Schlüssel weg: Ausgesperrt und abgezockt

Von Moritz Kircher
Martin Gottwald aus Weidenberg kann immer noch nicht fassen, dass der Schlüsselmann bei ihm 545 Euro abkassierte. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ein Weidenberger, der sich an Heilig Abend versehentlich aussperrte, kam nicht mehr ohne Schlüsseldienst in sein Haus. Weil seine altersschwachen und kranken Hunde alleine eingesperrt waren, hatte er es bei der Auswahl des Handwerkers eilig. Das kostete ihn fast 550 Euro. Ein Branchenvertreter aus Bayreuth schimpft über solche Preise bundesweit agierender Unternehmen.

 
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So hat sich Martin Gottwald Heilig Abend nicht vorgestellt. In dem Moment, als seine Haustür ins Schloss fällt weiß er: Mist, ich habe keinen Schlüssel. Zwei alte, kranke Hunde sind alleine im Haus hilflos. Jetzt muss schnell ein Schlüsseldienst her. Mit Nachbarn sucht er im Internet ein Unternehmen raus. Ein gewisser Daniel Hauser erweckt auf der Seite Schlossfachmann.de den Eindruck, aus dem Weidenberger Ortsteil Gossenreuth zu kommen. Der Ausgesperrte ruft an. Anderthalb Stunden später fährt ein Fahrzeug mit Essener Kennzeichen vor. Es dauert noch einmal 35 Minuten, dann ist Martin Gottwald 545 Euro los.

"Nach der Rechnung war ich richtig fertig."

Noch Tage später ist Gottwald außer sich, wenn er daran denkt, was ihm passiert ist. Er zeigt die Rechnung: Einsatzpauschale 189 Euro, Anfahrt 30 Euro, Mehrarbeitszeit für eine halbe Stunde 59,80 Euro, neuer Zylinder 150 Euro, den alten Zylinder aufbohren 30 Euro. Zuzüglich Mehrwertsteuer macht das rund 550 Euro. „Nach der Rechnung war ich richtig fertig“, sagt der Weidenberger. „Das war das Geld für das Hochzeitsgeschenk meiner Stieftochter.“

Gerhard Abele kennt das. Er ist Schlossermeister mit Schlüsseldienst in Bayreuth. Eine Türöffnung in Bayreuth hätte er an Heilig Abend für maximal 70 Euro gemacht, sagt er. Nach Weidenberg wären noch die Anfahrtskosten hinzugekommen. „In 99 Prozent der Fälle bekomme ich die Tür auf, ohne den Zylinder aufzubohren“, sagt er. Er vermutet, dass im Falle Gottwalds nicht nur überteuert, sondern auch nicht fachgerecht gearbeitet wurde.

Ein Bayreuther Schlüsseldienst hätte die Tür für einen Bruchteil der Kosten geöffnet

Und 150 Euro für einen neuen Haustürzylinder? Abele lacht bitter. „Das ist Abzocke.“ Er ärgert sich über solche Dienste, die die ganze Branche in Verruf brächten. Fast 550 Euro für einen Einsatz in Weidenberg? „So etwas kann, will und werde ich mir nie leisten“, sagt er. Sein Geschäft wäre am Boden, wenn sich das in der Region rumsprechen würde, sagt er.

Was Martin Gottwald widerfahren ist, ist kein Einzelfall. Bei der Polizei in Oberfranken sind in diesem Jahr zahlreiche Strafanzeigen wegen überhöhter Schlüsseldienst-Rechnungen eingegangen. Der ortsübliche Preis in Oberfranken liege mit allem Drum und Dran zwischen 100 und 180 Euro, sagt Polizeisprecher Dominik Fehn. „Manche Schlüsseldienste lagen da 400 bis 600 Euro drüber.“ Der Service von Schlossfachmann.de passt also in dieses Bild.

Anwalt: Wucherpreise sind per Gesetz untersagt

Trotz hartnäckigem Nachhaken gelingt es bei zwei Testanrufen beim bei Schlossfachman.de nicht, vorab einen Preis zu erfahren. Darauf angesprochen reagiert man beim Unternehmen unwirsch. Man könne schließlich nicht hellsehen, sagt ein Mitarbeiter des Unternehmens, das angeblich im sächsischen Glauchau sitzt. Der Chef – Daniel Hauser – sei nicht zu sprechen. Ob er zurückruft? Vielleicht. Er meldet sich nicht.

Wehren kann man sich gegen solch überteuerte Dienstleistungen wahrscheinlich nur schwer. Sobald der Schlüsseldienst am Telefon beauftragt ist, habe man einen Vertrag, sagt Oliver Heinekamp vom Anwaltsverein Bayreuth. Solange es keine andere Absprache gebe, „gilt dann die übliche Vergütung als vereinbart“. Er verweist auf Paragraf 138 im Bürgerlichen Gesetzbuch. Dieser verbietet Wucherpreise und auch, die Zwangslage eines anderen bei Rechtsgeschäften auszunutzen.

Martin Gottwald will andere warnen

Ob das im Fall von Martin Gottwald zutrifft, müsste ein Gericht entscheiden. „Das ist immer eine Einzelfallprüfung“, sagt Heinekamp. Auf die Gefahr, dass alles nur noch mehr Geld kostet, will es der gelackmeierte Weidenberger wahrscheinlich nicht ankommen lassen. „Da wird die Not der Leute extrem ausgenutzt“, sagt er. Davor will er andere warnen.

Die Verbraucherzentrale rät, im Notfall bei einem Schlüsseldienst immer auf ortsansässige Firmen zurückzugreifen. Diese geben auf ihren Internetseiten ihre Adresse bekannt. Spätestens beim Anruf sollten Kunden die genaue Adresse erfragen. In der Regel reiche auch ein einziger Fachmann, um eine Tür zu öffnen. Die Verbraucherzentrale rät außerdem, schon beim telefonischen Auftrag ausdrücklich nur das Öffnen der Tür zu beauftragen. Das Schloss auszuwechseln, sei in den meisten Fällen nicht notwendig.

Tipps gegen Abzocke von der Verbraucherzentrale

Nach Angaben der Verbraucherzentrale kostet eine Türöffnung in der Regel 75 bis 100 Euro. Auftraggeber sollen am Telefon oder vor Ort, am besten mit Zeugen, einen verbindlichen Preis vereinbaren. Wer sich an der Haustür mit dem Handwerker über die Rechnung in die Haare kriegt, soll sich auf keinen Fall unter Druck setzen lassen. Droht der Schlüsselmann beispielsweise damit, die Tür wieder zu verschließen, dann sei das eine Nötigung. Bei solchen schwarzen Schafen rät die Verbraucherzentrale: „Zögern Sie nicht, die Polizei zu rufen.“

Tipps der Verbraucherzentrale können Sie im Netz unter www.vz-nrw.de/schluesseldienste nachlesen.

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