"Happy Prince": Vom Dandy zum Außenseiter

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Historiendrama, Filmbiografie, Liebestragödie: Rupert Everetts erster Kinofilm hat von allen etwas. Seit einer Woche läuft der Hollywoodstreifen, der in Deutschland zu großen Teilen im Landkreis Kulmbach gedreht wurde, im Bayreuther Cineplex.

 
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Beim Kinobesuch am Tag nach dem Bundesstart ist die Zahl der Zuschauer durchaus überschaubar. In der Abendvorstellung von „The Happy Prince“, im kleinen Kino 2 sitzen nur gut 20 Männer und Frauen vor der Leinwand.

Ob sie wie wir in dem Film als Statisten mitwirkten? Vor uns flüstert eine Zuschauerin mit ihrer Nachbarin. Das Wort „Café Concert“ ist zu hören. Mir kommt das wohl bekannt vor: War doch das die Szene, für die ich einen Tag lang von 5 bis 21 Uhr auf den Beinen war. In einer Halle in Mitwitz ist eine Nacht in der Pariser Halbwelt gedreht worden. Der Höhepunkt: Oscar Wilde alias Rupert Everett bietet ein Lied dar, nach dem Geständnis, nicht zahlen zu können: „The boy I love“.

Die Szene kommt relativ zu Anfang des Films. In der Menschenmenge in dem Tanzcafé herrscht vor der musikalischen Einlage Tumult: Wilde wird beleidigt, es kommt zur Rauferei. Das Lied versöhnt die Menge wieder miteinander. Doch plötzlich stürzt der Dichter – und wird sich davon nie mehr erholen. Der Junge, den er liebt, wird sein Untergang.

Dunkle Gassen und schäbige Zimmer

Der Film über Oscar Wildes Lebensende im Exil trägt aufgrund der Lichtstimmung von Beginn an melancholische Züge. Der Dichter schlurft durch dunkle Gassen, vergnügt sich mit Stricherjungen in schäbigen Zimmern, läuft durch ärmliche Hinterhöfe im schummrigen Licht. Alle diese halbverwaschenen Bilder zeigen das Leben eines Außenseiters, eines von der Gesellschaft ausgestoßenen Mannes, dessen Genie und menschliche Größe immer seltener aufscheinen.

Vom Prinzen und der Schwalbe

Der Titel des Films „The Happy Prince“ erklärt sich durch die Handlung. „Der glückliche Prinz“ heißen ein Kunstmärchen und eine Märchensammlung des Dichters. Everett dient es als Leitmotiv seiner Filmgeschichte: „The Happy Prinz“ handelt von der tragischen Liebesbeziehung zwischen einem reichen Prinzen und einer kleinen Schwalbe. Der Prinz opfert sein ganzes Reichtum für die Armen. Das Vögelchen opfert sein Leben aus Liebe für den Prinzen.

Everett, der selbst Regie führt und das Drehbuch schrieb, dürfte darin Ähnlichkeiten mit dem Schriftsteller gesehen haben. Das einst gefeierte Genie, dem am Lebensende nach dem Bekenntnis zu seiner Homosexualität nichts mehr bleibt. Und den hoffnungslos Liebenden, der an seiner Leidenschaft für den jungen Lord Alfred „Bosie“ Douglas zugrunde geht.

Everett beweist Mut zur Hässlichkeit

Neben Everett selbst, der den Mut aufbringt, sich in der Rolle seines Lebens übergewichtig und von Krankheit entstellt zu zeigen, beeindruckt vor allem Colin Morgan. Wie ein Todesengel beherrscht er das Leben Wildes, überirdisch schön, zugleich unnahbar und kalt. Eine verhängnisvolle Leidenschaft: Wegen seinem Verhältnis zu dem jungen Lord muss Oscar Wilde zwei Jahre im Gefängnis absitzen.

Der Kinofilm erzählt dies in Rückblenden: die Demütigung vor Gericht, die Verachtung der Gesellschaft, die Schande, die er über seine Familie bringt. Wie in einem Fiebertraum erscheinen die Söhne und die postpubertären Liebhaber, denen er das Märchen vom glücklichen Prinzen erzählt.

Rivalen und Liebhaber

Während die Filmstars Colin Firth als Lebensfreund Reggie Turner und Emily Watson als Noch-Ehefrau eher Nebenrollen ausfüllen, nimmt Edwin Thomas als Lebensgefährte Robbie Ross einen beachtlichen Raum ein, den er überzeugend auszufüllen vermag. Noch am Grab des Schriftstellers streitet sich Robbie voller Eifersucht mit Bosie, wer von beiden die tiefere Liebe für Wilde empfunden habe.

Marode Schönheit

Unverkennbar in der Beerdigungsszene: der alte Kulmbacher Friedhof, der mit seinen uralten Grabmälern und Gruften hochrangiger Bürger als Kulisse diente. In seiner maroden Schönheit kommt er dem realen Vorbild, dem Pariser Père Lachaise, durchaus nahe. Denn dort befindet sich Oscar Wildes wahre letzte Ruhestätte.

Ausgeklügeltes Kostümbild

Die Kamera von John Conroy fängt vor allem die Gesichter von Everett und Morgan in betörenden Nahaufnahmen ein. Diese Close-ups haben den berührenden Effekt, tief in das Seelenleben der Figuren blicken zu lassen. Das Kostümbild von Gianni Casalnuavo und Maurizio Millenotti wurde äußerst sorgfältig entworfen und harmoniert perfekt mit Maske und Ausstattung.

Suche nach bekannten Orten

Wer nach heimischer Kulisse sucht, hat es nicht leicht: Die auf Schloss Thurnau entstandenen Bilder sind schwer zu erkennen. Eine Szene in einer Pariser Bar, mit Statisten im Schloss gedreht, kommt spät. Das Treffen junger Schriftsteller und die „Orgie“ mit attraktiven Jünglingen scheinen ebenfalls in den altehrwürdigen Räumen der Kemenate zu spielen. Die Kutschfahrt mit dem Priester (Tom Wilkinson) zum Sterbebett des Dichters könnte am Thurnauer Schlossweiher spielen.

Für Literaturfreunde - und Homosexuelle

Ein Kinofilm, in erster Linie für Literaturfreunde -- und die Schwulenbewegung. „In dem Film steckt alles, was ich zu geben hatte“, sagte Everett nach der Premiere in München. Der Umgang mit Nacktheit ist in dem ab zwölf Jahren freigegebenen Film sehr dezent, gemäß der Moral des 19. Jahrhunderts. Und natürlich ein Film für all jene, die in einer der Szenen als Komparsen Filmfiguren darstellen durften. Was nicht wenige waren. Sogar der Eisverkäufer im Kino sagt, bevor er viel Vergnügen wünscht: „Ich war auch dabei.“ Der freundliche Ticketkontrolleur war im Film ein Barbesitzer. Gesehen hat er sich noch nicht.


Info: Noch am 2. Juni, 19 Uhr, am 3./5. Juni, 19.30 Uhr, und 7. Juni, 15.30 Uhr, im Film-Café. Auch beim ersten Thurnauer Open Air im Schlosshof vom 16.-19. August soll der Film gezeigt werden.

 

 

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