Viel Spannung, viele Gefühle

Von Anne Müller
Das Turkmenische Kammerorchester am Werk. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Vorsicht – Leidenschaft! Bis zum vergangenen Jahr war mit diesen zwei Wörtern die Website-Adresse des Festivals Junger Künstler Bayreuth benannt. Heuer war dieses Motto nicht nur hör- oder lesbar, sondern auch spürbar. Das Turkmenische Kammerorchester unter der Leitung von Rasul Klychev gastierte in der Bayreuther Stadtkirche und verblüffte die Konzertbesucher mit seinem spannungsgeladenen und hoch emotionalen Spiel.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Die jungen Streicher studieren alle am Konservatorium in Asgabat, der Hauptstadt von Turkmenistan, und sie trugen für die Konzerte in Deutschland ihre dunkelroten Nationaltrachten mit der typischen Tahya-Kopfbedeckung. Der 28-jährige Rasul Klychev, der weitaus jünger wirkte, ließ vom ersten Einsatz an die Konzentration nicht abreißen und bewegte sich, genau wie seine Musiker, immer mit der Musik mit. Stellenweise, besonders bei Pianissimo-Passagen, war die Spannung zwischen Klychevs Händen und den Bögen der Streicher fast sichtbar. Rasul Klychev dirigierte das gesamte Konzert auswendig, forderte von seinem Orchester vollen Einsatz – und bekam ihn.

Die turkmenischen Musiker hatten ein facettenreiches Konzertrepertoire vorbereitet, das nicht nur klassische Orchesterwerke wie das Concerto a 5 in d-moll von Tomaso Albinoni oder die Elegischen Melodien von Edvard Grieg beinhaltete, sondern auch turkmenische Kompositionen und virtuose Solostücke für Violine und Klarinette. Samir Rizayev, der Konzertmeister des Kammerorchesters erzählte während der Teufelstriller-Sonate nicht nur mit seiner Violine, sondern auch mit seiner ausdrucksstarken Mimik. Er spielte auswendig, mit geschlossenen Augen, sein Mienenspiel allein erzählte Geschichten. Die Spannung in seinem Gesicht löste sich nach dem Schlusston, um einer Mischung aus Erleichterung und Freude Platz zu machen.

Eine eigene Art des Schlusstons

Ovezov Yusup, der Solo-Klarinettist des Orchesters, zeigte mit dem ersten Satz aus Carl Maria von Webers Klarinettenquintett op. 34 und dem „Schmetterling“ von Aleksandr Ilyinsky sein Können. Besonders die flatternde Leichtigkeit eines Schmetterlings zeichnete Yusup mit seinen Läufen ausgezeichnet nach. Das Orchester bildete sowohl für die Solo-Violine als auch für die Solo-Klarinette einen wunderbar verlässlichen Unterbau, auf dem sich die Solisten sicher fühlen und ausleben konnten.

Rasul Klychevs Markenzeichen, wenn man so will, könnte seine Artsein, Schlusstöne zu dirigieren. Den Schlussakkord des „Schmetterlings“ ließ er förmlich in den Altarraum der Stadtkirche davonschweben, und die Schlusstöne von „Green Ways“ des turkmenischen Komponisten Bayram Hudaynazarov, der „St. Paul’s Suite“ von Gustav Holst und des „Adios Nonino“ von Astor Piazzolla setzte er nach einer kleine, aber sehr bewussten Zäsur. Dass ein Orchester diese Töne so exakt bringt, liegt natürlich am Training, am Zusammenspiel. Der Dirigent aber verhilft dem Moment mit seiner deutlichen Körpersprache zur Existenz. Der minutenlange Beifall war verdient, für ein Konzert ohne Durchhänger; Spannung, Konzentration und den Erzählfluss der Musik hielten die jungen Musiker durch. Mit Karl Jenkins „Palladio“ schlossen die Turkmenen Musiker ihre Zeit in Bayreuth ab – nun geht es wieder nach Hause, ans kaspische Meer.

Bilder