Roland Weiss (77) dirigiert Aufführung von Mozarts Requiem — Orgelaushilfe bei etlichen Gottesdiensten Musikalischer Nothelfer im Stress

Von Frank Heidler
Musikalischer Nothelfer im Stress: Roland Weiss (77) dirigiert in Roth Aufführung von Mozarts Requiem. Foto: Frank Heidler Foto: red

Andere haben sich in seinem Alter schon längst ein Apartment im Brigittenheim oder dem betreuten Wohnen genommen und genießen den Lebensabend: Musikrentner KMD Roland Weiss (77) hat dagegen an manchen Tagen einen Terminkalender wie ein Manager. Jetzt rettet er sogar eine große Konzertaufführung von „Mozarts Requiem“ in der Rother Stadtkirche.

 
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Ausgerechnet bei einer Fachtagung hatte der dortige Kantorenkollege von Weiss einen Herzinfarkt erlitten. Weiss: „Eine Kollegin vor Ort hat die Vertretung übernommen.“ Völlig unvorbereitet klingelte dann aber bei Kirchenmusikdirektor Weiss im Februar das Telefon. Am Apparat eben jene Kollegin, „die ich seit Kindesbeinen kenne“. Sie eröffnete ihm, dass sie sich die Leitung der Konzertaufführung nicht zutraue und fragte den Pegnitzer als Ersatz an. Nach einer kurzen Bedenkpause sagte der zu. Und hatte seitdem eine Menge Zusatzarbeit am Hals.

33 Sänger

Jede Woche fährt er die 78 Kilometer nach Roth und leitet im Gemeindehaus die Probe des Kammerchors zur Vorbereitung auf die Aufführung. Zum Rother Kammerchor gehören 33 Sänger, der Probenaufwand ist genauso groß wie für die rund doppelt so große Pegnitzer Kantorei. Das Konzertorchester in Roth ist das gleiche wie bei der jüngsten Aufführung in der Pegnitzer Bartholomäuskirche: die Vogtland-Philharmonie. Immerhin 28 Profimusiker. In der vorigen Woche ist Roland Weiss sogar nach Greiz gefahren, um dort die Orchesterprobe zu dirigieren. Die eigentliche Aufführung findet jetzt am Sonntag, 20. März, um 16 Uhr in der Rother Stadtkirche statt.

Breitkopf-Partitur

Seit Februar studiert Weiss an jedem Tag die umfangreiche Partitur von Mozarts Requiem. Für Laien eine beinahe unübersehbare Vielfalt von Notenlinien. Fein säuberlich hat Kirchenmusiker Weiss mit Bleistift auf der Aufschlagseite vier Jahreszahlen notiert: 1988, 1991, 1994 und 1994. Viermal hat er das Mozart-Requiem schon selbst in Pegnitz aufgeführt. Sein einziger Kommentar zu den Vorbereitungsmühen: „Wenn man das jahrelang nicht gemacht hat, muss man sich schon bemühen.“ Mittlerweile habe er die blau eingebundene Breitkopf-Partitur so gründlich studiert, „dass ich schon davon träume“. Besondere Dankesbezeigungen erwartet er dafür nicht, sagt er. „Die haben mich gefragt, was ich dafür krieg. Ich habe gesagt: nix.“

Orgelsachverständiger

Vielleicht werden sie ihm doch noch ein kleines Anstandshonorar aufdrängen. Erfahrungen als musikalischer Notnagel hat der Pegnitzer Ruhestandskantor beinahe am laufenden Band. Vor exakt drei Jahren sprang er für seinen schwerer erkrankten Nachfolger Jörg Fuhr ein und übernahm für ein Vierteljahr zu 100 Prozent dessen Job. Ganz egal, ob Chorproben, Gottesdienste oder Beerdigungen. Erst diese Woche musste er als Orgelsachverständiger eine Gemeinde beraten. Der gebürtige Creußener Weiss drückt immer noch regelmäßig an zwei Sonntagen pro Monat in seiner Geburtsstadt die Orgeltasten. Jetzt im März werden es sogar vier Einsätze.

Ab und zu springt er auch für seinen katholischen Kollegen Peter Görl in Pegnitz ein. „Ich war auch schon zweimal bei Beerdigungen in Pottenstein.“ Und erntete erstaunte Blicke der urkatholischen Bevölkerung. Für Weiss sind solche Orgelaushilfen kein Problem, solange man ihm rechtzeitig vorher die Gottesdienstordnung zukommen lässt. „Das macht nämlich jeder anders.“ Auch bei „seinen“ Sommerkonzerten musste er früher mehrfach Ersatz für erkrankte Solisten besorgen. „Ich hatte einmal einen Liederabend, da konnte der Solist nach der Pause nicht mehr weitersingen.“ Selbst das Wiederholungskonzert fiel einer gesundheitlichen Unpässlichkeit des Sängers zum Opfer. Roland Weiss fackelte nicht lange und gab für die versammelten Zuhörer ein Orgelkonzert. Jetzt beim Rother Kirchenkonzert wird er erst dann erleichtert aufatmen können, „wenn alle vier Gesangssolisten tatsächlich da sind“.

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