Schnabelwaider Julian Hofmann auf Jakobsweg nach Santiago de Compostela 775 Kilometer ohne Blase gelaufen

Von
Der Schnabelwaider Julian Hofmann ist 775 Kilometer auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela gelaufen. Foto: red Foto: red

"Ich war frei, musste nix. Ich hatte keinen Druck, keine Verpflichtungen“, sagt Julian Hofmann. Der 27-jährige Schnabelwaider kommt immer wieder ins Schwärmen, wenn er von seiner Wanderung auf dem Jakobusweg erzählt. Und diese Begeisterung will er mit anderen teilen und hält Bildvorträge dazu an verschiedenen Orten. In 32 Etappen hat er 775 Kilometer nach Santiago de Compostela absolviert. Danach hat er noch zehn Tage Urlaub am Meer drangehängt.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Hauptsächlich war es das Spirituelle und das Sportliche, was ihn gereizt hat, auf den weiten Weg zu gehen. „Ein Marathonläufer musste unterwegs abbrechen und der ’unsportliche’ Franke hat es geschafft“, erzählt er lachend. Denn normalerweise macht er keinen Sport. Im alltäglichen Leben ist Hofmann Leiter einer Autovermietung in Bayreuth, absolviert ein duales BWL-Studium. Von seinem Arbeitgeber hatte er freibekommen, auch wenn er vorher nicht sagen konnte, wie lange er weg sein würde. „Erst war die ganze Aktion ja eine Schnapsidee, aber dann hat mir meine Freundin einen Jakobus-Wanderführer geschenkt“, so Hofmann. Darin hat er zwar gelesen, aber wirklich darauf vorbereitet hat er sich nicht – nur eine Woche vorher hat er die neuen Wanderschuhe eingelaufen. Erfahrungen mit Wallfahrten hatte er schon gesammelt, weil er seit Jahren mit seinem Opa nach Gößweinstein pilgert.

Zwei Garnituren zum Anziehen dabei

Los ging es dann mit dem Flug von München über Madrid nach Pamplona. Von dort mit dem Taxi – den Bus hatte er knapp verpasst – weiter zum Startpunkt St. Jean Pied de Port, direkt an der französisch-spanischen Grenze, noch vor den Pyrenäen. Sein Rucksack wog 13 Kilogramm und am Schluss hatte er eine Hornhaut an der Lende. Aber er hat ihn gar nicht mehr bemerkt, der Rucksack gehörte einfach dazu. Und was man mitnehmen muss, was wirklich wichtig ist, hat er unterwegs gelernt. „So viel braucht man nicht. Eine Jeans ist nicht wichtig“, sagt Hofmann. Er hatte zwei Garnituren zum Anziehen dabei, jeden zweiten Tag hat er sich mit anderen eine Waschmaschine gemietet. Eine Badehose war dabei, Hygieneartikel, Magnesiumtabletten, eine Kopfbedeckung, Ausweis und eine Trinkflasche, die er unterwegs immer wieder an Brunnen auffüllen konnte. Und einen Stein aus der Heimat hatte er dabei. Den hat er an der 25. Station an einem Pilgerkreuz abgelegt. „Im Reiseführer stand, dass man so seine Sorgen ablegen kann“, erzählt der 27-Jährige. Er habe sich Wunder was darunter vorgestellt und dann sei es nur ein ganz banaler Steinhaufen gewesen, erinnert er sich lachend. Und natürlich eine Muschel, die er am ersten Tag in einem Klosterladen gekauft hatte, hing an seinem Rucksack. Die Wanderstöcke hat er nur am Anfang benutzt, bei steilen Stücken. Zum Schluss hat er sie verschenkt.

Als Erstes über die Pyrenäen

Die erste Etappe ging gleich über die Pyrenäen, 1400 Höhenmeter waren zu überwinden. Das war schon hart. Eine Herausforderung war auch der Weg durch die Halbwüste Meseta bei 35 Grad. Aber Hofmann hat alles ohne Pausentag geschafft. Keine einzige Blase hat er sich gelaufen. Anfangs hatte er mal mit den Knien Probleme. „Ich war dann in einem Kloster bei einem Arzt, der hat mir seine Hände aufgelegt und gefragt, wie viel Wasser ich dabei habe. Als ich antwortete, drei Liter, hat er gesagt, dass auch 1,5 Liter reichen. Und so unglaublich es klingt: Seit dem Moment hatte ich nie wieder Schmerzen auf dem Weg“, ist Hofmann heute noch erstaunt.

Rund 25 Kilometer ist er am Tag gelaufen, mal in der Gruppe, aber auch mal allein. Morgens und abends hat man sich dann in den Herbergen getroffen. „Das war eine andere Kameradschaft“, sagt er, „man war befreit, wusste, dass man offen über alles reden konnte.“ Es sei gut gewesen, mal mit jemandem über Dinge zu sprechen, der objektiv allem gegenübersteht. Bis 22 Uhr musste man abends in der Herberge sein, dann machte sie zu. Dann gab es für zehn Euro ein Pilgeressen oder man hat gemeinsam gekocht. „Wir haben abends schon einen draufgemacht, haben es uns gutgehen lassen, Fiesta gefeiert“, erzählt er. Man wollte ja Kontakt mit den Einheimischen haben.

Mit 130 Leuten in einem Saal übernachtet

Übernachtet wurde meist in Mehrbettzimmern, aber auch mal auf einem Dachboden oder in einem Saal mit 130 anderen Pilgern. „Da darf man nicht pingelig sein“, sagt Hofmann. Unterwegs hat man selten gegessen, ein Brötchen vielleicht mal. Und an jeder Herberge gab es einen Stempel in das Credencial, den Pilgerpass. Hofmann zeigt auf die Wand hinter sich, dort hängt ein Bilderrahmen, in dem zwei solcher Pässe stecken. Je mehr Stempel man hat, desto besser, denn sie beweisen, wo man überall langgelaufen ist. Auch in Cafés oder Tabakläden konnte man sich welche geben lassen.

Der Weg ging durch eine faszinierende Landschaft, an Sonnenblumenfeldern, teils auch an Landstraßen oder der Autobahn entlang, über Berge und an Industriedenkmälern vorbei oder durch Städte mit Plattenbauten. „Ich war ein aufmerksamer Läufer“, sagt Hofmann. Und so hat er auch den Brunnen, aus dem Wein kam, gesehen. Andere waren daran vorbeigelaufen.

Hinweisschilder auf den letzten 100 Kilometern

Rund 2000 Bilder hat er gemacht, alle mit dem Handy. Das war auch der einzige Luxus, den er sich leistete: eine Internetflat. Und so hat er morgens und abends nach Hause telefoniert oder auf Facebook geschrieben. Die Freundin und die Familie haben sich schon Sorgen um ihn gemacht. Die letzten 100 Kilometer vor dem Ziel gab es dann immer wieder Hinweisschilder, wie weit es noch ist. „Das war schon etwas touristischer, denn die Etappe wird auch oft von den Spaniern gelaufen“, so Hofmann.

Als das Ziel in Sichtweite war, sei man schon etwas depressiv geworden, nennt es Hofmann. Es hatte zwei Gesichter, erzählt er später seinem Vater die Gefühle: erst war es wie eine Geburt, im Laufe des Weges wurde man Experte und am Ende war es wie sterben. Als er dann in Santiago de Compostela in den frühen Morgenstunden ankam, war die Kathedrale eingerüstet. „Die ist aber nichts besonderes, a Käärng halt.“ Aber der Moment war besonders, da kamen schon die Tränen, er hatte es tatsächlich geschafft.

Nicht-Katholiken mussten sitzenbleiben

Im Ort ging es dann als Erstes ins Pilgerbüro, wo die Urkunde ausgehändigt wurde. Auch sie hängt in dem Bilderrahmen an der Wand. Dann war die Pilgermesse. „Die meisten haben aber geschlafen.“ Beeindruckt hat ihm vor allem das gewaltige Weihrauchfass, das von acht Leuten geschwenkt werden musste. Dann wurden die Orte verlesen, aus denen die Pilger kamen, aber Hofmann hat nicht mitbekommen, als Schnabelwaid aufgerufen wurde. Und in der Messe hat er eine Diskriminierung als Evangelischer, der er ja ist, erfahren. Per Durchsage wurden alle Nicht-Katholiken aufgefordert, beim Abendmahl sitzenzubleiben. „Mir hat das aber nichts ausgemacht“, winkt Hofmann ab.

Es war die schönste Zeit seines Lebens, sagt er zurückblickend. „Ich habe viel erlebt.“ Noch heute hat er plötzliche Wiedererinnerungen an die Pilgerreise, ganz bizarre Sachen fallen ihm ein, sind plötzlich in der Gegenwart. „In der ersten Zeit zu Hause konnte ich nicht alleine schlafen“, erinnert er sich. Überhaupt war es schwer, sich wieder an den Alltag zu gewöhnen. Etwa 3000 Euro hat ihn die Reise gekostet, mit Flügen und Ausrüstung. Manchmal hat er auch andere, die nicht viel Geld hatten, zum Essen eingeladen. Und eine kuriose Begegnung hatte er am Ziel noch. Er hat Angela Merkel gesehen. Die Bundeskanzlerin war zu einer EU-Veranstaltung dort, ist auch fünf Kilometer auf dem Jakobsweg gelaufen.

Pilgern macht süchtig

„Ich mach das noch mal“, sagt der Schnabelwaider. Nicht unbedingt die gleiche Strecke, vielleicht mal einen urtümlicheren Weg. Pilgern macht süchtig, hat er erfahren. „Ich war mal weg und ich bin wieder gekommen“, sagt er. Alle drei Monate etwa trifft er sich mit welchen von den anderen Pilgern, in Bayreuth gibt es sogar einen Pilger-Stammtisch.

Hofmann hat während seiner Reise Tagebuch geführt, manchmal nur einen Satz am Tag. Aber er könnte den Weg auch so komplett nacherzählen. Das macht er jetzt, indem er Vorträge darüber hält.

Autor