorische Kirchenschlager „Jesus bleibet meine Freude“ – hier in der Besetzung von Horn und Orgel – ein Stück aus einer Adventskantate.

Der Rest ist Imagination: das unkomplizierte C-Dur-Allegro aus Salieris Orgelkonzert ist schon deshalb ein Weihnachtswunder, weil der Wiener Komponist in Bayreuth ein extrem seltener Gast ist. Und weil die Musik mit dem Orchester und dem hurtigen Organisten Richard Lah denkbar frohlockt.

Man kann nicht alles haben

Dvoraks zweite Legende aus op. 59 erinnert liedhaft an Otfried Preußlers wunderbare Flucht der Heiligen Familie ins Böhmische, und Carl Reineckes in jedem Sinne seltene Flötenkonzert op. 283 klingt wie die Musik zu einem schwedischen Winterfilm. Frostiges Abenddämmern, das von Uwe Ströle ganz sensitiv gesungen wird. Dass der Verein hier gänzlich rund, ja: „klingt“, liegt freilich auch am Nachhall der Stadtkirche, die den Musikern weihnachtlich milde entgegenkommt. Wenn der Konzertmeister Richard Hubert des Wagnerfreundes und Bayreuthbesuchers Svendsens Romanze spielt, fällt einem nur noch die Alliteration „Romantische Romanze“ ein.

Vielleicht hätte der Abschluss des Konzerts noch etwas stimmiger sein können, denn Max Bruchs Schottische Tänze klangen an diesem Abend weniger schwedisch als, siehe oben, Reinekes Lento. Aber man kann bekanntlich nicht alles haben; für den Rest der Wunscherfüllung muss, alle Jahre wieder, jener Herr sorgen, den die Gemeinde mit „Macht hoch die Tür“ zusammen mit dem Orchester besang.

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