Mit Blick auf das Fahrrinnen-Bauvorhaben teilte BASF mit: "Leider verzögert sich die Umsetzung dieses enorm wichtigen Projekts durch ein langwieriges Genehmigungsverfahren und Personalmangel in den zuständigen Behörden signifikant." Bundesverkehrsminister Wissing verweist auf die von ihm eingesetzte sogenannte Beschleunigungskommission. Auch dank ihr sei eine breit angelegte Stellenoffensive zur Verstärkung des Projektteams mit Ingenieuren und Technikern erfolgt. Die Prozesse innerhalb des Projekts seien optimiert worden, "um den hochkomplexen Fragen im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie bestmöglich gerecht zu werden".
Kritik von Naturschützern
Bei Naturschützern ist das Vorhaben umstritten. In einem Positionspapier des Naturschutzbundes (NABU) heißt es, eine größere Abladetiefe fördere "übergroße Schiffseinheiten auf Kosten der kleineren, besser flussangepassten Schiffe". Die Entwicklung des Rheins im Klimawandel werde unzureichend berücksichtigt. Vor allem bei Niedrigwasser werde das Leben im Rhein noch stärker auf die Fahrrinne beschränkt. Die als Lebensräume wichtigen Zonen mit flachem Wasser würden verstärkt abgekoppelt oder gingen verloren.
Auch damit so etwas nicht passiert, hat das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rhein die BAW vor Jahren damit beauftragt, mit Forschung Grundlagen für eine rechtssichere und die Interessen ausgleichende Planung zu legen. Ende 2015 lief das Rhein-Projekt bei der BAW an, wie Andreas Schmidt, Leiter der Abteilung Wasserbau Binnenbereich, erklärt. Es geht es um den Abschnitt von Budenheim bei Mainz bis St. Goar. Auf dem sind laut Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) pro Jahr rund 50.000 Güterschiffe (Stand: 2021) unterwegs mit fast 60 Millionen Tonnen Ladung. Prognosen sehen in den kommenden Jahren einen Anstieg auf mehr als 75 Millionen Tonnen.
Binnenschifffahrts-Verband spricht von "echtem Nadelöhr"
Allerdings beträgt dort die durchgängig garantierte Fahrrinnentiefe nur 1,90 Meter unter dem Gleichwertigen Wasserstand - ein Niedrigwasserstand, der lediglich an rund 20 Tagen pro Jahr erreicht oder unterschritten wird. Stromauf- und -abwärts sind es 2,10 Meter, also 20 Zentimeter mehr. Das klingt wenig, doch zusätzliche 20 Zentimeter ließen bis zu 200 Tonnen mehr Fracht pro Schiff zu, sagt Thorsten Hüsener vom Projektteam Mittelrhein der BAW.
Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt nennt den Mittelrhein ein "echtes Nadelöhr". Mit der Abladeoptimierung würden Transporte auch bei Niedrigwasser besser plan- und durchführbar. "Dies ist wichtig, da die rohstoffintensiven Industriestandorte auf die verlässliche Belieferung durch die Binnenschifffahrt angewiesen sind."
"Kein Flussabschnitt gleicht dem anderen"
Schuld an der geringeren Fahrinnentiefe sind zahlreiche Untiefen. Die sechs neuralgischsten fokussiert das Projekt der Abladeoptimierung, darunter der Jungferngrund bei Oberwesel, der in Karlsruhe nachgebaut wurde. Mit dem Großprojekt soll die Fahrrinnentiefe auch in dem Rhein-Abschnitt auf durchgängig 2,10 Meter gebracht werden - mit möglichst punktuellen, umweltschonenden Eingriffen, die das Hochwasserschutz-Niveau nicht verschlechtern dürfen, wie Sven Wurms, Leiter des Projekts bei der BAW, erklärt. "Es gibt nur sehr individuelle Lösungen", sagt Hüsener. "Kein Flussabschnitt gleicht dem anderen."
In Computermodellen und mit dem Rhein-Modell wird bei der BAW geschaut, wo Sedimente von der Strömung in die Fahrrinne getragen. Dann wird geprüft, wie zum Beispiel eine höhere Strömungsgeschwindigkeit erreicht oder der Sedimenttransport gelenkt werden kann. Denkbar sind die Errichtung von Buhnen, quer in den Fluss ragende Bauwerke, längs verlaufende Bauwerke, Grundschwellen auf dem Flussboden oder die Verfüllung von Kolken, Vertiefungen im Flussgrund. Teils wird auch punktuelles Abfräsen von Fels nötig sein.
Jungferngrund als besondere Herausforderung
Am Jungferngrund mit einer gleichnamigen Kiesbank und einem Felseiland namens Tauber Werth macht der Rhein eine 90-Grad-Kurve, Schiffe brauchen für ihre Manöver eine recht breite Fahrrinne, die Strömungsverhältnisse sind komplex. Die Kiesbank als wichtiger Lebensraum und der Rhein-Nebenarm dürfen keinen Schaden nehmen, wie Wurms erklärt. Und so werden alle möglichen Varianten an dem Rheinmodell im Maßstab 1:60 in der Länge und 1:50 in der Höhe nachgespielt. Statt Sediment wird hier Kunststoffgranulat von der Modellströmung transportiert. Denkbare Wasserbauten werden maßstabsgetreu eingebaut und getestet.
Für BAW-Chef Heinzelmann ist die Suche nach solchen viele Faktoren berücksichtigenden Lösungen fast schon "die Quadratur des Kreises". Das lässt verstehen, warum das Projekt noch viele Jahre dauern dürfte - nicht zuletzt auch wegen der noch anstehenden und zeitraubenden Planfeststellungsverfahren. Das Rheinmodell in Karlsruhe dürfte noch lange stehen, die BAW soll auch nach den Bauarbeiten die ergriffenen Maßnahmen evaluieren.