Verunglückter und seine Lebensretterin treffen sich nach einem halben Jahr wieder Herzstillstand bei Fußballturnier in Hollfeld: Ersthelfer retten ein Leben

Von Moritz Kircher
Dem Einsatz von Josefine Hopisch und einem mobilen Defibrillator hat Sven Naumann (links) sein Leben zu verdanken. Der Notfallmediziner Stefan Eigl (Mitte) setzt sich für eine bessere Schulung von Ersthelfern und für mehr solcher Geräte im öffentlichen Raum ein. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Sven Naumann und Josefine Hopisch trafen sich am Montag vor dem Heinersreuther Rathaus zum zweiten Mal in ihrem Leben. Er kann sich an das erste Mal nicht erinnern. Am 24. Januar war der 43-Jährige in der Hollfelder Sporthalle mit einem plötzlichen Herzstillstand zusammengebrochen. Hopisch hat ihm das Leben gerettet.

 
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Die beiden sind ins Rathaus gekommen, um anschaulich zu machen, wie wichtig Erste Hilfe ist. Vor ihnen im Sitzungssaal: eine Gruppe Verwaltungsmitarbeiter, die im Umgang mit einem Defibrillator geschult werden. Das Datum 24. Januar 2015 wird Naumann nicht mehr vergessen. „Aber von dem Tag selbst weiß ich nicht mehr viel“, sagt er. Er war mit den Alten Herren des SV Heinersreuth zum Fußballturnier nach Hollfeld gefahren. Nach seinem Zusammenbruch in der Halle der Gesamtschule wachte der Altenploser fünf Tage später im Bayreuther Klinikum aus dem künstlichen Koma wieder auf.

"Als sie nach einem Beatmungsbeutel gefragt haben, wusste ich, dass es was Ernstes sein muss“

Dass er überhaupt eine Chance hatte, ins Leben zurückzukehren, hat er Josefine Hopisch zu verdanken. Die 22-Jährige aus Fernreuth trainierte an diesem Tag mit ihrer Mutter und einer Gruppe Kinder in der Schwimmhalle der Gesamtschule für einen Wettkampf der Wasserwacht, als Leute aus der Sporthalle hilfesuchend zu ihr kamen. „Als sie nach einem Beatmungsbeutel gefragt haben, wusste ich, dass es was Ernstes sein muss“, sagt sie.

Sie fand den kollabierten, sterbenden Mann auf dem Fußboden in der Toilette. Aus einer Platzwunde am Kopf quoll Blut. Aber das war nicht das eigentliche Problem, das erkannte Josefine Hopisch sofort. Das Gesicht des Mannes war bereits tiefblau angelaufen. Die 22-Jährige, ihre Mutter und eine Krankenschwester, die dazu kam, wechselten sich bei der Herzdruckmassage ab, bis die Rettungskräfte eintrafen. Vor Ort gibt es auch einen Defibrillator, den sie einsetzten, um den Kreislauf von Sven Naumann wieder in Gang zu bringen.

Nur neun Prozent der Betroffenen überleben einen plötzlichen Herzstillstand

Sie hätten alles richtig gemacht, sagt der Notfallmediziner Stefan Eigl, der die Schulung im Heinersreuther Rathaus durchführt. „In Deutschland sterben jährlich 100 000 Menschen am plötzlichen Herztod.“ Nur neun Prozent derer, die einen Herzstillstand erleiden, überleben. Sven Naumann ist einer der wenigen, die Glück im Unglück hatten – weil Josefine Hopisch wusste, was zu tun ist.

Eigl wird nicht müde, für eine bessere Schulung von Ersthelfern und für mehr Defibrillatoren im öffentlichen Raum zu werben. Unzählige Male war er schon bei Notfällen im Einsatz, hat positive und negative Beispiele erlebt. Der Arzt sagt: „Bei besserer Laienhilfe könnte man die Überlebensquote sicher auf 20 Prozent erhöhen.“

Nach drei bis fünf Minuten ohne Sauerstoff ist das Gehirn geschädigt

In Deutschland dauere es im Schnitt acht Minuten, bis Rettungskräfte eintreffen. „Das ist ein guter Wert“, sagt Eigl. Doch bereits nach drei bis fünf Minuten sei bei einem Kreislaufstillstand mit irreparabelen Schäden am Gehirn zu rechnen – wenn niemand eine Herzdruckmassage macht. Einen Handballen auf die Mitte des Brustkorbes, die andere Hand darüber und dann senkrecht von oben: „Drücken, drücken, drücken“, sagt Eigl. Bis die Rettungskräfte da sind. Das hat auch Sven Naumann das Leben gerettet.

Einen Hirnschaden konnten die Ärzte bei ihm zunächst nicht ausschließen, als er tagelang im künstlichen Koma lag. Sein Körper war um mehrere Grad heruntergekühlt, um diese Gefahr zu mindern. Niemand habe vorhersagen können, in welchem geistigen Zustand er erwachen würde. „Was da die Familie mitmacht“, sagt er heute. Vor allem seine beiden Kinder hätten Schlimmes durchgemacht.

Auch das Leben der Lebensretterin hat sich durch den Vorfall verändert

Doch dann erholte sich der Altenploser relativ schnell. Wenige Wochen nachdem ihn die Ärzte aus dem Koma aufweckten, unternahm er schon wieder kleine Spaziergänge. „Ich war nach wenigen Schritten fix und fertig“, sagt er. Heute sieht man ihm nicht mehr an, dass er noch vor einem halben Jahr um sein Leben gekämpft hat - und diesen Kampf mit der Hilfe von Josefine Hopisch gewann. Dafür ist er seinen Rettern „unendlich dankbar“.

Das Leben der jungen Fernreutherin hat sich durch den Vorfall verändert. Damals war sie noch Bürokauffrau. Bei der Wasserwacht war sie seit 13 Jahren ehrenamtlich aktiv. Das Erlebnis in der Hollfelder Sporthalle hat sie so beeindruckt, dass sie beschloss, ihr Ehrenamt zum Beruf zu machen. Vor kurzem hat Josefine Hopisch eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin abgeschlossen. Die Lebensretterin sagt: „Es ist etwas anderes, ihn hier lebend sitzen zu sehen, als vor einem Stapel Papier zu hocken.“

Wie leiste ich richtig Erste Hilfe? Informationen dazu gibt es auf der Internetseite www.einlebenretten.de.

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