Zwei Angriffe treffen Odessa binnen weniger Stunden
Absolute Sicherheit kann es nicht geben. Auch bei Luftalarm gehen viele Menschen ungehindert ihren Alltagsverrichtungen nach. Odessa ist eine quirlige Stadt geblieben - ohne Touristen zwar, aber mit Restaurants und Cafés, einem Wirtschaftsleben und einer mitunter auch hedonistisch wirkenden Ausgehkultur. Auf den Straßen stehen große Dieselgeneratoren und zahlreiche Apps warnen die Bevölkerung bei Luftalarm.
In der vergangenen Woche schafften es binnen 24 Stunden zwei russische Shahed-Drohnen durch den Abwehrschirm. Beide mit Sprengstoff beladenen Flugautomaten wurden nach Behördenangaben von der Flugabwehr getroffen. Eine Drohne stürzte auf ein Industriegebiet, eine vor dem eigentlichen Ziel auf ein Wohnhaus in einem dicht und niedrig bebauten Stadtteil. Die Explosion riss Wände weg.
In den verkohlten Trümmern wurde die Leiche eines alten Mannes gefunden. Seine Frau - so schildern es Anwohner - musste aus den Trümmern schwer verletzt geborgen werden. Nach Behördenangaben starb sie am Sonntag in einem Krankenhaus. Damit sind bei den zwei Angriffen fünf Menschen getötet worden.
Eine Nachbarin hatte sich nach eigener Aussage beim Luftalarm in der Küche, dem ihr am sichersten erscheinenden Raum, hinter eine Wand gestellt. "Die Explosion kam für mich unerwartet. Draußen brannte alles", sagt sie. "Die Tochter der Nachbarn robbte raus. Sie hatte Brandverletzungen und schrie."
Feuerwehr, Militär und Rettungskräfte haben Zusammenarbeit ausgebaut
Wenn die Stadt Treffer abbekommt, sind Feuerwehr und Rettungsdienste am Zug. Die Männer und Frauen gehen schon in Bereitschaft, wenn Luftalarm ist. Dass sie Vorschriften folgend auch in Schutzräume gehen und auf Entwarnung warten, habe sich nicht bewährt, heißt es in der Feuerwache 7 im Stadtzentrum von Odessa. Dort tun 130 Männer und Frauen von insgesamt 2000 hauptberuflichen Feuerwehrleuten im Gebiet Odessa ihren Dienst. Neben den Löschtrupps sind darunter auch Minenräumer, Taucher, Chemiekalienbekämpfer und Einsatzpsychologen. Motto der Feuerwehr ist: "Helden ohne Waffen."
Mit dem Krieg habe sich in den Einsätzen eine neue Lage ergeben, nicht nur, weil Feuerwehrleute zur Unterstützung ihrer Kollegen in die frontnahen Gebiete rotieren, sagt Pressesprecherin Maryna Awerina. Auch in Odessa habe sich die Gefahrenlage geändert. "Das Risiko eines zweiten Angriffs ist groß", sagt sie. Dahinter steckt die Sorge, dass Rettungstrupps selbst unter Feuer geraten, was immer wieder passiert ist.
Feuer und Trümmerbergung gleichzeitig
Gewachsen sind aber auch das Ausmaß der Notfälle sowie die Zahl der Opfer. "Wir kannten Feuer und wir kannten Trümmer, aber die Verbindung von beiden ist eine Erschwernis, die wir vorher so nicht hatten", sagt der Chef der Feuerwache, Wolodymyr Kryschanowskyj, auf die Frage, wo er sich rückblickend besser vorbereiten würde.
Enger verzahnt sei jetzt die Zusammenarbeit mit der Polizei und den Sanitätern. Und gänzlich neu der Einsatz von Hundeführern zur Suche Verschütteter. Militärische und zivile Kräfte arbeiten in der Ukraine nah zusammen - nach einem Angriff sind sie alle in einem Rennen gegen die Zeit. In Deutschland wird eine solche gesamtstaatliche Verteidigung gerade erst wieder aufgebaut.