Experten warnen vor Legitimationseinbußen
Sachverständige äußerten sich teils sehr klar zu den Anforderungen an demokratische Wahlen. Ein Wahlrecht solle von Dauer und nicht Ausdruck temporärer Mehrheiten sein und einen fairen Wettbewerb zwischen den Parteien ermöglichen, erklärte der Demokratieforscher Hans Vorländer. Wenn eine hohe Zahl an Wählerinnen und Wählern nicht repräsentiert werde, büßten die demokratischen Institutionen an Legitimation ein. Der Politikwissenschaftler Frank Decker plädierte in diesem Zusammenhang klar dafür, die Sperrklausel von 5 Prozent herabzusetzen - und damit den Anteil nicht berücksichtigter Stimmen abzusenken.
Direktkandidaten seien einem großen Teil der Wählerinnen und Wählern in den Wahlkreisen gar nicht bekannt, sagte Decker. Entscheidend für ihre Wahlentscheidung sei auch bei der Erststimme die Parteien- und nicht Personenpräferenz - die meisten Wähler würden beide Stimmen daher derselben Partei geben, sagte der Politologe Thorsten Faas. Und: den wenigsten Wählern sei überhaupt der Unterschied zwischen den Stimmen bekannt. Viele wüssten nicht, dass die Zweitstimme die entscheidende sei.
Bayern befürchtet verwaiste Wahlkreise
Mit der Neuregelung der Ampel soll die Zahl der Sitze im Bundestag auf 630 gedeckelt werden. Dafür sollen Überhang- und Ausgleichsmandate wegfallen, die den Bundestag bisher immer weiter anwachsen ließen. Nach der letzten Bundestagswahl zählte das Parlament 736 Abgeordnete. Für die Zahl der Sitze einer Partei im Parlament ist künftig allein ihr Zweitstimmenergebnis entscheidend - auch dann, wenn sie mehr Direktmandate geholt hat. Dann gehen die Wahlkreisgewinner mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis leer aus. Dies träfe vor allem die Unionsparteien.
Den geplanten Wegfall der Überhangmandate kritisierte daher etwa die CSU scharf. Wäre das neue Wahlrecht schon bei der letzten Bundestagswahl in Kraft gewesen, hätten es von 46 gewonnen Wahlkreisen in Bayern sieben der erfolgreichen Wahlkreisbewerber nicht in den Bundestag geschafft. "Das führt zu Frust bei den Wählern", sagte der bayerische Innenminister und Landtagsabgeordnete Joachim Hermann. Ganze Wahlkreise blieben verwaist, ganze Regionen blieben mit ihren Anliegen im Bundestag dann unberücksichtigt.
Am Mittwoch soll weiterverhandelt werden. Ein Urteil aber dürfte erst in einigen Monaten fallen - möglichst deutlich vor der nächsten anstehenden Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres. Denn falls das oberste Gericht Änderungen an der Reform einfordert, müssten diese noch eingearbeitet werden.