Wie berichtet, hatte Ali A. vor einer Woche seinen Verteidiger Shervin Ameri erklären lassen, Nina U. beschuldige ihn zu Unrecht einer Vergewaltigung. Die junge Slowakin, eine Discobekanntschaft, sei vielmehr die treibende Kraft bei dem Geschlechtsverkehr gewesen und habe von ihm Drogen gewollt. Ali A. sagte, der Analverkehr mit der jungen Frau sei mit Kondom erfolgt und einvernehmlich gewesen.
Nina U. bestätigte beim Ermittlungsrichter: Ja, sie habe sich versprochen, von Ali A. Kokain zu bekommen: Einer aus der Männerclique um Ali A. habe ihr bedeutet, dass sie von dem Angeklagten Rauschgift bekommen könne: „Ich wollte für die Drogen bezahlen, aber mit Sicherheit nicht mit Sex.“ Nina U., die in Bayreuth in einer Wohngemeinschaft wohnt, berichtete, sie sei am Abend des 26. Januar stark betrunken gewesen, habe schon vor dem Ausgehen – Ziel war die Diskothek Fabrik – Wodka getrunken.
Möglicherweise war dies ein Grund, warum Nina U. ihren Mantel in der Diskothek vergaß, als sie mit Ali A. in Richtung Kreuz mitging, leicht bekleidet mit Strumpfhose, Minirock und Shirt. In der Wohnung des Angeklagten trank Nina U. „Berliner Luft“, einen Likör, der nach Pfefferminze schmeckt. „Ich habe gewartet, dass er mir die Drogen gibt. Er hat sich mir genähert. Ich habe gesagt, ich werde für Drogen nicht mit meinem Körper bezahlen, ich habe ihn weggedrückt und ,no‘ gesagt. Er hat weitergemacht. Ich habe aufgegeben. Ich habe meine Strumpfhose ausgezogen.“
Dieser letzte Satz, das merkt man am Video, ließ damals den Ermittlungsrichter stutzen, er fragt nach: „Warum?“ Die Antwort: „Ich weiß es nicht.“ Nina U. berichtet weiter, dass die Türen der Wohnung versperrt gewesen seien und dann doch – wie, weiß sie nicht – zwei Männer ins Zimmer gekommen seien. Einer der beiden habe versucht, sie anzufassen – mit diesem Mann habe sie sich dann geprügelt. Danach kam ein vierter Mann – ihr Retter, der sie aus der Wohnung holte und zuvor Ali A., seinem „Bruder“, ein blaues Auge schlug. Dieser „Retter“ wurde im Anschluss an den Vorfall in den sozialen Medien gefeiert – heute soll er als Zeuge aussagen.
Der zweite Prozesstag war eisig – über zwei Drittel der Verhandlung waren Corona-bedingt im Schwurgerichtssaal die Fenster offen. Im Gegensatz zum ersten Prozesstag, wo die beiden Verteidiger recht nahe beieinandersaßen, trennte nun eine Plexiglasscheibe die Anwälte. Zunächst hatte eine Gynäkologin des Klinikums über die Untersuchung von Nina U. ausgesagt: Morgens um 5.20 Uhr sei eine Patientin gekommen, die „völlig außer Rand und Band“ und stark betrunken gewesen sei und deren größtes Problem ihr abhandengekommenes Handy und Schlüssel gewesen sei. Die Ärztin erklärte, sie habe am Körper der Frau keine blutenden Einrisse gefunden, wie man sie bei gewaltsamer analer Penetration erwarte.
Dem widersprach der Gerichtsmediziner Professor Peter Betz: Das Fehlen solcher Verletzungen sage nichts über Freiwilligkeit oder Zwang. Betz’ Mitarbeiter fanden bei der körperlichen Untersuchung von Nina U., Ali A. und des Mannes, mit dem Nina U. sich geprügelt haben will, Kratzer und andere Spuren, die mit dem angenommenen Geschehen „kompatibel“ seien.
Die Verteidiger Shervin Ameri und Volker Beermann wiesen auf ein Detail hin: Ein vermeintliches Vergewaltigungsopfer, das seine Strumpfhose, das „umständlichste“ Kleidungsstück überhaupt, auszieht? Unglaublich finden das die Anwälte.
Damit wird klar: Ohne die persönliche Aussage von Nina U. wird es in diesem Prozess nicht gehen. Der Strafkammervorsitzende Bernhard Heim hat als möglichen Erscheinungstermin der Zeugin den 14. Dezember genannt.