Nach einem Jahr strenger Diät musste sie an die Dialyse, weil ihr Nierenleiden trotzdem schlimmer geworden war. Dreimal die Woche war sie nach der Arbeit von 17 bis 22 Uhr an die Dialyse, bei der zwei stricknadelgroße Nadeln in die Venen gelegt werden, um das Blut auszuleiten, zu filtern und wieder in den Körper einzuleiten. „Ich bin sehr schnell erwachsen geworden“, sagt die 38-Jährige heute.
Nie den Mut verloren
Nach ein paar Jahren hat sie dann auf 30 Stunden die Woche reduziert, weil es zu anstrengend wurde und sich ihr Gesundheitszustand aufgrund anderer Begleiterkrankungen verschlechtert hatte. Weil es keine geeigneten Spenderorgane gab, musste sie noch viele Jahre auf eine neue Niere warten. Trotzdem hat sie nie den Mut verloren: „Man muss ja damit klarkommen. Meine Einstellung ist, dass auch alles Schlechte für irgendwas gut ist, es einen Sinn hat, einen irgendwo hinbringen soll.“
Ihre Familie und ihr Mann, den sie während der Dialyse kennengelernt hat, haben immer zu ihr gehalten. Für ihre Eltern war die Belastung anfangs fast größer als für sie selbst: „Meine Mutter wollte mir immer eine Niere spenden, aber ich war dagegen. Mir war es einfach wichtig, meine Mutter zu schonen, das ist ein sehr großer Eingriff. Ich hätte es mir nie verzeihen können, wenn ihr was passiert wäre.“ Die Heimdialyse, die Julia Rüdiger-Bär selbst durchführen konnte, hat beide sehr zusammengeschweißt: „Wir haben während der Dialyse Kaffee getrunken und uns unterhalten, meine Mutter war immer für mich da.“
Erlösender Anruf
Am 30. November 2013 dann der erlösende Anruf: Ein Spenderorgan war gefunden. „Ich hatte Angst, als ich den Anruf bekommen habe. Man sitzt da und weiß, die Niere ist auf dem Weg und es ist ja eine größere OP, die auch die Harnröhre und weiteres mit einschließt.“ Es gab auch nach der gelungenen Operation zunächst Komplikationen, denn ihre Niere wollte nicht so recht anspringen, sie hat nicht gleich gearbeitet. „Da hatte ich riesige Angst, es war die Hölle. Man hat das alles auf sich genommen und dann funktioniert sie nicht. Ich musste in den Folgetagen noch dreimal an die Dialyse. Aber dann hat sie doch angefangen voll zu arbeiten und das war unglaublich toll!“
"Das Leben ist so bunt"
Ihr Leben hat sich seitdem sehr stark zum Positiven verändert: „Ich habe es so lange ausgehalten, unter der Dialyse funktioniert man einfach nur, und jetzt ist das Leben so bunt und ich kann es einfach genießen. Der 30. November 2013 wird immer mein zweiter Geburtstag sein.“ Julia Rüdiger-Bär geht jetzt viel mehr weg, macht insgesamt viel mehr. „Ich habe jetzt sieben Tage die Woche, die ich einfach nur genießen kann.“
Ihre Niere hat sogar einen Namen: Gustl. Denn sie ist aus München. Mehr weiß Julia Rüdiger-Bär nicht, denn man erfährt keine genaueren Details über den Spender. „Ich bin unendlich dankbar und habe eine sehr enge Verbindung zu meiner neuen Niere“ sagt die 38-Jährige und meint schelmisch: „Möglicherweise ist es den Umständen geschuldet, aber ich habe seitdem eine Vorliebe für Lebensmittel, die ich vorher nicht leiden konnte und mag andere nicht mehr, die ich sehr gern gegessen habe.“