Staatssekretärin zu Besuch Bleibt der gläserne Schlachthof ein Traum?

Ophelia Nick (links) im Gespräch mit Oberbürgermeister Ingo Lehmann, Dr. Dagmar Brüggemann (Leiterin MRI), Martin Schöffel und Frank Wilzok, zweiter Bürgermeister. Foto:  

Lang hat OB Ingo Lehmann auf Ophelia Nick gewartet. Als die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium schließlich in den Kulmbacher Schlachthof kommt, hat sie jedoch keine Zusage für das Vorhaben „gläserner Schlachthof“ in der Tasche.

 
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Die Parlamentarische Staatssekretärin der Grünen, Ophelia Nick, vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft habe sich begeistert gezeigt von den Entwicklungen im Kulmbacher Schlachthof, heißt es in einer Mitteilung aus dem Kulmbacher Rathaus. Mit großem Bahnhof und vielen Teilnehmern aus der Politik wurde Nick durch den Schlachthof geführt. Am Ende hat Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD) seinem Gast aus Berlin das Konzept in die Hand gedrückt, wie man sich in Kulmbach den Gläsernen Schlachthof vorstellt. Auch die inzwischen installierte, aber noch nicht in Betrieb genommene Helium-Betäubungsanlage war offenbar Thema. Warum Ophelia Nick nach Kulmbach eingeladen worden war, ist klar. Eine vermutlich zweistellige Millionensumme würde gebraucht, um die Pläne zu verwirklichen. Das könnte die Stadt ohne massive Zuschüsse nicht schultern. Doch die Grüne Staatssekretärin hat bei ihrem Besuch in Kulmbach keine Zusagen gemacht, nicht einmal Hoffnung geweckt, wenn man die Pressemitteilung der Stadt aufmerksam liest.

Aus dem Rathaus wird Nick zitiert: „Die regionalen Wertschöpfungszentren müssen weiter unterstützt werden“, soll sie gesagt haben. „Der Schlachthof Kulmbach ist ein solches und kann mit seiner Idee einer Bio-Regio-Fleischmanufaktur vielen anderen Schlachthöfen Vorbild sein.“ Doch das war es auch schon mit der Euphorie. Ganz am Schluss der langen Pressemitteilung heißt es schließlich: „Sie dankte den Verantwortlichen für den leidenschaftlichen Einsatz für Innovationen in der regionalen Produktion und Verarbeitung und sicherte zu, das ausgearbeitete Konzept im Bundeslandwirtschaftsministerium den zuständigen Stellen vorzulegen.“

Dabei sind die Unterlagen zur Planung längst in Berlin. Bereits im Jahr 2021 hatten OB Lehmann, Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner, Landrat Klaus Peter Söllner und zweiter Kulmbacher Bürgermeister Frank Wilzok das Projekt im Bundeslandwirtschaftsministerium beim damaligen Parlamentarischen Staatssekretär Uwe Feiler vorgestellt. Im September 2021 war die Bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber zu Gast im Schlachthof und sicherte Fördermöglichkeiten zu, sofern auch die Bundesregierung Gelder für das Projekt bereitstelle.

Um auch bei der neuen Bundesregierung für das Vorhaben zu werben, hatte Lehmann Ophelia Nick eingeladen. Lang haben die Kulmbacher darauf gewartet. Am Montag kam die Grünen-Politikerin schließlich mit zwei Referentinnen. Ingo Lehmann skizzierte die schwierigen Rahmenbedingungen, die zum Handeln und Neudenken aufrufen. „Wir reden hier von zwei zukunftsweisenden Projekten. Mit Helium gehen wir gänzlich neue Wege im Bereich der Tierbetäubung, auf der anderen Seite haben wir noch mehr vor und möchten mit unserer Bio-Regio-Fleischmanufaktur ein Leuchtturmprojekt für ganz Deutschland realisieren.“

Landrat Klaus Peter Söllner unterstrich einmal mehr die Rolle Kulmbachs als Lebensmittelstandort: „Mit mehr als 3000 Beschäftigten in der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung macht Kulmbach seiner Rolle als Lebensmittelzentrum alle Ehre. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet der Schlachthof, eine Bastion für Direktvermarkter in der Region. Wir müssen alle politischen Kräfte bündeln, um den Schlachthof krisenfest und innovativ in die Zukunft zu führen“, warb Landrat Söllner für die großen Kulmbacher Pläne.

Neue Wege will Kulmbach mit seinem Schlachthof gehen. Mit der Bernd-Tönnies-Stiftung wird dort die weltweit erste Helium-Betäubungsanlage installiert. Von ihr verspricht man sich eine sanftere Betäubung der Tiere. Die letzten Arbeiten erfolgten derzeit, informiert die Stadt. Noch in diesem Jahr könnte, wenn die Freigabe erfolgt, mit dem Testbetrieb begonnen werden.

Das ist aber nicht alles. Zukunftsmodelle habe man zusammen mit Schlachthofleiter Dirk Grühn entwickelt, informierte OB Ingo Lehmann die Staatssekretärin und berichtete, was es der Idee des gläsernen Schlachthofs auf sich hat. „Regionalität, Transparenz und die enge Zusammenarbeit mit Forschung und Wissenschaft sind die drei elementaren Säulen dieser Idee“, pries Lehmann die Vorteile an, die man sich ausrechnet.

Schlachthofleiter Dirk Grühn stellte die Vision vor: Ein Neubau des Schlachthofs, transparent gestaltet, um Besuchern die Arbeit anschaulich darzustellen. Die gläserne Manufaktur könne hervorragend auch in die künftigen Studiengänge am Kulmbacher Campus eingebunden werden. Auch das direkt gegenüber ansässige Max-Rubner-Institut und die Fachhochschule Weihenstephan-Triesdorf würden laut Grühn von einer Bio-Regio-Fleischmanufaktur profitieren.

Ein Hofladen direkt am Schlachthofgelände soll den Kunden ein regionales Einkaufen ermöglichen – Produkte aus der ganzen Region, aber in erster Linie Fleisch aus dem Schlachthof sollen dort angeboten werden. Auch das Angebot an sich soll größer werden. Den Produzenten und Landwirten soll ein Rundum-Sorglos-Paket angeboten werden. Das beginne bei der Abholung der Tiere und ende bei der Herstellung der Wurst. Unterstützt werden soll dieses Vorhaben durch die Anschaffung einer mobilen Schlachteinheit zur Schlachtung auf der Weide oder im Betrieb. So umgehe man den für die Tiere stressigen Transport.

„Durch neue Möglichkeiten in der Weiterverarbeitung des Fleisches möchten wir Gemeinschaftsküchen, Kantinen und Gastronomie mit regionalen Bio-Produkten beliefern. Dies stellt eine deutliche Vergrößerung unseres bisherigen Angebotes dar und kommt dem Wunsch nach regionalen, fair gehandelten und produzierten Lebensmitteln deutlich entgegen.“

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