Ansteuern gegen den Fachkräftemangel
Da könne es den Job deutlich attraktiver machen, wenn ein Kapitän nach acht Stunden in der Fernsteuerzentrale das Ruder an den Kollegen übergeben und nach Hause gehen kann. Darauf hoffen auch die an dem Seafar-Projekt beteiligten Reedereien. "Der Fachkräftemangel ist mit unseren bisherigen Mitteln nicht mehr zu bewerkstelligen", ist Reederei-Geschäftsführer Martin Deymann überzeugt.
Dass die Fernsteuerung von Schiffen die ganze Branche umkrempeln könnte, glaubt Verbandsgeschäftsführer Schwanen aber nicht. 80 Prozent der Güterschiffe in Deutschland gehörten sogenannten Partikulieren - also Einzelunternehmern, die an Bord ihres eigenen Schiffes leben und es selbst steuern. "Ich habe noch keinen Partikulier getroffen, der es für eine tolle Idee hält, sein Schiff von einem Dritten fernsteuernd durch die Landschaft fahren zu lassen", sagt Schwanen.
Der Fokus der Forschung geht ohnehin schon ein paar Schritte weiter. Perspektivisch sollen Schiffe immer autonomer werden. Das beginnt mit einem Autopiloten, der ein Schiff über eine vorgegebene Fahrspur steuert, und geht über Kollisionswarnsysteme bis hin zu komplett autonom fahrenden Schiffen.
In Kanälen, in denen es keine Strömung und konstante Wassertiefen gebe, funktioniere das schon ganz gut, sagt Henn. Aber der für die Logistik besonders wichtige Rhein mit seinen Strömungen und wechselnden Wasserverhältnissen stellt ganz andere Anforderungen.
Man hört den Wind nicht mehr ums Steuerhaus pfeifen
Trotzdem könnte es bei autonomen Schiffen sogar schnellere Fortschritte geben als etwa bei autonomen Autos. "Im Straßenverkehr muss das System in Millisekunden reagieren, in der Binnenschifffahrt haben wir immerhin einige Sekunden Zeit", sagt der Wissenschaftler. Außerdem gebe es auf einem Fluss nicht so viele unvorhersehbare Ereignisse wie etwa in einer stark belebten Innenstadt.
Viel wäre schon gewonnen, wenn ein Kapitän nur in besonders schwierigen Situationen etwa in einer Schleuse selbst steuern müsste - und danach wieder an den Computer übergeben könne. So wäre es möglich, dass das Schiff rund um die Uhr fährt, selbst wenn der Kapitän seine vorgeschriebenen Ruhezeiten einhalten muss und es keine zweite Mannschaft gibt.
Weil das aber noch Zukunftsmusik bleibt, ist die Fernsteuerung seiner Schiffe für Reeder Deymann schon ein Meilenstein. Nur eines vermisst der gelernte Binnenschiffer in der Fernsteuer-Zentrale: "Man hört den Wind nicht ums Steuerhaus pfeifen, man spürt die Vibration nicht", sagt er. "Es ist nicht das Gefühl wie an Bord."