Telefonaktion So können depressive Erkrankungen therapiert werden

Der Kurier bietet am Dienstag, 12. Dezember, von 18 bis 19 Uhr eine Telefonaktion zum Thema „Möglichkeiten der Therapie depressiver Erkrankungen“ an. Drei Experten beantworten die Fragen der Kurier-Leser.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Gedrückte Stimmung, Trauer, Ratlosigkeit, selbst Verzweiflung und Perspektivlosigkeit können in vielen Lebenslagen auftreten und sind für sich genommen unvermeidbare Bestandteile auch eines an und für sich gesunden Lebens. Insbesondere, wenn nachvollziehbare Auslöser wie schmerzhafte Verluste, Zukunftssorgen, wirtschaftliche Not oder Kriegseinwirkungen erkennbar sind. Wir erleben das in diesen Tagen wieder vermehrt, wieder unmittelbarer als zuvor. Hier sind einschlägige Beratungs- und Hilfsangebote gefragt, sie können unterstützen und weiterhelfen. In solchen Situationen vorschnell von Depression oder anderen, manchmal inflationär gebrauchten psychiatrischen Krankheitsbezeichnungen zu sprechen, wäre unangemessen und an dieser Stelle nicht zielführend, letztlich sogar schädigend, schreibt Dr. Johannes Kornacher.

Anders ist es, wenn jegliche Gefühlsregung, selbst Trauer, nicht mehr wahrgenommen werden kann, Gefühle wie abgestorben erscheinen und sich eine quälende innere Leere breitmacht, eine erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber Ereignissen und selbst lieben Menschen im eigenen Umfeld. Wenn man kaum noch in der Lage ist, sich selbst zu alltäglichen häuslichen Verrichtungen aufzuraffen, am liebsten nur noch im Bett liegt, früher wichtige Dinge und interessante Hobbys kein Interesse mehr hervorrufen. Wenn ständige innere Unruhe, Appetitverlust oder unmäßiges Frustessen, fehlendes Interesse an Sex, körperliche Beschwerden aller Art, Schlafstörungen und Ängste vor Alltagssituationen über Wochen nicht mehr weichen und übliche Strategien wie „Kopf hoch“, „positiv denken“, oder auch hilfreiche Unterstützung durch Familie und Freunde nicht mehr helfen – dann sollte man an eine seelische Störung, speziell eine Depression denken. Insbesondere dann, wenn mögliche Auslöser das Ausmaß des Leidens nicht mehr erklären.

Gut behandelbar

Das menschliche Gehirn ist das Organ, das am sensibelsten auf den immensen psychologischen und biologischen Stress reagiert, nach ausreichender Einwirkung über Monate bis Jahre dann in der Regel in Form einer depressiven Störung. Ist diese nicht nur leichtgradig und endet in absehbarer Zeit spontan, wird sie professionell behandlungsbedürftig. Dann sollte Hilfe gesucht oder vermittelt werden, denn Depressionen sind prinzipiell gut behandelbar. Abwarten verlängert das Leiden nur, wartet man zu lange, sinken die Behandlungschancen und die Störung kann chronisch werden. Dringend und unaufschiebbar ist die Situation dann, wenn Betroffene Gedanken von Lebensüberdruss bei sich spüren oder äußern, die sich zu konkreten Selbsttötungsgedanken entwickeln können. Spätestens hier liegt ein psychiatrischer Notfall mit drohender Lebensgefahr vor, es muss unmittelbar gehandelt werden.

Erste Anlaufstellen mit hoher Hilfskompetenz sind der Krisendienst Oberfranken (erreichbar unter der kostenfreien Telefonnummer 08 00/6 55 30 00), die Beratungsstellen in gemeinnütziger oder kirchlicher Trägerschaft und vor allem Hausärzte, die in der Regel die Betroffenen kennen und dabei eine hohe Kompetenz im Umgang mit schwer erkrankten Menschen und seelischen Krisen haben und am schnellsten erreichbar sind. Dies insbesondere, als Fachärzte zur Behandlung seelischer Störungen mittlerweile kurzfristig kaum verfügbar und auch psychologische Notfallsprechstunden nur verzögert erreichbar sind. Aus diesem Grund wird derzeit die große Mehrheit depressiv Erkrankter auch längerfristig ausschließlich hausärztlich behandelt. Dies gelingt angesichts unkompliziert einsetzbarer, verträglicher und effektiver Antidepressiva auf einem erfreulich guten Niveau.

Wissenschaftliche Behandlung

In den vergangenen Jahrzehnten wurden zahlreiche wissenschaftlich belegte Behandlungsverfahren für depressive Störungen aller Schweregrade entwickelt. Dies selbst für die früher vorschnell „therapieresistent“ genannten depressiv Erkrankten. Heute spricht man besser von schwer behandelbaren Depressionen, die unter konsequenter Therapie letztlich ebenfalls eine erfreuliche Besserung erfahren können.

Gezielt, kompetent und konsequent handeln sind Wirkfaktoren einer guten Depressionsbehandlung, mit denen der nachhaltige Erfolg der Depressionsbehandlung steht und fällt. Und Nachhaltigkeit der Behandlung ist so entscheidend wie ihre Effektivität, denn Depressionen neigen dazu wieder aufzutreten, wenn die Behandlung eben nicht konsequent stattfindet. Das ist aus den verschiedensten Gründen leider oft der Fall, wäre aber vermeidbar.

Nach den geltenden Behandlungsleitlinien sollen leichtgradige Depressionen vorrangig mit Psychotherapie behandelt werden, daneben sind Medikamente (in der Regel Antidepressiva) ebenso in Betracht zu ziehen. Bei mittelschweren Depressionen kann eine Kombination von beiden Vorteile bringen, schwere Depressionen sollen kombiniert behandelt werden. Und dies ausreichend lange, mindestens ein Jahr und im Wiederholungsfall über mehrere Jahre.

Wichtige Sport- und Bewegungstherapie

Neben den vielfältigen und spezifischen Psychotherapieverfahren (einzeln und in Gruppen) stehen mittlerweile auch sehr spezifische und oft nebenwirkungsarme Gruppen von Psychopharmaka sowohl für die ambulante wie auch für die stationäre Behandlung zur Verfügung. In den vergangenen Jahren sind teils hochwirksame sogenannte Hirnstimulationsverfahren in den psychiatrischen Kliniken (wieder) zu festen Bestandteilen komplexer Behandlungspläne geworden, so auch im Bezirkskrankenhaus Bayreuth. Hierzu gehört dann regelhaft auch ein Behandlungsplan mit der so wichtigen Sport- und Bewegungstherapie, aktivitäts- und kreativitätsfördernden Ergotherapie, Musiktherapie und zahlreichen anderen antidepressiv wirksamen Behandlungsformen, eingebettet in strukturierte beziehungsfördernde Milieutherapie durch den Pflegedienst.

Am Kurier-Telefon

Sie beantworten am Dienstag, 12. Dezember, von 18 bis 19 Uhr am Kurier-Telefon Fragen zum Thema „Möglichkeiten der Therapie depressiver Erkrankungen“: Dr. Johannes Kornacher, Leitender Oberarzt Depressionszentrum und Zentrum für Neurostimulation und Ketaminbehandlung Bezirkskrankenhaus Bayreuth, Dr. Stephanie Tieden,Leitende Oberärztin Depressionszentrum, Stimulationszentrum und allgemeinpsychiatrische Tagesklinik Bezirkskrankenhaus Bayreuth und Sandra Villagran, Oberärztin Gerontopsychiatrie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth.

Autor

Bilder