Überfall der "Totengräber" mit Tritt gegen Hals hat Anklage wegen versuchten Totschlags zur Folge Bayreuth: Rocker als Angeklagte vor dem Schwurgericht

Von Manfred Scherer
Norbert Prechtel auf einem Privatfoto kurz nach der Tat: An seinem Hals sind noch Spuren des Stiefeltritts zu sehen. Archivfoto: red Foto: red

Beinahe wäre der Name zum Programm geworden: Mitglieder der Rockergruppe "Grave Diggers" - zu deutsch: Totengräber - stehen ab 22. Juni wegen versuchten Totschlags vor dem Bayreuther Schwurgericht. Der zu verhandelnde Überfall auf den Motorradclub "Free Easy Riders Gold City" liegt fünf Jahre zurück.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wie der Bayreuther Gerichtssprecher Jochen Götz auf Anfrage erklärte, lautet die Anklage auf  versuchten Totschlag. Sechs Mitglieder der "Grave Diggers" sind angeklagt, am Abend des 10. September 2010 gemeinsam ein Opfer niedergemacht und mit Stiefeltritten verletzt zu haben. Das Opfer erlitt laut Anklage unter anderem einen Halswirbelbruch. Das Opfer ist Norbert Prechtel, der heute 51-jährige Präsident der Goldkronacher Motorradgruppe "Easy Riders Germany".

"Ich hatte Riesenglück, dass ich noch lebe"

Prechtel erklärte schon im März 2011 auf Kurier-Anfrage: "Ich hatte Riesenglück, dass ich noch lebe und nicht gelähmt bin." Kurz darauf wurde Prechtel an der Halswirbelsäule operiert, bekam eine Titanplatte eingesetzt. Bis zum März 2011 hatte Prechtel mit unerträglichen Schmerzen gelebt. Lange war der Bruch seines Halswirbels unentdeckt geblieben.

Ein Totenkopf-Abzeichen als Streitgegenstand?

Es war die Freude am Motorradfahren und womöglich die falsch verstandene Ehrauffassung des Motorradclubs der "Grave Diggers", die Prechtel beinahe zum Verhängnis wurden: Prechtels Motorradgruppe, im Gegensatz zu hierarchisch streng aufgebauten Motorradclubs eine eher "freie" Gruppe, nannte sich im September 2010 noch "Free Easy Riders Gold City" und verwendete damals ein gesticktes Abzeichen, das den Argwohn der "Grave Diggers" hervorgerufen haben könnte: Der Totenkopf mit blauer Schirmmütze soll laut Anklage auch der Grund gewesen sein, warum mehrere Rocker der Totengräber am 10. September 2010 in Goldkronach auftauchten, wo die "Free Easy Riders" ihren Stammtisch abhielten.

Die Anklage der Bayreuther Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das, was folgte, eine Strafaktion war: Norbert Prechtel wurde aus dem Vereinsheim gelockt, mit Pfefferspray außer Gefecht gesetzt und dann niedergemacht. Die Täter sollen damals ein abgerissenes Abzeichen als Trophäe mitgenommen haben.

Verfahren wurde vom Amtsrichter abgegeben

Die Ermittlungen in dem Fall zogen sich. Zunächst gab es gegen zwei Männer einen Verdacht wegen Körperverletzung und ein Verfahren vor dem Bayreuther Amtsgericht. Auch deshalb, weil Norbert Prechtels schwere Halswirbelverletzung wochenlang unentdeckt geblieben war. Noch während des im März laufenden Amtsgerichtsprozesses leitete die Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungen ein gegen weitere mögliche Täter ein: das Opfer selbst und andere Mitglieder des Goldkronacher Motorradclub hatten auf der Internetseite der "Grave Diggers" weitere mögliche Täter erkannt und benannt. Im März 2011 erklärte der damalige Leitende Oberstaatsanwalt Thomas Janovsky auf Kurier-Anfrage, dass Ermittlungen wegen eine versuchten Tötungsdeliktes geprüft würden. Der Amtsgerichtsprozess gegen zwei der Verdächtigen wurde nicht zu Ende geführt. Der zuständige Richter gab das Verfahren - auch vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse über die gebrochene Halswirbelsäule - an das Schwurgericht ab. Mit der Abgabe des Verfahrens ans Landgericht kam der Amtsrichter dem Antrag von Prechtels Anwalt Wolfgang Schwemmer nach. Der hatte argumentiert: Wer so zutritt, dass ein Halswirbel bricht, nimmt den Tod des Opfers billigend in Kauf. Norbert Prechtel leidet heute noch, wie er auf Anfrage sagt, unter den Folgen: Er sei zurzeit nicht arbeitsfähig, komme nur mit Schmerzmitteln über die Runden. Motorradfahren? Gerade mal "150 Kilometer dieses Jahr." Noch heute kann Norbert Prechtel es nicht glauben, dass die Ermittlungen sich so lange hingezogen haben.  

Täter mit Pfefferspay in den Augen erkannt?

Nun soll das Schwurgericht an sechs Verhandlungstagen im Juni Klarheit in die Vorfälle vom September 2010 bringen. Wie schwierig das werden könnte, zeigt ein Rückblick auf den ersten Prozess vor dem Amtsgericht: Schon damals hatte einer der Verteidiger infrage gestellt, dass das Opfer Angreifer habe wiedererkennen können: Mit Pfefferspray in den Augen sei das nicht möglich.

Die "Easy Riders" haben ihren Namen geändert

Die "Free Easy Riders" haben möglicherweise Konsequenzen aus dem Überfall gezogen: Der Motorradclub hat seinen Namen geändert. Auf der Website free-easyriders-goldcity.com wird erläutert, dass das "Goldcity" für Goldkronach aus dem Clubnamen entfernt wurde, da die Motorradclubs aus dem Landkreis Bayreuth "sich auf die Füße getreten fühlten". Man habe den Namen "aus Respekt abgeändert". Jetzt heißt die Gruppe "Motorradgruppe Easy Riders Germany". Vergessen wollen die "Easy Riders" den Überfall trotzdem nicht: Unter der Überschrift "Gerechtigkeit ab 22. Juni 2015 vor dem Schwurgericht Bayreuth" ist auf der Website ein Foto des Bayreuther Schwurgerichtssaals zu sehen und der Hinweis, dass in dem Gerichtssaal am 22. Juni die Verhandlungen gegen sechs "Members" der "Grave Diggers" beginnen. 

Bilder