Umfrage: Das Kreuz mit dem Kreuz

Von
Pfarrer Wolfgang Oertel aus Untersteinach hat sich zum Kreuz, das womöglich bald im Flur des Rathauses hängt, seine Gedanken gemacht. Er sieht die Entscheidung des bayerischen Kabinetts differenziert. ⋌Foto: Klaus Rößner Foto: red

Am 1. Juni wird es ernst: In staatlichen Behörden soll künftig im Eingangsbereich ein Kreuz hängen. Kommunen, Landkreisen und Bezirken und den Universitäten bleibt es selbst überlassen, ob sie sich diesem Beschluss des Ministerrats anschließen. Empfohlen wird es.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Das Kreuz, sagte Ministerpräsident Markus Söder nach der Kabinettssitzung, sei ein grundlegendes Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländischer Prägung, nicht ein Zeichen einer Religion.

Die jüngste Änderung der allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats stößt auf höchst unterschiedliche Reaktionen. Landtagsvizepräsidentin Inge Aures ist alles andere als amüsiert über diesen Beschluss. „Selbst die Pfarrer regen sich darüber auf“, sagt sie und ärgert sich besonders darüber, dass das Thema mit dem Kreuz in Amtsstuben ausgerechnet vor den Landtagswahlen platziert wird. „Die Menschen in Bayern wissen mit ihrem Glauben selbst etwas anzufangen. Da brauchen sie keine Belehrung durch die Obrigkeit“, macht die SPD-Kreisvorsitzende ihrem Ärger Luft.

Leser-Umfrage

 
Dies ist eine nicht repräsentative Umfrage.

Dagmar Kreis-Lechner, Kreisvorsitzende der Grünen in Kulmbach, sieht die Sache gelassener. Was die Kommunalpolitikerin aber dennoch ärgert, ist die Tatsache, dass dieser Erlass als eine Art Feigenblatt genutzt wird. „Das ist der Versuch, in Richtung konservativ und rechts die Leute wieder einzufangen. Mir wäre es lieb, die CSU würde sich auf wirklich christliche Werte besinnen, statt auf eine Symbolik, die mit dem richtigen Leben nichts zu tun hat.“

Thomas Nagel, Stadt- und Kreisrat in Kulmbach und Bezirksvorsitzender der FDP, hat für den Beschluss kein Verständnis: „Ich finde das überflüssig. Außerdem sind Glaube und Politik aus guten Grund zu trennen. Für uns ist das Grundgesetz wichtig, das jedem garantiert, nach seinem Glauben leben zu können. Auch bei dem Thema Zuwanderung gilt ja das Grundgesetz und nicht die Bibel.“ Dass jetzt Kreuze auch die Eingangshallen der Behörden einziehen sollen hält Thomas Nagel für „völlig falsch und überflüssig.“

"Christen brauchen sich nicht verstecken"

Christian Schmidt ist Pfarrer in Kirchleus und Klinik-Seelsorger am Kulmbacher Klinikum. Er sagt spontan: „Ich finde das gut, dass Söder da mal klare Kante zeigt, auch wenn er belächelt wird. Wir brauchen uns als Christen nicht verstecken.“ Das Evangelium, betont Schmidt, sei eine frohe Botschaft. „Das darf sichtbar gemacht werden. Wir dürfen den Mut haben, zu unserem Glauben zu stehen.“

Georg Hock aus Kulmbach ist Mitglied im Landesvorstand der AfD. Er hat bestimmte Vermutungen, die in Richtung Wahlkampf-Manöver gehen: „Schauen wir mal, wie lange die Kruzifixe hängen. Vielleicht sind sie nach der Landtagswahl dann wieder weg.“ Das Kreuz an sich störe ihn nicht. „Dass das jetzt aber zur Regel gemacht werden soll, halte ich für problematisch.“

Ein Zeichen setzen

Jörg Kunstmann ist CSU-Stadtrat in Kulmbach und Stellvertreter des Landrats. Er meint, er habe sich noch keine abschließende Meinung gebildet, es sei grundsätzlich gut, ein Zeichen zu setzen und damit auf die christliche Kultur hinzuweisen. Die vielen sehr kritischen Reaktionen hält Jörg Kunstmann für „völlig überzogen“. Es gehe nicht darum, Staat und Kirche zusammenzuführen oder jemanden auszugrenzen. „Es geht darum, ein Zeichen zu setzen, auf welcher Wertebasis wir hier leben.“

Der Untersteinacher Pfarrer Wolfgang Oertel sieht die Sache differenziert. Aus rechtlicher Warte sei die Angelegenheit unstrittig, meint Oertel. Der Europäische Gerichtshof habe im Jahr 2011 entschieden, dass die Anbringung von Kreuzen in öffentlichen Gebäuden statthaft sei.

"Kreuz nicht als Provokation verstehen"

Bei der gesellschaftlichen Diskussion des Vorgangs müsse man aufpassen, dass das Kreuz nicht instrumentalisiert werde oder Gruppen aus der Bevölkerung ausgeschlossen werden. „Man muss damit sehr sensibel vorgehen. Das Kreuz darf nicht als Provokation verstanden werden.“ Aus theologischer Warte sei festzustellen, dass das Kreuz als Symbol sehr viel ausdrücke: Den Glauben an denjenigen, der Liebe gepredigt und Vergebung selbst in schlimmster Not gefordert habe. Es stehe für Humanität, Nächstenliebe und Menschenwürde. Das Kreuz, sagt der Untersteinacher Pfarrer, könne nicht nur ein Symbol persönlichen Glaubens sein, sondern es stehe auch für den Werte-Kodex des christlich geprägten Abendlandes.

Autor

Bilder