Die Mathematik der Vorwahlen
Wer in den USA Präsidentschaftskandidat werden will, muss sich zunächst in parteiinternen Vorwahlen durchsetzen. Das Abstimmungsverfahren der Vorwahlen ist komplex und von Staat zu Staat unterschiedlich. Die beiden großen Parteien stimmen dabei jeweils über die Delegierten ab, die auf den Nominierungsparteitagen im Sommer dann ihren Kandidaten für das Weiße Haus küren. Der Nominierungsparteitag der Republikaner findet Mitte Juli in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin statt. Dort treffen sich 2429 Delegierte. Um zu gewinnen, muss ein Kandidat mindestens 1215 Delegierte hinter sich versammeln.
Trump hatte bei den Vorwahlen in den vergangenen Wochen und Tagen bereits 244 Delegierte für sich gewonnen, Haley dagegen nur 24. Die Stimmen werden mitunter proportional zum Abstimmungsergebnis vergeben, daher konnte Haley bereits einige Stimmen sammeln, ohne eine einzelne Vorwahl zu gewinnen. Im Hauptstadtdistrikt Washington waren lediglich 19 Delegiertenstimmen zu vergeben - Haley kommt damit nun auf 43. Das Kräfteverhältnis in dem Duell verändert sich durch den Sieg also nicht wesentlich.
Der Kampf um die Deutungshoheit
Für Trump ist es aber zumindest ein Ärgernis, dass er in der Vorwahlserie nicht mehr ungeschlagen ist. Entsprechend pampig reagierte er auf Haleys Sieg. Auf der von ihm mitbegründeten Plattform Truth Social schrieb der Ex-Präsident, er habe sich "absichtlich von der Wahl in Washington ferngehalten, weil es der 'Sumpf' ist, mit sehr wenigen Delegierten und keinen Vorteilen". Haley, die er als "Spatzenhirn" beschimpfte, habe dagegen ihre ganze Zeit, ihr Geld und ihre Bemühungen auf die Abstimmung dort verwendet.
Er selbst habe stattdessen erst am Wochenende mehrere andere Vorwahlen gewonnen, schrieb Trump weiter und sprach von einer "kompletten Zerstörung eines sehr schwachen Gegners". Trumps Wahlkampfteam tat Haleys Erfolg als Zeichen dafür ab, dass sie lediglich beim Establishment in der Hauptstadt punkten könne, nicht aber bei den Normalbürgern.
Haleys Team dagegen sprach von einem historischen Ergebnis: Noch nie zuvor habe bei den US-Republikanern eine Frau eine Präsidentschaftsvorwahl gewonnen. Die 52-Jährige bedankte sich auf der Plattform X bei ihren Unterstützern aus Washington und schrieb: "Die Republikaner, die der Dysfunktion in Washington am nächsten stehen, wissen, dass Donald Trump in den letzten acht Jahren nichts als Chaos und Spaltung gebracht hat."
Eine Frage der Zeit
Der 77-Jährige hat trotz diverser Skandale, Eskapaden und einer chaotischen Amtszeit als Präsident großen Rückhalt in der Parteibasis. Auch große juristische Probleme im Wahljahr - vier Anklagen in Strafverfahren und empfindliche Schadenersatzzahlungen in zwei Zivilverfahren - haben Trump bislang politisch nicht geschadet.
Offen ist, wie lange Haley noch im Rennen bleiben wird, da ihr faktisch keine Chancen mehr eingeräumt werden, Trump zu schlagen. Selbst in ihrem Heimatstaat South Carolina, wo Haley einst Gouverneurin war, hatte Trump Ende Februar mit großem Abstand gesiegt.
Unterstützer des Ex-Präsidenten appellieren schon seit Wochen an die 52-Jährige, aufzugeben und ihre Wahlkampagne zu beenden. Haley hat bislang jedoch betont, sie werde mindestens bis zum "Super Tuesday" dabei bleiben: Dies ist der nächste große Meilenstein im Wahljahr an diesem Dienstag, wenn parallel in mehr als einem Dutzend Bundesstaaten abgestimmt wird. Auf einen Schlag werden dabei insgesamt mehr als ein Drittel aller Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag der Republikaner vergeben. Umfragen sagen in den "Super Tuesday"-Staaten einen Sieg nach dem anderen für Trump voraus. Es könnte durchaus sein, dass Haley danach hinwirft.
Die eigentliche Präsidentenwahl steht schließlich am 5. November an. Für die Demokraten möchte der Amtsinhaber Joe Biden ein weiteres Mal Amtszeit kandidieren. Er hat in dem internen Rennen seiner Partei keine ernstzunehmende Konkurrenz. Derzeit deutet also alles darauf hin, dass am Ende erneut Biden und Trump gegeneinander antreten dürften.