Zuerst war’s lustig, jetzt ist man verstört, überhaupt gleicht der Abend einer Gratwanderung. Mal blickt man auf Höhepunkte schreiberischen Scheiterns, dann wieder starrt man in Abgründe. Christina Knorz, Katharina Ritzer und Ulrike Sommerer sowie Joachim Braun, Otto Lapp und Manfred Scherer lesen im Rahmen des „Leselust-Festivals“, die Veranstaltung heißt „Hate Slam. The Best of Kurier-Leser.“ Und eigentlich ist alles Mögliche an diesem Titel irreführend. Es ist kein Slam, es geht nicht nur um Hass, es ist auch gar nicht das Beste, sondern das exquisit Schlechte, und das nicht nur von Lesern sondern auch von Autoren der Zeitungen.
Viel Spaß macht’s dem Publikum, wenn sich jemand aus der Redaktion an die dicke, dicke Nase fasst. Also, das heißt nicht unbedingt sich selber, sondern einem Kollegen. Zwei Kollegen unterstützen die Kurier-Mannschaft, Christian Jakubetz und Ralf Heimann. „Die tote Kuh kommt morgen rein“ heißt Heimanns Roman, der von einer Lokalredaktion erzählt. Es wäre für unseren Berufsstand besser, er hätte sich alles ausgedacht. So aber hält die Wirklichkeit mühelos mit der Fiktion mit. Etwa in einem Bericht, den ein Autor über ein Fest mit Stripperin dichtete. „Er (also Gott, Anm. der Red.) hat seine Gaben filigran verteilt.“ Aberwitz in Kurzform: „Die Luft aus dem Darm hat Charme.“ Echte witzige Fehler wie der, der aus dem „Flötenkreis“ das „l“ entfallen lässt, sind ja eher selten. Nicht so selten wie Eitelkeit: Ein Stadtrat will der Redaktion die Verwendung alter Fotos untersagen (er mit Vokuhila-Matte) und fängt sich eine Retourkutsche ein, die ausgerechnet die Oberbürgermeisterin losprusten lässt.
Dann wieder prasseln Ergüsse von Wutbürgern, Erpressern, Rassisten auf einen ein. Einer regt sich über seinen zugemüllten Briefkasten auf und lässt sich von seiner Empörung forttreiben – bis zu dem Punkt, dass krebskranken Kindern nichts mehr spenden will. Man will das gar nicht verstehen. Eher schon dieses Wortgespann von grandioser Sinnlosigkeit: Was zum Geier meint jener unveröffentlichte Serienleserbriefschreiber mit der „Wahrheit von der Wirklichkeit?“
Wir werden genau das noch ergründen müssen. Am besten nächstes Jahr, in einer weiteren Auflage des Hate Slams.
Hier der komplette Mitschnitt: