Streit über neue Polizei-Befugnisse

Von Jürgen Umlauft
Eine Polizistin der Bundespolizei am Münchener Hauptbahnhof mit einer sogenannten Bodycam. Foto: Matthias Balk/dpa Foto: red

Bei einer Anhörung im Landtag sind erhebliche Bedenken gegen die Pläne der Staatsregierung zur Neufassung des Polizeiaufgaben- und des Verfassungsschutzgesetzes laut geworden. Die Vorlagen sollen die Sicherheitskräfte vor allem beim Kampf gegen den islamistischen Terrorismus unterstützen. Ein Bayreuther Juraprofessor hält die Gesetzentwürfe für vertretbar.

 
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Die Polizei soll bereits bei drohender Gefahr präventiv Datenträger beschlagnahmen sowie Personen online überwachen und vorbeugend faktisch unbegrenzt in Gewahrsam nehmen können. Außerdem sehen die Gesetze die Einführung von Bodycams an den Uniformen von Polizisten, die Video-Überwachung mit Gesichtserkennung von öffentlichen Räumen und die präventive DNA-Analyse von möglichen Verdächtigen vor. Dabei sollen auch Haut-, Haar- und Augenfarbe zu Fahndungszwecken bestimmt werden können.

Richter: Gewaltsamer Paradigmenwechsel im bayerischen Polizeirecht

Der Richter am Landgericht München I, Markus Löffelmann, nannte die Vorverlagerung zahlreicher Eingriffsbefugnisse in den präventiven Bereich einen „gewaltsamen Paradigmenwechsel im bayerischen Polizeirecht“. Jeder bayerische Polizist bekomme damit im täglichen Einsatz mehr Befugnisse bei der Gefahrenabwehr als das Bundeskriminalamt zur Terrorbekämpfung.

Als Beispiel führte der frühere Bundesverwaltungsrichter Kurt Graulich die präventive DNA-Analyse an. Von dieser „polizeilichen Wahnvermutung“ rate er dringend ab. Datenschutzbeauftragter Thomas Petri bezeichnete den Zugriff auf die „sprechende DNA“ als „verfassungsrechtlich hoch problematisch“.

Bedenken gegen Videoüberwachung mit Gesichtserkennung

Bedenken äußerte Graulich auch gegen die intelligente Video-Überwachung mit Gesichtserkennung. Er halte diese nur für zulässig, wenn es dafür klare Speicherregelungen gebe. Ansonsten könne sie ein erster Schritt in Richtung Totalüberwachung aller Bürger sein. Ganz klar wandte sich Graulich gegen die Zulassung von Handgranaten und Maschinengewehren bei der Polizei schon im Präventivbereich.

„Das sind Kriegswaffen, die haben im zivilen polizeilichen Einsatz nichts zu suchen“, betonte Graulich. Bei Petri stieß die präventive elektronische Durchsuchung von Speichermedien auf Ablehnung. Für diesen Eingriff in den Datenschutz brauche es eine richterliche Erlaubnis.

Bayreuther Rechtsprofessor hält die Entwürfe für vertretbar

Bei der Expertenanhörung zum neuen Polizeiaufgabengesetz hat der Bayreuther Rechtsprofessor Markus Möstl erklärt, polizeiliche Befugnisse müssten mit den technischen Möglichkeiten und neuen Herausforderungen für die innere Sicherheit Schritt halten. Die Entwürfe böten dazu aus seiner Sicht „verfassungsrechtlich vertretbare Lösungen“.

Der Münchner Rechtsanwalt Hartmut Wächtler erinnerte jedoch daran, dass die neuen Befugnisse der Polizei nicht auf die Terrorabwehr beschränkt seien. „Das betrifft nicht nur potenzielle Terroristen, sondern auch Normalbürger“, warnte er. Bei der präventiven Festnahme, die per richterlicher Verfügung unbegrenzt dauern könne, werde den Betroffenen nicht einmal ein Pflichtverteidiger gewährt. Betroffene seien schlechtergestellt als Tatverdächtige in einem Strafprozess. „Das ist eines Rechtsstaats unwürdig“, urteilte Wächtler.

Der SPD-Rechtsexperte Franz Schindler klagte, die Gesetzentwürfe ließen die Verantwortlichkeiten zwischen Verfassungsschutz und Polizei weiter verschwimmen. Damit werde die Sicherheitsarchitektur auf verfassungsrechtlich fragwürdige Weise verändert.

Mit Material von dpa

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