Über den ersten Kurier-Hate-Slam im Zentrum Lauter Leserbriefgeheimnisse

Von Florian Zinnecker

Kein Blatt vor den Mund: Beim ersten Kurier-Hate-Slam lasen sechs Kurier-Redakteure die lustigsten und härtesten Leserbriefe und eigene Stilblüten vor. Das Zentrum war ausverkauft – und das Gelächter so groß, dass wir schon an eine Fortsetzung denken.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Zuerst haben wir gesagt, wir schreiben gar nichts über unseren Hate-Slam. Weil wir uns, wenn es gut wird, selbst loben müssten. Und wenn es nicht gut wird, müssten wir zugeben, dass wir schlecht waren, oder lügen (alles Dinge, die Journalisten nicht gut können).

Dann haben wir gesagt, was soll’s, wir machen’s doch. Wir brechen das Tabu. Und damit es beim Tabubrechen auch schön laut kracht, soll nicht ein bemitleidenswerter Kollege über die schreiben müssen, die sonst seine Schreibtischnachbarn sind. Diesmal schreibt einer, der auf der Bühne war. Und wenn einer fragt, dann sagen wir: Absicht! Perspektivwechsel! Tabubruch!

Das, was am Mittwochabend im Zentrum passiert ist, gilt – in der Redaktion – als einigermaßen großer Erfolg. Der Saal war ausverkauft, es gab keine Störungen, etliche Zuschauer lachten Tränen über die Einsendungen, die uns Tag für Tag erreichen. Es lasen: Chefredakteur Joachim Braun, die Kolleginnen Christina Knorz und Ulrike Sommerer, die Kollegen Michael Weiser, Manfred Scherer und ich, Frank Schmälzle moderierte, Katharina Ritzer steuerte die Musik bei. Unser Stargast: Volker Strübing, Stadtschreiber der Herzen; es könnte sein, dass ein bis zwei Drittel des Publikums allein seinetwegen gekommen sind.

Um ehrlich zu sein: Was wir Ihnen an diesem Abend präsentiert haben, war – wie es bei repräsentativen Eindrücken halt so ist – guter Durchschnitt. „Ihr braucht keine neuen Features für Eure Homepage, Ihr braucht jemanden, der DEUTSCH KANN! Lest Euren Sch.. doch durch, bevor Ihr ihn online stellt!“ Oder: „Bitte halten Sie Ihren Redakteur künftig von dilettantischen Versuchen dieser Art ab. Vielleicht kann man ihn mit einfacheren Arbeiten beschäftigen.“ Ein paar schöne Preziosen . Die richtig großen Kaliber haben wir im Schrank gelassen. Der Abend hieß ja „Best of Kurier-Leser“, das Beste also, und nicht das Ärgste, Böseste, Verletzendste. Es gibt Briefe, die gehören nicht in die Öffentlichkeit, sondern zum Staatsanwalt.

Genau wie es Zeitungstexte gibt, die nicht in die Zeitung gehören, sondern in die Jauchegrube. Ein paar davon haben wir dennoch vorgelesen, wir hatten Sie, warum auch immer, zuvor ja auch gedruckt: „Nur rund fünf Prozent aller vom Plötzlichen Herztod Betroffenen überleben.“ Das war aber, um weiterhin ehrlich zu sein, unsere einzige Sorge (abgesehen davon, dass wir selbst in Tränen ausbrechen vor Lachen): dass beim Publikum nicht ankommt, wie wir den Abend meinen. Dass Sie glauben, das, was in den Briefen steht, kommt bei uns nicht an. Jeder Volontär lernt in seiner ersten Woche: Vorsicht mit Ironie! Woher soll der Leser wissen, dass ausgerechnet das jetzt mal nicht ernst gemeint war, alles andere aber schon?

Zum Glück hat das Publikum genau verstanden, wie der Abend gemeint war. Wer Texte druckt wie den Hühnerrennreport über das Rennhuhn Chicky Quicky oder über den Koarlstag, der muss sich ja tatsächlich die Frage gefallen lassen, ob man ihn nicht vielleicht lieber mit einfacheren Arbeiten beschäftigen sollte. Das wissen wir. Eine Frage ist ja noch keine Antwort.

(Ein paar Zuschauer sind trotzdem in der Pause gegangen, weil sie den Hate-Slam als eitle Selbstdarstellung missverstanden. So ist es halt mit solchen Abenden: Ob es gut ist oder nicht, entscheidet das Publikum.)

Und so haben wir alle etwas mitgenommen: die Zuschauer, dass auch Zeitungsredakteure nicht nur nicht unfehlbar sind, sondern das auch zugeben. Und wir, dass nicht nur wir, sondern auch Leserbriefschreiber manchmal Probleme haben mit dem Satzbau.

Bilder