Stammt der Halswirbelbruch des Opfers vom Angriff? Streit angeblich wegen Gebietsansprüchen Bikerprozess: Tag der widersprüchlichen Aussagen am Landgericht Bayreuth

Von Moritz Kircher
Am 3. Verhandlungstag stand die Frage im Mittelpunkt, ob der gebrochene Nackenwirbel des Opfers tatsächlich von dem Angriff am 10. September 2010 stammt. Mediziner, die als Zeugen aussagten, sind sich uneins. Foto: Archiv Foto: red

Am dritten Tag im Prozess um einen versuchten Totschlag gegen sechs Mitglieder des Motorradclubs Grave Diggers Bayreuth-Wunsiedel gab es viel Widersprüchliches. Ärzte, die den gebrochenen Nackenwirbel des Opfers behandelten, sind sich uneins. Und ein Blick hinter die Kulissen der Bikerszene fällt nicht leicht.

 
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Im Zeugenstand: Ralph Greiner-Perth aus Hof. Er war der Arzt, der Monate nach dem Angriff auf Norbert P. am 10. September 2010 einen gebrochenen Halswirbel diagnostizierte und operierte. Eine möglicherweise lebensgefährliche Verletzung für den Chef der Easyriders aus Goldkronach. „Es muss eine Gewalteinwirkung stattgefunden haben“, sagt der Arzt. Es sei so gut wie ausgeschlossen, dass ein solcher Bruch bei einem Unfall oder einem Sturz passiert.

Beinahe hätte der vorsitzende Richter Michael Eckstein deshalb darauf verzichtet, die Radiologin Margit Purucker zu hören. Doch die Ärztin aus Marktredwitz interpretierte die Röntgen-, CT- und MRT-Bilder, die sie bei Norbert P. angefertigt hatte, ganz anders. „Meines Erachtens ist das eine Anlagestörung“, sagte sie über Veränderungen am Halswirbel des Opfers. Eine Verletzung durch Gewalt von außen sei denkbar, Monate später aber kaum eindeutig zu belegen.

Stammt die Verletzung, die Greiner-Perth im März 2011 behandelte, in seinen Augen zweifelsfrei vom Angriff am 10. September? „Vom Verletzungsbild hätte ich gemeint, dass es eine jüngere Verletzung ist“, sagt der erfahrene Mediziner. Allerdings: In den 25 Jahren seiner Tätigkeit hat er so etwas noch nicht gesehen.

Das Ruckenpatch der Easyriders soll den Unmut der Grave Diggers erregt haben

Auftritt des Zeugen Stephan S., seit 1990 Präsident der Bayreuther Abteilung der Grave Diggers. Ein wortkarger Mann, der angab, über die Easyriders und Norbert P. kaum etwas zu wissen. Richter Eckstein versuchte, etwas über ein Tatmotiv in Erfahrung zu bringen. Denn immer wieder ist im Prozess davon die Rede, dass die Easyriders ein Rückenabzeichen (Patch) auf ihren Motorradkutten trugen, das den Unmut der Grave Diggers erregt haben soll.

Ob es bei der Gründung eines Motorradvereins irgendwelche Regeln zu beachten gebe, wollte der Richter wissen. Nein, sagte S. Eckstein bohrte weiter: Angenommen, anderswo würde sich ein neuer Motorradclub namens Grave Diggers gründen – was wäre dann? „Dann würden wir das Gespräch suchen“, antwortet S. Und wenn ein solches Gespräch ohne Ergebnis bliebe? „Dann wär’s wohl so.“

Familie des Angeklagten Uwe N. bestätigt dessen Alibi

Ursula F., eine Freundin der Familie des Opfers, zeichnet ein ganz anderes Bild. Sie war am Tatabend im Vereinsheim der Easyriders. Und sie habe schon früher solche Gespräche der Grave Diggers miterlebt. „Es ging um Gebietsansprüche und um Kutten“, sagte sie. Etwa zehn Jahre sei es her, dass die Biker mit mehr als 20 Mann bei einem Motorradstammtisch im Landkreis Wunsiedel aufgetaucht seien.

Dieser soll mit dem Gedanken gespielt haben, sich einem Hofer Club anzuschließen. S. habe damals die Ansagen gemacht: Kein Motorrad mit Wunsiedler Kennzeichen dürfe bei einem Hofer Club fahren. Außerdem hätten die Biker Auflagen für das Patch des Stammtisches gemacht.

Derweil bestätigten die Familie und die Lebensgefährtin von Uwe N. sein Alibi. Der einzige der sechs Angeklagten, der sich im Prozess zum Tatabend äußert, will sich zur fraglichen Zeit bei seinen Eltern aufgehalten haben.

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