Beispielsweise stellte Franziskus schon im Mai 2022 die Frage, ob die Nato mit ihrer Osterweiterung durch "Kläffen vor den Toren Russlands" zum Kriegsbeginn beigetragen habe. Im vergangenen Sommer, nach vielen Kriegsverbrechen, fand er Grund zum Lob für das "große Russland", was in der Ukraine enorm schlecht ankam. Für Papst-Kritiker in Kiew und anderswo passen die neuen Äußerungen also ins Bild. In den Vermittlungsbemühungen des Vatikans - namentlich des Sonderbeauftragten für die Ukraine, Kardinal Matteo Zuppi - sehen sie keinen großen Sinn mehr.
"Ich bin Sünder und ich bin fehlbar"
Andere gehen mit Franziskus nicht so streng ins Gericht. Viele Vaticanisti - wie die professionellen Papst-Beobachter in Rom heißen - verweisen darauf, dass der Pontifex eben kein gelernter Diplomat sei, mit einer gewissen Eigenwilligkeit vieles anders mache als die Vorgänger und seinen Gedanken im Gespräch ganz gern freien Lauf lasse. Tatsächlich gibt Franziskus Interviews wie kaum ein Papst zuvor. Im Gespräch mit der "Zeit" sagte er vor Jahren auch: "Ich bin Sünder und ich bin fehlbar." Andere erinnern daran, dass er der gebürtige Argentinier den größten Teil seines Lebens weitab von Europa verbrachte und deshalb einen anderen Blick auf die Welt habe.
Hinter vorgehaltener Hand bringen manche auch sein Alter und die Gesundheit ins Spiel. Mit 87 Jahren ist Franziskus inzwischen der älteste Papst seit mehr als einem Jahrhundert. Zuletzt musste er - offiziell wegen einer langwierigen Erkältung - häufiger Termine absagen. Oft sitzt er im Rollstuhl, kürzlich war er wieder im Krankenhaus, manchmal ist er nur mit Mühe zu verstehen. Auf einer längeren Auslandsreise war er seit dem Sommer nicht mehr. Ob aus den Reisen für dieses Jahr - Belgien, Pazifik, seine Heimat Argentinien - etwas wird, ist ungewiss. In der Ukraine, auch eine mögliche Station, wäre er gerade wenig willkommen.
Ohnehin ist der Vatikan aktuell vor allem um Schadenbegrenzung bemüht. Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin - Nummer Zwei im Kirchenstaat - stellte in der Zeitung "Corriere della Sera" klar, gerechter und dauerhafter Frieden sei nur durch Anstrengungen beider Kriegsparteien möglich. Ob der Papst in der Generalaudienz an diesem Mittwoch selbst nochmals Stellung nehmen wird, dazu äußerte sich Parolin nicht. Aber wer, um Himmels willen, weiß das bei diesem Papst schon genau?