Tag der Organspende: Julia Rüdiger-Bär über ihr Leben mit neuer Niere

Von Julia Traut
Julia Rüdiger-Bär erhielt 2013 eine Spenderniere. Foto: red

Die heute 38-Jährige war 18 Jahre DialysepatientinJulia Rüdiger-Bär aus Bayreuth ist 17, als sie die Diagnose bekommt: Schrumpfnieren. Es folgen 18 Jahre Dialyse - und dann die erlösende Nierentransplantation. Heute ist die 38-Jährige ein sehr fröhlicher und positiver Mensch. Sie strahlt, wenn sie von ihrem neuen Leben mit der neuen Niere berichtet (die sogar einen Namen hat): "Jetzt ist das Leben so bunt und ich kann es einfach genießen", sagt sie. Zum Tag der Organspende am Samstag hat sie uns ihre Geschichte erzählt.

 
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Viele Menschen wissen nicht, was es bedeutet, Dialysepatient zu sein. Man muss dreimal die Woche für fünf Stunden entweder in ein Dialysezentrum fahren oder kann in manchen Fällen den Prozess auch zuhause durchführen, muss sehr strenge Diät halten und starke Medikamente nehmen. Das Leben als Dialysepatient ist sehr anstrengend und zehrt den Körper aus. „Fünf Stunden Dialyse ist wie fünf Stunden intensiv Sport machen, hat mein Arzt gesagt“, sagt Julia Rüdiger-Bär. Besonders stark sei die Umstellung, dass man fast nichts mehr trinken dürfe, „denn das ganze Wasser, das man trinkt, bleibt im Körper. Wenn jemand am Wochenende fünf bis sechs Liter getrunken hat, müssen die am folgenden Dialysetermin wieder raus. Die Dialyse zehrt sehr stark an den Kräften des Körpers“.

Normales Leben

Trotzdem ist Julia Rüdiger-Bär viele Jahre lang sehr gut mit der Behandlung klargekommen. „Es ist nicht das Ende, man ist zwar von der Maschine abhängig, aber ich habe mein Leben weiter geführt. Die ersten Jahre habe ich weiter Vollzeit gearbeitet, bin in den Urlaub gefahren, habe versucht, ein normales Leben zu führen. Es gibt viele Dialysepatienten, die machen alles, man muss sich halt stark einschränken und viel planen“, sagt die 38-Jährige.

Schleichender Prozess

Als sie 17 Jahre alt und gerade im ersten Ausbildungsjahr zur Arzthelferin war, wurde die Erkrankung erkannt. Es war ein im Verborgenen ablaufender Prozess, durch den sie zunehmend abgeschlagener und extrem erschöpft von der Arbeit kam. Irgendwann hatte sie angefangen, sich Sorgen zu machen und ihren Blutdruck gemessen, der viel zu hoch war. Da war die Krankheit schon relativ weit fortgeschritten. „Es ist ein schleichender Prozess, man merkt es immer erst, wenn es zu spät ist“ sagt Julia Rüdiger-Bär und ergänzt: „Man sieht dir nicht an, dass du krank bist.“

In manchen Fällen kann es zu Hautveränderungen aufgrund von Blutarmut kommen, aber meistens erkennt man von außen ein Nierenleiden nicht. Der harte Einschnitt in Julia Rüdiger-Bärs Leben kam mit der folgenden urologischen Untersuchung. Bei ihr wurde die Grunderkrankung Schrumpfnieren diagnostiziert, für die 17-Jährige ein Schock, denn die Nieren würden sich immer weiter auflösen und ihre Funktion verlieren.

Sie musste sehr strenge Diät halten, durfte keinerlei kaliumhaltige Lebensmittel mehr konsumieren. „Kartoffeln, Chips, Pommes, Obst – das alles durfte ich nicht mehr essen, denn zu viel Kalium ist lebensgefährlich und die Niere konnte es nicht herausfiltern. Im schlimmsten Fall hätte ein Herzinfarkt gedroht“ sagt Julia Rüdiger-Bär. „Wenn man mir eine Banane unters Essen gemischt hätte, wäre das der perfekte Mord gewesen“, sagt sie. „Man muss es mit Humor nehmen, sonst macht es einen kaputt.“

Nach einem Jahr strenger Diät musste sie an die Dialyse, weil ihr Nierenleiden trotzdem schlimmer geworden war. Dreimal die Woche war sie nach der Arbeit von 17 bis 22 Uhr an die Dialyse, bei der zwei stricknadelgroße Nadeln in die Venen gelegt werden, um das Blut auszuleiten, zu filtern und wieder in den Körper einzuleiten. „Ich bin sehr schnell erwachsen geworden“, sagt die 38-Jährige heute.

Nie den Mut verloren

Nach ein paar Jahren hat sie dann auf 30 Stunden die Woche reduziert, weil es zu anstrengend wurde und sich ihr Gesundheitszustand aufgrund anderer Begleiterkrankungen verschlechtert hatte. Weil es keine geeigneten Spenderorgane gab, musste sie noch viele Jahre auf eine neue Niere warten. Trotzdem hat sie nie den Mut verloren: „Man muss ja damit klarkommen. Meine Einstellung ist, dass auch alles Schlechte für irgendwas gut ist, es einen Sinn hat, einen irgendwo hinbringen soll.“

Ihre Familie und ihr Mann, den sie während der Dialyse kennengelernt hat, haben immer zu ihr gehalten. Für ihre Eltern war die Belastung anfangs fast größer als für sie selbst: „Meine Mutter wollte mir immer eine Niere spenden, aber ich war dagegen. Mir war es einfach wichtig, meine Mutter zu schonen, das ist ein sehr großer Eingriff. Ich hätte es mir nie verzeihen können, wenn ihr was passiert wäre.“ Die Heimdialyse, die Julia Rüdiger-Bär selbst durchführen konnte, hat beide sehr zusammengeschweißt: „Wir haben während der Dialyse Kaffee getrunken und uns unterhalten, meine Mutter war immer für mich da.“

Erlösender Anruf

Am 30. November 2013 dann der erlösende Anruf: Ein Spenderorgan war gefunden. „Ich hatte Angst, als ich den Anruf bekommen habe. Man sitzt da und weiß, die Niere ist auf dem Weg und es ist ja eine größere OP, die auch die Harnröhre und weiteres mit einschließt.“ Es gab auch nach der gelungenen Operation zunächst Komplikationen, denn ihre Niere wollte nicht so recht anspringen, sie hat nicht gleich gearbeitet. „Da hatte ich riesige Angst, es war die Hölle. Man hat das alles auf sich genommen und dann funktioniert sie nicht. Ich musste in den Folgetagen noch dreimal an die Dialyse. Aber dann hat sie doch angefangen voll zu arbeiten und das war unglaublich toll!“

"Das Leben ist so bunt"

Ihr Leben hat sich seitdem sehr stark zum Positiven verändert: „Ich habe es so lange ausgehalten, unter der Dialyse funktioniert man einfach nur, und jetzt ist das Leben so bunt und ich kann es einfach genießen. Der 30. November 2013 wird immer mein zweiter Geburtstag sein.“ Julia Rüdiger-Bär geht jetzt viel mehr weg, macht insgesamt viel mehr. „Ich habe jetzt sieben Tage die Woche, die ich einfach nur genießen kann.“

Ihre Niere hat sogar einen Namen: Gustl. Denn sie ist aus München. Mehr weiß Julia Rüdiger-Bär nicht, denn man erfährt keine genaueren Details über den Spender. „Ich bin unendlich dankbar und habe eine sehr enge Verbindung zu meiner neuen Niere“ sagt die 38-Jährige und meint schelmisch: „Möglicherweise ist es den Umständen geschuldet, aber ich habe seitdem eine Vorliebe für Lebensmittel, die ich vorher nicht leiden konnte und mag andere nicht mehr, die ich sehr gern gegessen habe.“

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