(1) (meist abwertend) zur Provinz gehörend; für die Provinz charakteristisch; von geringem geistigem, kulturellem Niveau zeugend (Duden.de)

Dazu fällt mir als erstes ein, dass der Alltag in Berlin auch nicht unbedingt von einem hohen geistigen, kulturellen Niveau geprägt ist. Klar, es gibt mehr Kultur. Aber auch mehr Unkultur. Es gibt von allem mehr (außer von Wagner), aber es sind ja auch mehr Menschen. Dafür hat Berlin aber nicht einmal einen Stadtschreiber!

Einem Berliner steht die ganze kulturelle und geistige Vielfalt der Welt offen und zwar jeden Tag und bis spät in die Nacht, wenn in Bayreuth auch das Kanapee schon zusperrt. Das ist der Vorteil der Großstadt, diese Auswahl, dieses Nebeneinander von Kulturen. Und das ist vielleicht auch der Nachteil: Dass die meisten Berliner einmal eine Auswahl treffen und sie dann beibehalten, und dass es eben nur ein Nebeneinander der Kulturen ist.

Manchmal kommt mir Berlin wie eine Zusammenballung von Kleinstädten vor, deren Stadtgrenzen einander überlappen. In Berlin kann man sich einfach in die U-Bahn setzen und in die geistige, kulturelle Provinz seiner Wahl fahren, wenn man nicht sowieso schon dort wohnt. Man kann sich zum Beispiel ausschließlich unter Irgendwas-mit-Medien-Menschen bewegen, ohne je auf die Leute zu treffen, für die man doch angeblich Filme, Fernsehen, Facebook-Apps macht.

Ich greife jetzt zu kulinarischen Vergleichen: Die meisten Berliner schwimmen in ihrer eigenen Suppe und gucken kaum mal über den Tellerrand, und wenn doch, dann ist der gleich so hoch, dass man statt des Suppentellers, der direkt neben dem eigenen steht, nur die exotischen Töpfe am anderen Ende der Welt erkennen kann.

Bayreuth ist ja eher so Soljanka. Alles rein in einen Topf, was grad zur Hand ist. In Bayreuther Kneipen oder Cafés beispielsweise kommt mir das Publikum weniger homogen vor als in Berlin, Generationen und Szenen und Schichten sind weniger streng abgegrenzt. Ich habe in meiner Zeit hier in Bayreuth jedenfalls meinen Horizont erweitert und das hat viel Spaß gemacht. Und bald geht’s zurück in mein Berliner Provinzkaff ...Volker Strübing

INFO: Im Jean-Paul-Jubiläumsjahr wirft Volker Strübing als Bayreuther Stadtschreiber einen Blick auf Bayreuth und Jean Paul. Zu lesen sind seine Eindrücke in dem Blog Bayreuther Tagebuch.